Es soll eine Allianz des Vertrauens zwischen Berlin und Paris sein. So hat es zumindest Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kurz nach seiner Amtseinführung formuliert. Die Stimmung zwischen den beiden Regierungschefs ist gut. Und es spricht einiges dafür, dass Bundeskanzlerin Merkel mit Macron einen Partner an ihrer Seite hat, mit dem sie die großen Problemen in Europa wird lösen können. Das ist auch dringend nötig, denn gerade Frankreich steht vor größeren Herausforderungen.
Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit betrifft in Frankreich vor allem die Jugendlichen. Während unter Hollande die Zahl der Arbeitslosen das erste Mal seit der Finanzkrise unter zehn Prozent gesunken ist, liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen bei knapp 22 Prozent. Es ist eine der höchsten in ganz Europa. Vor allem in den Vororten von Paris, den Banlieues, herrscht große Frustration. Um die Arbeitslosenquote weiter zu senken und vor allem Jugendliche zu fördern, will Macron insgesamt 15 Milliarden Euro Steuergelder in die Ausbildungsförderung investieren.
„Merkel muss Macron und seine Reformagenda besonders in diesem Punkt unterstützen“, erklärt Stefan Brüne, Experte für deutsch-französische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Frankreich habe lange Zeit auf eine solche Agenda verzichtet und muss jetzt viele Reformen auf einmal auf den Weg bringen. Da ist jede Unterstützung willkommen. In Deutschland liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen laut Eurostat bei gerade einmal sieben Prozent.
Eine solche Kooperation mit Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit wünscht sich auch der Reformberater Peter Hartz. So sehen seine Pläne vor, künftig auf „Minipreneure“ zu setzen. Menschen ohne Beschäftigung also, die mit Hilfe staatlicher Förderung und der Unterstützung ehemaliger Arbeitsloser versuchen wieder auf dem Markt Anschluss zu finden. 40.000 Euro soll das pro Kopf kosten. Mit Macron hat er darüber bereits gesprochen.
Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron
Die Unternehmenssteuer soll von derzeit 33 auf 25 Prozent gesenkt werden. Die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) soll umgewandelt werden in eine dauerhafte Entlastung für Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen.
An der 35-Stunden-Woche soll festgehalten werden. Allerdings könnte sie flexibler geregelt werden, indem Betriebe über die tatsächliche Arbeitszeit mit ihren Beschäftigten verhandeln.
Sie sollen von bestimmten Sozialabgaben befreit werden. Dadurch könnten Niedriglohnempfänger einen zusätzlichen Monatslohn pro Jahr in ihren Taschen haben.
Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden. 15 Milliarden Euro davon sollen in bessere Aus- und Weiterbildung gesteckt werden, um die Einstellungschancen von Jobsuchenden zu verbessern. Ebenfalls 15 Milliarden Euro sind geplant, um erneuerbare Energien zu fördern. Weitere Milliarden sind für die Landwirtschaft, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, für Infrastruktur und Gesundheitswesen geplant.
60 Milliarden Euro an Einsparungen sind bei den Staatsausgaben vorgesehen, die in Frankreich traditionell hoch sind. Zehn Milliarden Euro soll der erwartete Rückgang der Arbeitslosenquote von derzeit etwa zehn auf sieben Prozent bringen, indem die Ausgaben für Arbeitslosengeld sinken. Durch eine verbesserte Effizienz soll das Gesundheitswesen zehn Milliarden einsparen, weitere 25 Milliarden Euro die Modernisierung des Staatsapparates.
In Gegenden mit niedrigem Einkommen soll die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse begrenzt werden. Lehrer sollen als Anreiz für eine Arbeit in solchen Regionen einen Bonus von 3000 Euro pro Jahr bekommen. Mobiltelefone in Schulen sollen für Kinder bis 15 Jahren verboten werden. Alle 18-Jährigen sollen einen Kulturpass im Wert von 500 Euro erhalten, den sie beispielsweise für Kino-, Theater- und Konzertbesuche ausgeben können.
