Ist die Chance dazu nicht schon vertan?
Nein, die Chance ist noch nicht vertan. Russland braucht unverändert eine Annäherung an Europa, um seine Wirtschaft zu modernisieren. Ich denke, dass für Deutschland die Türen im Kreml weiterhin sehr weit offen stehen. Man muss nur hineingehen, statt sich seine Außenpolitik diktieren zu lassen.
Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland
Die EU erschwert den Zugang zu den EU-Finanzmärkten für russische Banken. Gilt für alle Banken mit einem staatlichen Anteil von mindestens 50 Prozent. Sie können auf den EU-Kapitalmärkten keine neuen Wertpapiere oder Aktien von russischen Unternehmen mehr verkaufen.
In den USA fallen drei weitere Banken im russischen Staatsbesitz unter die Strafmaßnahmen, damit sind es nun fünf von sechs: Die Bank von Moskau, die Russische Landwirtschaftsbank und die VTB Bank kamen hinzu. Ihnen wird der Zugang zu mittel- und langfristiger Dollarfinanzierung für Russland erschwert. Sie dürfen aber weiter in den USA operieren.
Die EU verbietet künftige Rüstungslieferungen. Betroffen sind alle Güter, die auf einer entsprechenden Liste der EU stehen. Gilt nicht für bereits unterzeichnete Verträge, also auch nicht für die Lieferung von zwei französischen Hubschrauberträgern im Wert von 1,2 Milliarden Euro an Russland.
In den USA wurde die United Shipbuilding Corporation (größtes russisches Schiffsbau-Unternehmen) zu den bislang acht auf der Sanktionsliste stehenden Firmen im Verteidigungssektor ergänzt. Die Unternehmen dürfen nicht mehr das US-Finanzsystem nutzen oder mit amerikanischen Bürgern Geschäfte machen.
Die EU verbietet den Export von bestimmten Hochtechnologiegütern an das Militär. Gilt beispielsweise für Verschlüsselungssysteme sowie für Hochleistungscomputer.
Die EU untersagt die Ausfuhr für Spezialtechnik zur Ölförderung. Zielt auf Geräte, die für Ölbohrung und -förderung beispielsweise in der Arktis gebraucht werden.
Auch in den USA gelten für Unternehmen aus der Ölbranche eingeschränkte Importmöglichkeiten für Technik zur Erschließung von Ölquellen in tiefen Gewässern, vor der arktischen Küste oder in Schiefergestein. Die aktuelle Energieproduktion werde damit aber nicht beeinträchtigt.
Und was soll die Bundesregierung Ihrer Ansicht nach den Russen sagen?
Ich denke, wenn man Putin glaubhaft versichert, dass die Nato sich nicht bis in die Ukraine ausdehnen wird, wäre den Sicherheitsinteressen Russlands Genüge getan. Die Russen erinnern sich, dass man ihnen schon beim Zusammenbruch der Sowjetunion zugesagt hat, dass sich die NATO nicht weiter östlich als nach Deutschland erweitert, dieses Misstrauen muss man also erst einmal überwinden. Gerne erinnert man auch daran, dass die USA doch auch nicht wollte, dass die Sowjets Raketen bei ihren Verbündeten auf Kuba stationieren. Dann könnte Russland den nächsten Schritt im Verhältnis zur Ostukraine tun und die EU daraufhin die Sanktionen lockern. Zusätzlich muss sich die Regierung in Kiew dazu bekennen, die Ukraine zu dezentralisieren. Ich verstehe die russisch geprägten Industrieregionen im Osten, die genau wie andere Regionen einen großen Teil ihrer Steuereinnahmen an die Zentralregierung in Kiew überweisen und davon relativ wenig zurückbekommen. Auch benötigt die Ukraine einfach mehr Selbstbestimmung in den Regionen, zum Beispiel werden die Gouverneure der Oblast, also der Regionen, von der Zentralregierung bestimmt. Ohne hier ins Detail zugehen, würde dies auch positive wirtschaftliche Impulse in der Ukraine setzen.
Wie wichtig erachten Sie die Assoziierung der Ukraine mit der EU?
Für die ukrainischen Unternehmen sind der Hauptabsatzmarkt Russland und die Ex-Sowjetstaaten. Wenn die ukrainische Regierung riskiert, sich diesen Märkten zu verschließen, wäre das die totale Katastrophe für das Land. Ein Beispiel dafür ist der ukrainische Flugzeughersteller Antonow in der Nähe von Kiew, der unter anderem das größte Flugzeug der Welt entwickelt hat, die An-225. Einer der großen Abnehmer von Antonow-Transportflugzeugen ist das russische Militär. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Militärs in den USA oder in der EU Maschinen von Antonow kaufen. Antonow baut auch Passagierflugzeuge. Die gehen auch nach Russland oder zum Beispiel nach Armenien, aber nicht an die Lufthansa. Wenn durch ein Abkommen mit der EU ohne Zufriedenstellung von Russland der Markt in den Ex-Sowjetstaaten zerschossen wird, wäre das sicher unterm Strich sehr nachteilig für eine Vielzahl ukrainischer Unternehmen. Also eine erfolgreiche Assoziierung mit der EU kann für die Ukraine meiner Meinung nach nur unter Einbindung von Russland funktionieren.
Der Knackpunkt für ein Ende der Sanktionen dürfte die Krim sein, deren Anschluss an Russland Außenminister Walter Steinmeier vor der Uno noch einmal ausdrücklich als völkerrechtswidrig einstufte. Was halten Sie von solchen Reden an die Weltöffentlichkeit?
Ich glaube, das war eine Fensterrede. Meine Überzeugung ist, dass der Westen akzeptiert, dass die Krim wieder russisch geworden ist. Ich folgere daraus, dass man daran auch nicht noch etwas rütteln kann. Außerdem kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, dass der Großteil der Bevölkerung ethnische Russen sind, die lieber wieder ein Teil von Russland sind als ein Teil der Ukraine, die von einer Regierung vertreten wird, die in ihren Augen gegenüber Russland feindlich agiert und die es offensichtlich nicht als erste Priorität ansieht, die Beziehungen nach Moskau zu normalisieren.