Ein Autofahrer war mit seinem Fahrzeug zunächst auf der Westminister-Brücke neben dem Parlament in eine Menschenmenge gerast und hatte eine Frau getötet und mehrere Menschen, darunter drei französische Teenager, verletzt. Später krachte das Auto in den Gitterzaun des Parlaments, der männliche Fahrer drang in den Innenhof des Parlamentsgebäudes ein und griff einen Polizisten mit einem Messer an, wurde daraufhin von anderen Polizisten erschossen.
Parlamentarier, die gerade dabei waren zu einer Abstimmung zu eilen, wurden von den Schüssen aufgeschreckt und rannten, um sich in Sicherheit zu bringen. Einer von ihnen, der konservative Abgeordnete Tobias Ellwood aus Bournemouth versuchte den verletzten Polizisten noch durch Mund-zu-Mundbeatmung zu retten, doch vergeblich. Ellwoods blutverschmiertes Gesicht zeugte von Verzweiflung und Erschöpfung.
Pressestimmen zu den Anschlägen von London
„In den vergangenen Monaten ist die Rhetorik der religiösen und ethnischen Spaltung weltweit lauter geworden - angesichts der jüngsten Verluste der IS-Terrormiliz auf dem Schlachtfeld ist das vielleicht paradox. Die Bemerkungen von US-Präsident Trump über Muslime und sein Versuch, einen Einreisestopp gegen sie zu verhängen, haben die Spannungen verschärft. Der diplomatische Streit der Türkei mit Deutschland und den Niederlanden führte dahin, dass der türkische Präsident Erdogan von einem „heiligen Krieg“ in Europa redet. Hass facht Terrorismus an, doch er wird auch in wachsendem Maße zu einer politischen Währung. Diese jüngste Gräueltat darf nicht zur Rechtfertigung weiterer rhetorischer Exzesse dienen.
Wie immer besteht die richtige Reaktion auf Terroranschläge darin, zuerst an die Opfer zu denken, die dabei getötet oder verletzt wurden, zu trauern und all jene zu unterstützen, die von dieser sinnlosen Gewalt getroffen wurden. Doch mehr noch als das müssen wir als Gesellschaft mit dem normalen Leben weitermachen, einander Stärke geben und vereint gegen Extremismus in allen seinen Formen vorgehen.“
„Was wird Großbritannien aus diesem traumatischen Ereignis machen? Die Betroffenheit und die Solidarität sind groß, doch ebenso groß ist die Entschlossenheit, das Leben im gewohnten Rahmen fortzusetzen. Die britische Gesellschaft wird sich durch solche Gewaltakte nicht verunsichern lassen. Dafür ist das Selbstverständnis als traditionelles Bollwerk für Freiheit, Demokratie und Wehrhaftigkeit in der Bevölkerung viel zu stark verankert.
Ein weiterer Gedanke ist tröstlich: Anschläge wie dieser könnten jeden Tag an zahllosen Orten des Landes durchgeführt werden. Dass es nicht viel häufiger passiert, belegt, dass die Sicherheitskräfte und Nachrichtendienste bei der Terrorbekämpfung gut arbeiten. Denn dass Großbritannien mit seinem Selbstverständnis als westliche Großmacht und nach den jüngsten Kriegseinsätzen im Nahen Osten eine prominente Zielscheibe für islamistische Anschläge ist, ist unbestritten.“
„Die Gesellschaft kann nicht jedes Risiko ausschließen. Es gibt kein Sicherheitssystem, das nicht - und sei es auch nur für einen Augenblick - von einem Terroristen überwunden werden kann, der bereit ist, bei seinem Anschlag zu sterben. Damit zu leben müssen wir nicht mehr lernen, das haben wir inzwischen akzeptieren und einkalkulieren müssen. (...)
