Markus C. Kerber "Das Euro-Projekt ist eine Falle"

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"EZB und Kommission werden vor Gericht privilegiert behandelt"

Die Gegenseite sieht dieses Problem nicht. Sie sagt: Das OMT-Programm sei keine  Staatsfinanzierung, weil sich die Krisenländer ja nicht darauf verlassen könnten, dass die Zentralbank ihre Anleihen aufkauft und so stets für ausreichend Geld in der Staatskasse sorgt.

Das ist für mich nicht stichhaltig. Die EZB argumentiert, das Kaufprogramm sei durch die Fokussierung auf Anleihen der Krisenländer mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren auf rund 524 Milliarden Euro beschränkt. Doch das ist lediglich eine unverbindliche Angabe der EZB. Das Programm macht ja auch nur dann Sinn, wenn sich die EZB nicht selbst begrenzt. Sie will den Euro verteidigen und die Refinanzierungskosten für die Länder erträglich halten. Das gelingt nur, wenn die Notenbank bei entsprechend hohen Renditeforderungen der Investoren eingreift. Und zwar immer und immer wieder. Die Regierungen werden so nicht diszipliniert.

Die Rolle der EZB nach dem Maastricht-Vertrag

Sie fühlen sich schon vor der Anhörung am Dienstag benachteiligt: Jede der fünf Kläger-Parteien – also auch Sie – darf in der mündlichen Verhandlung zwölf Minuten sprechen, die EZB zwanzig. Was haben Sie dagegen, dass die Notenbank auf die Kritik von fünf Klägern ausführlich eingeht?

EZB und Kommission werden privilegiert behandelt. Die deutschen Verfassungsbeschwerdeführer wurden vom Gerichtshof aufgefordert, sich auf maximal 30 Seiten zu erklären. EZB  und Kommissionen schrieben doppelt so viele Seiten. Meine Verfahrensrüge wurde abgetan. Das gibt es in keinem Gericht der Welt. Zweiter Punkt: Die Kläger wurden aufgefordert, sich untereinander auszutauschen, um Wiederholungen zu vermeiden. Das setzt ein Zusammenwirken voraus, das es nicht geben kann. Die unterschiedlichen Redezeiten sind das Tüpfelchen auf dem "i". So sieht kein faires Verfahren aus.

Zahlen und Fakten zur Geldschwemme

Sollten Sie mit Ihren Argumenten kein Gehör finden, könnten Sie mit Ihrer Klage gleich doppelt zum Verlierer werden. Nicht nur, dass die Richter das OMT-Programm durchwinken könnten. Das Urteil könnte auch ein Freifahrtschein für künftige EZB-Entscheidungen bedeuten.

Die europäischen Institutionen – die EZB, aber auch die Europäische Kommissionen und das Europäische Parlament – wollen ein Urteil, das die Zentralbank zur weiteren Selbstermächtigung ermutigt. Auch perspektivisch. Das Parlament geht so weit, dass es, stark vereinfacht, sagt: Die EZB ist unabhängig und muss daher frei von Rechtsbindungen sein. Die EZB könnte demnach schalten und walten wie sie will. Ihre Allmacht hätte diktatorische Züge. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet ein Deutscher, Clemens Ladenburger, dieses Papier für die Kommission ausgearbeitet hat.

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