Merkel ist sich des Problems bewusst, am Tag nach den französischen Wahlen betont sie: "Ich möchte helfen, dass in Frankreich auch vor allem die Arbeitslosigkeit sinkt.“
Haushaltsdefizit
Im Vertrag von Maastricht ist für die EU-Mitglieder ein Haushaltsdefizit von maximal drei Prozent festgelegt. Frankreich liegt seit der Finanzkrise 2008 Jahr für Jahr über diesen drei Prozent. Der französische Premierminister Edouard Philippe will es noch in diesem Jahr schaffen, Frankreich wieder unter die drei-Prozent-Grenze zu bringen. Sein Ziel ist es, bis 2018 ein Haushaltsdefizit von 2,7 Prozent zu erreichen. Dazu müssen wichtige innenpolitische Entscheidungen getroffen werden: Haushaltsminister Gérald Darmanin will innerhalb der Ministerien insgesamt 4,5 Milliarden Euro einsparen. Die Bürger sollen die Einsparungen nicht betreffen.
Auch für die von Merkel und Macron angepeilte „enge Zusammenarbeit“ von Frankreich und Deutschland spielt das Schuldendefizit eine Rolle. Vor allem Merkel ist es wichtig, eine starke EU im Rücken zu haben. Die gemeinsame Währung zu stabilisieren fällt schwer, wenn eine der wichtigsten Volkswirtschaften innerhalb der EU oberhalb der Grenze für die Haushaltsverschuldung liegt. Ob Frankreich es schafft, die Angekündigten Einsparungen vorzunehmen wird sich zeigen – laut Darmanin sei das „einfach eine Frage der Strenge“.
Zu hohe Steuern, zu hohe Preise
Vor allem für Unternehmen sind die hohen Steuerabgaben in Frankreich ein Problem. Das weiß auch Macron, sein Ziel ist es daher die Unternehmenssteuer bis 2022 von 33,3 auf 25 Prozent zu senken. In den nächsten fünf Jahren soll die Steuerlast um 20 Millionen Euro sinken. Experte Brüne weist außerdem auf die ungleiche Behandlung verschiedener Bevölkerungsgruppen hin: „In Frankreich gibt es so etwas wie einen Staat im Staat. Halbstaatliche Unternehmen, wie zum Beispiel Energiekonzerne, werden bevorzugt. An dieser Ungleichheit müssen Reformen ansetzen.“
Vier Gründe für das starke Abschneiden der Extremen
Für die EU-Feindin Le Pen ist die Sache klar. Neben der „massiven Einwanderung“ sind auch die „Technokraten“ aus Brüssel schuld an Frankreichs Problemen. Nur ein wenig freundlicher schaut Mélenchon auf Brüssel. Er stört sich an den Sparvorgaben und wollte deshalb die europäischen Verträge neu verhandeln. Und wie anderswo in Europa widerstehen auch Politiker etablierter Parteien nicht immer der Versuchung, unangenehme Entwicklungen der Einfachheit halber der EU anzulasten.
Die hohe Arbeitslosenquote von 10 Prozent ist eines der größten Probleme Frankreichs. Bei jungen Leuten liegt die Quote sogar bei 23,6 Prozent. Die Konjunktur schwächelt. Soziale Ungleichheit treibt vor allem Mélenchons Anhänger und die Unterstützer des abgeschlagenen Sozialisten Benoît Hamon um.
Sozialisten und Konservative, die sich bislang im Élyséepalast die Klinke in die Hand gaben, haben die Wähler abgestraft wie nie zuvor. Beide sind in der Stichwahl nicht dabei. Das dürfte auch als Rechnung für den als schwach geltenden, scheidenden Präsidenten François Hollande zu verstehen sein. Verachtung für den selbsterklärten konservativen Saubermann François Fillon, der dann aber teure Anzüge annahm und seine Frau scheinbeschäftigt haben soll, dürfte auch eine Rolle gespielt haben.
Le Pens scharfe Attacken auf „die Kaste“ fallen in Frankreich vielleicht auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil das System der Elitehochschulen lebenslange Seilschaften fördert. Zahlreiche Politik- und Wirtschaftsführer kommen etwa von der Verwaltungshochschule ENA - bis hin zu Staatschef Hollande.
Auch im Alltag machen sind die Folgen der hohen Steuern bemerkbar. Im Vergleich zu Deutschland sind die Lebenskosten in Frankreich deutlich höher. Vor allem Lebensmittel- und Mietpreise, sowie die Energiekosten sind überdurchschnittlich hoch. Will Frankreich tatsächlich den Atomanteil der Stromproduktion bis 2025 auf 50 Prozent senken, wird sich das gegebenenfalls auch auf die Energiekosten auswirken.
