Ministerrat in Paris Warum Frankreichs Probleme auch Deutschland etwas angehen

In Paris trifft der deutsch-französische Ministerrat zum ersten Mal nach der Amtseinführung von Emmanuel Macron zusammen. Es könnte der Beginn einer starken Zusammenarbeit sein - und die ist auch dringend nötig.

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Der Revolutionär aus der Investmentbank
Emmanuel Macron zögerte lange, ehe er seine Präsidentschaftskandidatur verkündete. Quelle: REUTERS
Der amtierende französische Präsident Emmanuel Macron war zuvor bereits Wirtschaftsminister und Investmentbanker bei Rothschild & Cie. Quelle: AP
Wie andere Kandidaten für das höchste Staatsamt kritisierte auch Emmanuel Macron im Wahlkampf lautstark die politischen Eliten Quelle: dpa
Der ehemalige sozialistische Staatspräsident François Hollande und Emmanuel Macron vor dem Elysee-Palast. Quelle: REUTERS
Im Kabinett galt Emmanuel Macron als einer der beliebtesten Politiker, trat im August 2016 allerdings als Minister zurück. Quelle: REUTERS
Seit 2007 ist Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte verheiratet. Quelle: REUTERS
Am 14. Mai 2017 wurde Emmanuel Macron ins Amt eingeführt. Quelle: REUTERS

Es soll eine Allianz des Vertrauens zwischen Berlin und Paris sein. So hat es zumindest Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kurz nach seiner Amtseinführung formuliert. Die Stimmung zwischen den beiden Regierungschefs ist gut. Und es spricht einiges dafür, dass Bundeskanzlerin Merkel mit Macron einen Partner an ihrer Seite hat, mit dem sie die großen Problemen in Europa wird lösen können. Das ist auch dringend nötig, denn gerade Frankreich steht vor größeren Herausforderungen.

Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit betrifft in Frankreich vor allem die Jugendlichen. Während unter Hollande die Zahl der Arbeitslosen das erste Mal seit der Finanzkrise unter zehn Prozent gesunken ist, liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen bei knapp 22 Prozent. Es ist eine der höchsten in ganz Europa. Vor allem in den Vororten von Paris, den Banlieues, herrscht große Frustration. Um die Arbeitslosenquote weiter zu senken und vor allem Jugendliche zu fördern, will Macron insgesamt 15 Milliarden Euro Steuergelder in die Ausbildungsförderung investieren.
„Merkel muss Macron und seine Reformagenda besonders in diesem Punkt unterstützen“, erklärt Stefan Brüne, Experte für deutsch-französische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Frankreich habe lange Zeit auf eine solche Agenda verzichtet und muss jetzt viele Reformen auf einmal auf den Weg bringen. Da ist jede Unterstützung willkommen. In Deutschland liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen laut Eurostat bei gerade einmal sieben Prozent.

Eine solche Kooperation mit Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit wünscht sich auch der Reformberater Peter Hartz. So sehen seine Pläne vor, künftig auf „Minipreneure“ zu setzen. Menschen ohne Beschäftigung also, die mit Hilfe staatlicher Förderung und der Unterstützung ehemaliger Arbeitsloser versuchen wieder auf dem Markt Anschluss zu finden. 40.000 Euro soll das pro Kopf kosten. Mit Macron hat er darüber bereits gesprochen.

Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron

Merkel ist sich des Problems bewusst, am Tag nach den französischen Wahlen betont sie: "Ich möchte helfen, dass in Frankreich auch vor allem die Arbeitslosigkeit sinkt.“

Haushaltsdefizit

Im Vertrag von Maastricht ist für die EU-Mitglieder ein Haushaltsdefizit von maximal drei Prozent festgelegt. Frankreich liegt seit der Finanzkrise 2008 Jahr für Jahr über diesen drei Prozent. Der französische Premierminister Edouard Philippe will es noch in diesem Jahr schaffen, Frankreich wieder unter die drei-Prozent-Grenze zu bringen. Sein Ziel ist es, bis 2018 ein Haushaltsdefizit von 2,7 Prozent zu erreichen. Dazu müssen wichtige innenpolitische Entscheidungen getroffen werden: Haushaltsminister Gérald Darmanin will innerhalb der Ministerien insgesamt 4,5 Milliarden Euro einsparen. Die Bürger sollen die Einsparungen nicht betreffen.

Auch für die von Merkel und Macron angepeilte „enge Zusammenarbeit“ von Frankreich und Deutschland spielt das Schuldendefizit eine Rolle. Vor allem Merkel ist es wichtig, eine starke EU im Rücken zu haben. Die gemeinsame Währung zu stabilisieren fällt schwer, wenn eine der wichtigsten Volkswirtschaften innerhalb der EU oberhalb der Grenze für die Haushaltsverschuldung liegt. Ob Frankreich es schafft, die Angekündigten Einsparungen vorzunehmen wird sich zeigen – laut Darmanin sei das „einfach eine Frage der Strenge“.