Auf den ersten Blick scheinen die Terroristen im Vorteil zu sein. Nichts ist leichter, als den gewohnten Gang der Dinge mit blinder Gewalt zu stören. Aber es hat sich mittlerweile auch gezeigt, dass sich nichts schneller verschleißt, als so ein Anschlag auf den Alltag. Das soll nicht das Leid der Überlebenden und ihres Umfelds relativieren. Ihr Leben ist für alle Zeit erschüttert, oft gar zerstört. Das Mitgefühl mit ihnen wird nicht geschmälert durch den festen Willen der Gesellschaft, weiterzumachen und sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.“
„Das direkte Ziel dieses Angriffs vor dem Parlament war das Herz der britischen Demokratie. Vielleicht war sogar beabsichtigt, die Premierministerin persönlich zu treffen. Der Tag mit der Fragestunde der Premierministerin im Unterhaus ist der einzige, an dem ihr öffentliches Auftreten allen lange bekannt ist. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass dieser Angriff - ähnlich wie jener in Berlin kurz vor Weihnachten - einfach ein Versuch war, ein europäisches Machtzentrum zu treffen. (...) Dieser neue Angriff war lange erwartet worden. Er ist kein Akt des Krieges. Wir dürfen nicht zulassen, dass er uns auseinandertreibt. Das Ziel des Terrors ist es, Hass und Spaltung zu verbreiten. Der erste Schutz davor muss unsere Solidarität sein.“
„Westminister Palace, das Herz der britischen Demokratie, ist angegriffen worden. Nicht mit einer ausgeklügelten Cyberoperation, sondern mit den plumpesten Waffen: einem rasenden Auto, das von einem Mann mit einem Messer gesteuert wurde. Die Spur der Toten und Verletzten reichte von der Westminster Bridge bis zu den Toren des Parlaments - als ein Zeichen, wie sehr die Kriege der Welt heutzutage unsere Art zu leben beeinträchtigen. (...) Obwohl man erst wenig über den Hintergrund des Angriffs in Westminister weiß, ist klar, dass er Merkmale der Aktion eines „einsamen Wolfs“ aufweist, wozu die zahlreichen Propagandakanäle der Terrororganisation IS ständig auffordern. Am Tag der Bastille im vergangen Jahr hat ein Lastwagenfahrer in Nizza 86 Menschen getötet. Einige Monate später wurde in Berlin ein gestohlener Lkw in einen Weihnachtsmarkt gesteuert, wobei 12 Menschen getötet und 56 weitere verletzt wurden. Das Niederwalzen von Unschuldigen hatte gestern zwar ein geringeres Ausmaß, aber die Absicht war klar: Ein nationales Symbol sollte getroffen werden, um Verachtung für demokratische Traditionen zu zeigen.“
Zum Terroranschlag in London schreibt die konservative Zeitung „Lidove noviny“ aus Tschechien:
„Wir wissen noch nicht, was den Täter von London bewegt hat. Möglicherweise war er Mitglied einer Terrororganisation. Oder es war jemand, der sich radikalisiert hat. Oder ein Mensch, der durchgedreht ist. In jedem Fall war es ein Terrorakt - im ursprünglichen Wortsinn, Angst zu verbreiten. (...) Es gibt kein schnelles und wirksames Rezept dagegen. Vielleicht würde es für den Anfang genügen, wenn man aufhören würde, den Populismus als Symbol für alles Böse zu brandmarken. Sicherlich ist Hysterie eine irrationale, unheilvolle und gefährliche Sache. Doch sie wird weniger von den Populisten, als vielmehr von Gefahren wie dieser ausgelöst, die immer bedrohlicher werden.“
Zum Terroranschlag in London schreibt die französische Regionalzeitung „Le Républicain Lorrain“ (Metz):
„Der Krieg der Symbole fordert wirkliche Opfer. Gestern hat ein Terrorist in London vorsätzlich Leben ausgelöscht. (Sein) einziges Ziel war, eine Botschaft zu senden: Auch wenn wir geschwächt sind, können wir immer noch das Herz eurer westlichen Hauptstädte angreifen.
Es ist kein Zufall, dass diese schaurige Zeichen genau ein Jahr nach der Tragödie von Brüssel kommt. Es ist ebenfalls kein Zufall, dass der Tag mit dem Treffen der internationalen Koalition gegen den Islamischen Staat zusammenfällt. (...)
