Mykola Asarow "Russland erdrückt uns"

Der ukrainische Premierminister Mykola Asarow erläutert, wie sein Land von der Europäischen Union profitieren und den Streit mit Moskau beilegen will.

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Der ukrainische Premierminister Mykola Asarow (links) im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: imago / itar-tass

WirtschaftsWoche: Herr Premierminister, die Ukraine steht vor der Unterzeichnung eines Assoziierungsvertrags mit der EU. Wann soll Ihr Land die Vollmitgliedschaft bekommen?

Asarow: So weit in die Zukunft schauen wir nicht. Für uns ist erst einmal wichtig, dass die vielen Handelshürden zwischen uns und der EU beseitigt werden – Quoten, Zölle, technische Regulative.

Manche Unternehmen in der Ukraine arbeiten noch mit Maschinen aus Sowjetzeiten. Ist Ihr Land reif für den Wettbewerb mit EU-Unternehmen?

Der Weg wird steinig. Ich schätze, dass unsere Unternehmen zig Milliarden Euro investieren müssen, um die EU-Normen zu erfüllen. Danach erst wird sich zeigen, ob sie wettbewerbsfähig sind. Gerade in der Autoindustrie haben einige Geschäftsleute Angst vor Mercedes, was ich verstehen kann. Andererseits wird mehr Wettbewerb zu höherer Qualität bei ukrainischen Produkten führen.

Putins beste Sprüche
Putins beste Sprüche„Ich weiß nicht, womit sie heizen wollen. Atom wollen sie nicht, Gas wollen sie nicht. Wollen sie wieder mit Holz heizen?“ Putin über die Energiedebatte in Deutschland, November 2010
„Wir werden unser Volk nicht vergiften.“  Zum Importverbot für EU-Gemüse wegen Ehec, 11.6.2011
„Wo man nicht zusammen kommen kann, bekommt man den Knüppel auf die Rübe“   Zum Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, 6.9.2010.
„Wer das getan hat, wird den Preis dafür bezahlen und im Suff oder Drogenkonsum enden“ Über den Verrat russischer Spione in den USA, 2.8.2010.
„Ich habe vielleicht in der Universität nicht das allermeiste gelernt, weil ich in der Freizeit viel Bier getrunken habe. Aber einiges habe ich doch behalten, weil wir sehr gute Dozenten hatten.“ Über sein Studium, Mai 2005.
„Die Russen kommen hier nicht mit Kalaschnikow und mit Panzern her, sondern Russland bringt das Geld mit.“ Zu Investitionen russischer Unternehmen in Deutschland, Oktober 2006.
„Niemand will, dass die G8 zu einer Ansammlung fetter Kater wird.“ Über die Rolle Russlands in der Gruppe der führenden Industrienationen, Januar 2006.

Bitte nennen Sie ein Beispiel.

In unserer Pharmaindustrie haben wir den internationalen Qualitätsstandard GMP eingeführt, was die Unternehmen zur Modernisierung ihrer Produktion gezwungen hat. Heute stellt die Ukraine bessere Medikamente her als eine Reihe renommierter europäischer Hersteller – einfach, weil wir die Anlagen erst kürzlich erneuert haben und nicht schon vor zehn Jahren, wie die Europäer.

Sie preisen Freihandel und bauen neue Hürden auf: Seit Kurzem erhebt die Ukraine Abwrackprämien für ausländische Autos. Ist das kein Widerspruch?

Wir wollen nicht die heimische Industrie mit Handelshürden schützen, sondern das Defizit in der Zahlungsbilanz senken. Dazu müssen wir die Importe zumindest vorübergehend reduzieren.

Die Ukraine steckt in der Dauerkrise. Die Wirtschaft stagniert, die Reserven schwinden. Wie wollen Sie Ihr Land wieder in Schwung bringen?

Wir leiden unter den Nachwehen der globalen Finanzkrise, auf die die damalige Regierung nicht adäquat reagiert hat. Außerdem erdrückt uns Russland mit unbegründet hohen Gaspreisen. Ich würde aber nicht sagen, dass die Wirtschaft stagniert. Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um ein Prozent wachsen, wir haben das Gröbste überstanden.

Obwohl Sie für Gas aus Russland weiterhin Rekordpreise zahlen?

Gasimporte aus Russland haben wir deutlich reduzieren können, was zu einem Rückgang des bilateralen Handelsvolumens um etwa 20 Prozent im ersten Halbjahr geführt hat. Derzeit zahlen wir 530 Dollar für einen Kubikmeter Russen-Gas – so hohe Preise haben Sie in Europa noch nie gesehen! Wir kaufen Gas in Deutschland um 100 Dollar günstiger, als wenn wir es von Russland direkt beziehen würden. So verliert die Industrie ihre Rentabilität.

"Ich höre viel Lob für die politische Stabilität"

Der Kreml will die Ukraine mit der Handelspolitik in seine eigene Zollunion zwingen. Ist das eine Alternative zu EU?

Ein Beitritt zur russischen Zollunion war für uns immer eine von zwei Varianten, aber wir haben uns für das EU-Abkommen entschieden. Das zwingt uns zur Modernisierung der Industriestruktur und bringt neue Investoren ins Land. Allerdings bleibt es für uns äußerst wichtig, einen Weg der Zusammenarbeit mit der russischen Zollunion zu finden.

Wenn Sie den EU-Assoziierungsvertrag unterzeichnen, ist ein Beitritt zur russischen Zollunion ausgeschlossen.

Nein, das eine schließt das andere nicht aus! Wir wollen uns mit der EU assoziieren und ebenfalls gute Handelsbeziehungen mit Russland erhalten. Entscheidend ist, dass wir unsere Handelsregime in Einklang bringen und alle davon profitieren. Das setzt Bereitschaft von Russland und der EU-Kommission voraus, eine gemeinsame Lösung zu finden. An der Ukraine würde eine Freihandelszone von Irland bis Sibirien nicht scheitern.

Einige EU-Parlamente wollen den Assoziierungsvertrag nicht ratifizieren, solange Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko in Haft sitzt. Rechnen Sie mit einer Freilassung Ihrer Vorgängerin?

Stellen Sie sich vor, Sie würden Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Frage stellen. Was würde die wohl antworten? Sie würde sagen, dass sie das nicht beurteilen könne, weil darüber die Gerichte entscheiden. Genau das sage ich auch.

In Europa gibt es nur wenige Länder, deren Politiker nach Wahlniederlagen hinter Gitter kommen. Fürchten Sie, dass das die Glaubwürdigkeit Ihres Landes gegenüber Investoren beeinflusst?

Wir sind nicht daran interessiert, dass die Beziehungen mit Investoren Schaden nehmen. Die Europäer sollten sich davon überzeugen lassen, dass unser Gericht im Fall Timoschenko die rechtswidrige Unterzeichnung der Gasverträge mit Russland ahndet, die der Ukraine erheblichen Schaden zugefügt haben.

Sie fordern also von der EU den Stempel der Rechtsstaatlichkeit für das Verfahren gegen Timoschenko. Und im Gegenzug wird sie ins Exil entlassen?

Wenn wir es gleichzeitig schaffen, den Fall Timoschenko auf die Ebene der humanitären Beziehungen zu übertragen, könnten wir sagen, dass wir einer Lösung des Problems sehr nahe sind.

Zielt eine Begnadigung auf ein besseres Investitionsklima?

Von ausländischen Geschäftsleuten höre ich viel Lob für die politische Stabilität in unserem Land. Die Zeiten sind vorbei, da sich Präsident und Premierminister bekriegt haben und das Parlament blockiert war.

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