Langfristig ist auch Deutschland daran interessiert, dass Frankreich eine echte Alternative zum Atomstrom findet. Auf Dauer wird es zudem schwierig werden, im eigenen Land die Kraftwerke abzuschalten und stattdessen den Atomstrom aus anderen Ländern zu beziehen. Das Ziel, auch in Anbetracht einer gemeinsamen Linie in der Klimapolitik, ist ein Umschwung auf erneuerbare Energie, nicht nur in Deutschland. Um dieses Ziel zu erreichen muss ein ernsthafter Dialog zwischen den beiden Ländern, aber auch mit dem Rest der EU stattfinden.
Lösungen für gemeinsame Probleme finden
Afrikapolitik
„Es ist wichtig, dass sich Frankreich und Deutschland auch auf eine gemeinsame Linie in der Außenpolitik einigen. Vor allem um eine Lösung für den Afrikakonflikt zu finden“, erläutert Experte Brüne, „Afrikanische Gesellschaften sind anders strukturiert, als wir es kennen. Deshalb muss auch der Umgang ein anderer sein.“
Die Zusammenarbeit bei militärischen Einsätzen in den afrikanischen Ländern von Frankreich und Deutschland gestaltet sich indes schwierig. „In Mali zum Beispiel ist die Vorgehensweise der beiden Länder von unterschiedlichen Traditionen geprägt.
Hier muss erst ein Dialog zwischen Deutschland und Frankreich stattfinden, damit Absprachen mit afrikanischen Ländern getroffen werden können, die wirklich effektive Folgen haben“, betont Brüne.
Auf dem G20 Gipfel forderte zuletzt Angela Merkel eine neue Herangehensweise, um die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu fördern. Sie möchte etwa Arbeitsplätze schaffen und in Unternehmen investieren. So soll erreicht werden, dass vor allem junge Afrikaner in ihrem eigenen Land Chancen haben und nicht als Flüchtlinge nach Europa kommen müssen. Ein Mammut-Projekt, das nur funktionieren kann, wenn wenigstens zwischen Frankreich und Deutschland - den wichtigsten Ländern innerhalb der EU - ein Konsens gefunden wird.
Terror
Gemeinsam gegen den Terror – das ist schon lange das Motto innerhalb der EU. Aber: Zum Erfolg kommt es nur mit der richtigen Strategie. Und die muss sich ändern, sagt Experte Brüne: „Die klassische Militärpolitik ist eigentlich nicht auf die Terrorbekämpfung, wie wir sie jetzt benötigen ausgerichtet. Wir brauchen eine Doppelstrategie. Neben den Militäreinsätzen muss stärker gegen die Ursachen des Terrors angegangen werden.“
Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt
Von allen Staatsoberhäuptern der Europäischen Union hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Seine starke Stellung verdankt er der Verfassung der 1958 gegründeten Fünften Republik, ihr erster Präsident war General Charles de Gaulle.
Der Staatschef wird seit 1965 direkt vom Volk gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden. Seit 2002 beträgt seine Amtszeit noch fünf statt sieben Jahre.
Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt.
Der Staatschef ist gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich. Durch eine 2007 beschlossene Verfassungsänderung sind Staatschefs im Amt vor Strafverfolgung ausdrücklich geschützt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.
Frankreichs Staatschef ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das Sagen. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat.
Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und nimmt Ernennungen für die wichtigsten Staatsämter vor.
Seine Macht wird jedoch eingeschränkt, wenn der Regierungschef aus einem anderen politischen Lager kommt und der Präsident keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Dieser Fall der „Kohabitation“ war bei der Verabschiedung der Verfassung nicht vorgesehen. Er trat aber bereits drei Mal ein, zuletzt 1997 bis 2002, als der konservative Staatschef Jacques Chirac mit dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin auskommen musste.
Die haben häufig einen ökonomischen Ursprung: „Es handelt sich hier um eine Art ökonomischen Opportunismus, die Gruppe al-Shabaab in Somalia eignet sich gut als Beispiel." Deren Mitglieder haben sich nicht aus Überzeugung der Terrormiliz angeschlossen, sondern schlicht, weil sie ihnen mehr Geld geboten hat. "Die Politik muss vor allem Jugendliche in gefährdeten Ländern unterstützen und ihnen echte Alternativen bieten."
Die Probleme vor Ort, ob in Somalia oder anderswo, seien der Kern des Problems. Brüning fordert: „Frankreich und Deutschland müssen die Probleme vor Ort von innen heraus begreifen. Die kann man nicht mit Drohnen und Bomben lösen.“