Auch wenn die Koalition Daech (anderer Name für Islamischer Staat) zurückweichen lässt, wird sie rissig. Weder Mossul noch Rakka sind bisher gefallen. In Gedanken sind die regionalen Mächte bereits mit der Aufteilung der Ruinen beschäftigt.“
Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ beschäftigt sich mit dem mutmaßlichen Terroranschlag:
„Das Herz von London ist verwundet. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Kriegsakte nach dem Muster des fundamentalistischen Islams vermehrt, die wir nicht sehen wollten. (...) Wir haben versucht, nicht darüber nachzudenken, die Besorgtheit davonzujagen, wir wollten nicht Gefangene der Angst werden. Aber das Attentat von London erinnert uns daran, dass unsere Hoffnungen hohl sind. Dass die Attacken weitergehen, dass der Fluss des Blutes nicht auszudörren ist. (...) Wir laufen Gefahr, uns an den Terror zu gewöhnen und ihn als Teil unseres Lebens zu begreifen, der dazu gehört und nicht ausgemerzt werden kann. (...) Mit London aber, das am Parlament getroffen wurde, ist es noch schwieriger, so zu tun, als wäre nichts gewesen, und als würde man nicht merken, dass dieser einseitige Krieg, ausgelöst durch den religiösen Fanatismus, niemals enden wird. Es ist ein unterschwelliger Krieg, der nicht aufhören wird, Trauer und Schrecken zu sähen.“
Zum Terroranschlag in London schreibt die linksliberale Madrider Zeitung „El País“:
„Der Anschlag auf das Westminster-Parlament ist eine klare Mahnung, dass niemand vor Terroranschlägen gefeit ist (...) Wir stehen vor einem eindeutigen Beweis, dass in dieser globalisierten Welt weder eine Insellage noch die Isolation zusätzlichen Schutz vor Terror bieten. Großbritannien macht zur Zeit einen komplexen und in verschiedener Hinsicht auch traumatischen Prozess der Neubestimmung durch, der sowohl die nationale Identität als auch die internationalen Allianzen betrifft. Der Schock des Terrorismus sollte uns nun alle daran erinnern, dass ungeachtet aller Differenzen in Bezug auf den Brexit, die sehr tiefgreifend und nicht leicht zu überwinden sind, wir einen einzigen Raum der Freiheit, des Wohlstands und der Sicherheit teilen und wir alle die Pflicht haben, diesen zu bewahren.“
Die Labour-Abgeordnete Mary Creagh war gerade von ihrem Büro zum Parlamentsgebäude unterwegs, als sie die Schüsse hörte. Durch einen Seiteneingang gelang ihr die Flucht in die U-Bahn-Station von Westminster. „Mir war sofort klar, dass etwas nicht in Ordnung ist“, erklärte sie später. Geistesgegenwärtig kämpfte sie sich durch die Menschenmassen bis zum Stationsleiter vor: „Es gibt einen Terroranschlag auf das Parlament“, erklärte sie ihm und überredete ihn, den Bahnhof schließen zu lassen. Die Tory-Abgeordente Niki Morgan hielt sich gerade in ihrem Büro im Nebengebäude des Parlaments auf, als sie Schüsse und laute Schreie hörte. „Ich hörte wie jemand rief: Sofort auf den Boden legen! Das habe ich dann auch getan.“ Der Schock war ihr auch Stunden später noch anzumerken.
Die Polizei riegelte das Gelände sofort großräumig ab und leitete den Verkehr um, die Sirenen der Krankenwagen heulten, überall flackerten die Blaulichtsignale der Polizeifahrzeuge, Hubschrauber kreisten über dem Palast von Westminister und das Riesenrad London Eye wurde unverzüglich gestoppt. Mehrere Menschen waren in den Kabinen gefangen – Fernsehaufnahmen zeigten noch Stunden später Touristen, die in den verglasten Gondeln nervös auf und ab gingen.
Ein Sprecher der Londoner Börse steckte im Regierungsviertel in einem Taxi fest – seine Verlobte hielt sich gerade im Unterhaus auf. Erst als er sie per Handy erreicht hatte, konnte er wieder aufatmen. Stundenlang saßen mehrere hundert Menschen im britischen Parlament fest, Abgeordnete und ihre Mitarbeiter, Journalisten, Touristen und Schülergruppen – alle in einer unfreiwilligen Zwangsgemeinschaft, durften das Gebäude aus Sicherheitsgründen nicht mehr verlassen.
Erst drei Stunden später wurde es evakuiert – rund 1000 Menschen wurden langsam über die Straße in die Kathedrale Westminister Abbey geleitet.
Während die Polizei weiter unter Hochdruck ermittelte und der Sicherheitsstab Cobra tagte, trat gegen Abend zumindest rein äußerlich wieder etwas mehr Ruhe ein. Die Pendler strömten nach Hause, die Panik ließ nach. Doch die Folgen dieses Tages werden noch lange nachwirken.