Auch die deutsche Bundesregierung verteidigt das OMT-Programm der EZB. Wie bewerten sie deren Rolle?
Die Ausführungen der Regierung, die vorab an den EuGH gingen, sind ein peinlicher Schriftsatz. Es heißt: "Die EZB müsse ihr OMT-Programm noch konkretisieren!". Das ist lächerlich. Die Regierung hätte angesichts der seit dem OMT beschlossenen Maßnahmen ihre Vorbehalte gegenüber der EZB deutlicher machen müssen. Warum traut sie sich nicht?
Stimmen aus dem Ausland zur EZB-Politik
„Bei der Verkündung der EZB-Maßnahmen war ein Hauch von Verzweiflung zu spüren. Europa befindet sich im Sog eines Deflationsstrudels. Es ist zwar gut, zu wissen, dass sich die EZB dessen bewusst ist. Aber die Erleuchtung könnte zu spät gekommen sein.“
„Die Notenbank in Frankfurt hat ihr wirksamstes Instrumentarium weitgehend ausgereizt, die Strukturschwäche in der Euro-Zone kann und wird sie mit ihren Mitteln nicht überwinden können. […] Die EZB will um jeden Preis den Eindruck vermeiden, ihr gingen im Kampf um die Erhaltung der Währungsunion und des Euro die Mittel aus. Doch ihr Präsident gibt inzwischen unumwunden zu, dass es immer schwieriger werde, allein mit der Geldpolitik für Preisstabilität in der Euro-Zone zu sorgen.“
„Jetzt ist die perfekte Zeit für eine fiskalische Expansion und nicht für eine weitere Schrumpfung. Europa kommt gerade aus einer schweren Rezession, die von unzureichender Nachfrage verursacht wurde. Die Rentenerträge sind auf einem historischen Tiefpunkt, und viele Länder haben ungenutzte Kapazitäten im Bausektor. Wer glaubt, die EZB könne die Lage mit noch niedrigeren als den ohnehin schon minimalen Zinsen retten, der irrt.“
„Genau in dem Moment, als die amerikanische Notenbank Fed ihre Geldpolitik strafft, entschied sich die EZB, ihre zu lockern. Das Zusammenwirken wertet logischerweise den Euro ab, zur Zufriedenheit Frankreichs. Doch Draghi kann die Wirtschaften Europas nicht allein ankurbeln. Jetzt liegt es an jedem Land selbst, sich zu reformieren.“
„Es ist keine starke Waffe, wie das Quantitative Easing, um die Stagnation zu bekämpfen. Doch das neue Programm, das Mario Draghi zum Ankauf von Bankpapieren angekündigt hat, könnte sich trotzdem als sehr effizientes Instrument erweisen.“a
Was, wenn der EuGH das OMT-Programm billigt. Ist die Schlacht dann geschlagen – oder hoffen Sie, dass das Bundesverfassungsgesetz erneut prüft, ob ein Verstoß gegen das Grundgesetzt vorliegt?
Das Verfahren vor dem EuGH ist mitnichten das Ende der Debatte. Das Bundesverfassungsgericht hat bei seiner Entscheidung im Februar bereits angedeutet, dass es Zweifel hat, ob Anleihekäufe durch die EZB nicht außerhalb des geldpolitischen Mandats stattfinden – und angekündigt, eventuell erneut einzugreifen. Die Karlsruher Richter könnten erkennen, dass das OMT-Urteil des EuGH in flagranti europäisches Recht verletzt und damit für Karlsruhe unverbindlich wird.
Sie haben bereits angekündigt, auch gegen die Bankenunion klagen zu wollen. Was treibt Sie eigentlich an?
Die Währungsunion hat sich in eine Transferunion verwandelt. Verträge werden von den Handelnden so interpretiert, wie es ihnen gerade passt. Die EZB weist darauf hin, dass ihr Kaufversprechen die Finanzmärkte beruhigt habe. Ohne ihre "Schuldenversicherung" wären Krisenländer und Banken vom Kapitalmarkt abgeschnitten worden, was die Euro-Rettung für Deutschland noch teurer gemacht hätte. Ich sehe das völlig anders: Das Kaufversprechen der EZB hat die Agonie der Euro-Zone verlängert.
Wer behauptet, die EZB habe Deutschland noch höhere Kosten für die Euro-Rettung erspart, ignoriert die Option, die Deutschland bleibt: Das Euro-Experiment an einem bestimmten Punkt geregelt und mit seinen Partnerländern zu beenden. Diese Option wird von allen Beteiligten unterschätzt. Die deutsche Bevölkerung steht der Euro-Rettung äußerst skeptisch gegenüber. Zurecht: Das Euro-Projekt ist eine Falle für Europa, der wir entkommen müssen. Dafür kämpfe ich.