Zu hohe Steuern, zu hohe Preise

Vor allem für Unternehmen sind die hohen Steuerabgaben in Frankreich ein Problem. Das weiß auch Macron, sein Ziel ist es daher die Unternehmenssteuer bis 2022 von 33,3 auf 25 Prozent zu senken. In den nächsten fünf Jahren soll die Steuerlast um 20 Millionen Euro sinken. Experte Brüne weist außerdem auf die ungleiche Behandlung verschiedener Bevölkerungsgruppen hin: „In Frankreich gibt es so etwas wie einen Staat im Staat. Halbstaatliche Unternehmen, wie zum Beispiel Energiekonzerne, werden bevorzugt. An dieser Ungleichheit müssen Reformen ansetzen.“

Vier Gründe für das starke Abschneiden der Extremen

Auch im Alltag machen sind die Folgen der hohen Steuern bemerkbar. Im Vergleich zu Deutschland sind die Lebenskosten in Frankreich deutlich höher. Vor allem Lebensmittel- und Mietpreise, sowie die Energiekosten sind überdurchschnittlich hoch. Will Frankreich tatsächlich den Atomanteil der Stromproduktion bis 2025 auf 50 Prozent senken, wird sich das gegebenenfalls auch auf die Energiekosten auswirken.

Langfristig ist auch Deutschland daran interessiert, dass Frankreich eine echte Alternative zum Atomstrom findet. Auf Dauer wird es zudem schwierig werden, im eigenen Land die Kraftwerke abzuschalten und stattdessen den Atomstrom aus anderen Ländern zu beziehen. Das Ziel, auch in Anbetracht einer gemeinsamen Linie in der Klimapolitik, ist ein Umschwung auf erneuerbare Energie, nicht nur in Deutschland. Um dieses Ziel zu erreichen muss ein ernsthafter Dialog zwischen den beiden Ländern, aber auch mit dem Rest der EU stattfinden.

Lösungen für gemeinsame Probleme finden

Afrikapolitik

„Es ist wichtig, dass sich Frankreich und Deutschland auch auf eine gemeinsame Linie in der Außenpolitik einigen. Vor allem um eine Lösung für den Afrikakonflikt zu finden“, erläutert Experte Brüne, „Afrikanische Gesellschaften sind anders strukturiert, als wir es kennen. Deshalb muss auch der Umgang ein anderer sein.“

Die Zusammenarbeit bei militärischen Einsätzen in den afrikanischen Ländern von Frankreich und Deutschland gestaltet sich indes schwierig. „In Mali zum Beispiel ist die Vorgehensweise der beiden Länder von unterschiedlichen Traditionen geprägt.

Hier muss erst ein Dialog zwischen Deutschland und Frankreich stattfinden, damit Absprachen mit afrikanischen Ländern getroffen werden können, die wirklich effektive Folgen haben“, betont Brüne.

Auf dem G20 Gipfel forderte zuletzt Angela Merkel eine neue Herangehensweise, um die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu fördern. Sie möchte etwa Arbeitsplätze schaffen und in Unternehmen investieren. So soll erreicht werden, dass vor allem junge Afrikaner in ihrem eigenen Land Chancen haben und nicht als Flüchtlinge nach Europa kommen müssen. Ein Mammut-Projekt, das nur funktionieren kann, wenn wenigstens zwischen Frankreich und Deutschland - den wichtigsten Ländern innerhalb der EU - ein Konsens gefunden wird.

Terror

Gemeinsam gegen den Terror – das ist schon lange das Motto innerhalb der EU. Aber: Zum Erfolg kommt es nur mit der richtigen Strategie. Und die muss sich ändern, sagt Experte Brüne: „Die klassische Militärpolitik ist eigentlich nicht auf die Terrorbekämpfung, wie wir sie jetzt benötigen ausgerichtet. Wir brauchen eine Doppelstrategie. Neben den Militäreinsätzen muss stärker gegen die Ursachen des Terrors angegangen werden.“

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Die haben häufig einen ökonomischen Ursprung: „Es handelt sich hier um eine Art ökonomischen Opportunismus, die Gruppe al-Shabaab in Somalia eignet sich gut als Beispiel." Deren Mitglieder haben sich nicht aus Überzeugung der Terrormiliz angeschlossen, sondern schlicht, weil sie ihnen mehr Geld geboten hat. "Die Politik muss vor allem Jugendliche in gefährdeten Ländern unterstützen und ihnen echte Alternativen bieten."

Die Probleme vor Ort, ob in Somalia oder anderswo, seien der Kern des Problems. Brüning fordert: „Frankreich und Deutschland müssen die Probleme vor Ort von innen heraus begreifen. Die kann man nicht mit Drohnen und Bomben lösen.“

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