Nach der Wahl in Frankreich Macron muss um Unterstützung bangen

Die Wahl von Emmanuel Macron zum neuen französischen Präsidenten erscheint vor allem im Ausland als Formalie. Doch zu Hause muss er kämpfen. Entscheidend könnte sein, wie die Anhänger von Mélenchon wählen.

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Frankreich-Wahl: Macron oder Le Pen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Debatte der konservativen Republikaner dauerte drei Stunden. Am Ende stand ein Kompromiss: „Im Angesicht der Front National (FN) kann eine Enthaltung keine Option sein. Wir rufen dazu auf, gegen Marine Le Pen zu stimmen, um sie in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl zu schlagen.“

Das gibt jenen, die nicht über ihren politischen Schatten springen wollen, die Möglichkeit, einen blanken Wahlzettel beziehungsweise einen leeren Wahlumschlag abzugeben. Seit 2014 wird diese „vote blanc“ bei Wahlen in Frankreich separat ausgezählt, aber nicht in die Summe der abgegebenen Stimmen einberechnet. Eine klare Wahlempfehlung für Emmanuel Macron klingt aber auch anders. 

Diese sibyllinische Formulierung verrät viel über die Herausforderungen, vor denen Macron als künftiger Präsident stehen könnte, sollte er sich in der Stichwahl am 7. Mai gegen Marine Le Pen durchsetzen. Im Ausland tut man vielfach so, als sei das nur noch eine reine Formsache. Als wäre Frankreich mit seiner Wahl auf dem besten Weg zu Reformen und ein treuer Partner in der EU. Aber zu Hause wollen es ihm viele schwer machen – nicht zuletzt Jean-Luc Mélenchon. Denn es wird nicht unerheblich sein, wie sich die Anhänger des EU-kritischen Linkskandidaten von der Partei „aufsässiges Frankreich“ in der Stichwahl entscheiden. Im ersten Wahlgang holte er immerhin knapp 20 Prozent der Stimmen.

"Die Mitte ist stärker, als die Populisten glauben"
Nach Ansicht von Kanzleramtschef Peter Altmaier hat das französische Wahlergebnis gezeigt, dass "die Mitte stärker ist als die Populisten glauben". Er twittert: "Das Ergebnis für @EmmanuelMacron zeigt: Frankreich UND Europa können gemeinsam gewinnen!" Quelle: dpa
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht hat das gute Abschneiden des sozialliberalen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron in Frankreich bedauert. Wäre der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon in die Stichwahl gekommen, hätte die französische Bevölkerung eine echte Alternative, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Der ehemalige Investmentbanker Macron dagegen steht für die Fortsetzung und Verschärfung genau jener Politik des Sozialabbaus und forcierter Privatisierungen, die den reaktionären Front National Le Pens erst stark gemacht hat und absehbar weiter stärken wird“, sagte Wagenknecht. Macron zieht Hochrechnungen zufolge mit der Rechtspopulistin Marine Le Pen am 7. Mai in die Stichwahl um das Präsidentenamt. Er gilt als Favorit. Wagenknecht gratulierte Mélenchon „zu seinem grandiosen Ergebnis“. Quelle: dpa
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht den Erfolg des linksliberalen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron im ersten Wahlgang in Frankreich auch als Auftrag für die Parteien in Deutschland. „Nach den Niederländern haben nun auch die Franzosen den Europafeinden mehrheitlich eine Absage erteilt: Europa wählt europäisch“, sagte Oppermann der Deutschen Presse-Agentur. Er sei sehr zuversichtlich, dass sich Macron auch in der Stichwahl in zwei Wochen durchsetzen werde. „Nun gilt es in Deutschland dafür zu kämpfen, dass die immer weiter nach rechts driftende AfD nicht in den Bundestag einzieht.“ Quelle: dpa
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat den Wahlerfolg des französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron begrüßt. „Zu sehen, wie die Flaggen Frankreichs und der EU das Ergebnis von Emmanuel Macron begrüßen - das ist die Hoffnung und die Zukunft unserer Generation“, schrieb die Politikerin am Sonntagabend bei Twitter. Quelle: AP
AfD-Chefin Frauke Petry hat der Vorsitzenden der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, zum Einzug in die Stichwahl in Frankreich gratuliert. Die Abstimmung habe gezeigt, dass Frankreich ebenso wie Deutschland „den Mehltau aus Stagnation und übertriebener politischer Korrektheit eine deutliche Ablehnung erteilt und sich Alternativen wünscht“, meinte die nach dem Kölner AfD-Parteitag vom Wochenende angeschlagene Bundes- und sächsische Landesvorsitzende am Montag in Dresden. Viele Bürger hätten für Le Pen gestimmt, weil sie einen Umbau wollten. „Ich freue mich mit ihr zusammen über dieses klare Signal an die Spitzen der EU und auch an bundesdeutsche Politiker, dass ihre Politik des Ausgrenzens und Stigmatisierens der Wähler inzwischen als das gesehen wird, was es in Wahrheit ist: eine übermoralisierende Impertinenz“, sagte Petry. Quelle: dpa
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat sich nach den ersten Hochrechnungen zur Präsidentenwahl in Frankreich optimistisch gezeigt. „Ein Signal für Europa, ein Signal der Erneuerung“, twitterte der Politiker am Sonntagabend nach ersten Hochrechnungen. „Emmanuel Macron macht auch Deutschland Mut.“ Quelle: dpa
„Ich bin sicher, er wird der neue französische Präsident“, sagte Außenminister Sigmar Gabriel am Sonntag in der jordanischen Hauptstadt Amman. „Er war der einzige pro-europäische Kandidat, der sich nicht versteckt hat hinter Vorurteilen gegenüber Europa.“ Macron sei ein „toller Präsidentschaftskandidat“, aber auch „ein ungeheuer sympathischer Mensch und ein guter Freund“. Quelle: dpa

„Mélenchon hat Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl viele Stimmen von Arbeitern abspenstig gemacht. Die könnten jetzt zurückkommen,“ warnt Dominique Reynié, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Fondpol. Vor fünf Jahren hatten lediglich zehn Prozent Arbeiter für den Präsidentschaftsbewerber Mélenchon gestimmt. Am vergangenen Sonntag waren es 25 Prozent. Nicht zuletzt deshalb hatte es der wenige Wochen zuvor noch ziemlich chancenlos geglaubte Links-Kandidat auf den vierten Platz geschafft. 

Einer Umfrage von Harris Interactive zufolge wünschen sich 52 Prozent derjenigen, die in der ersten Runde für Mélenchon gestimmt haben, dass Macron das Rennen macht. Viele wollen beim zweiten Wahlgang allerdings gar nicht abstimmen. Sie riefen bei Protesten dazu auf, weder für Macron noch für Le Pen zu stimmen.

Bislang weigerte sich Mélenchon – neben dem rechten EU-Gegner Nicolas Dupont-Aignan und zwei kleineren Bewerbern - eine klare Wahlempfehlung auszugeben. „Ein schweres Versäumnis,“ urteilt Reynié. Der Pariser Politologe Gaël Brustier findet dagegen, es sei „unerhört“, Mélenchon seine Weigerung vorzuwerfen. Schließlich habe er Le Pen als einziger öffentlich als Faschistin beschimpft und auch dazu beigetragen, ihr im Wahlkampf Wind aus den Segeln zu nehmen.

Vier Gründe für das starke Abschneiden der Extremen

Der 65-Jährige und seine Anhänger sind sozial- und auch europapolitisch viel näher bei Marine Le Pen als bei Macron. Bei Mélenchon fand eine politische Heimat, wer Le Pens ausländerfeindlichen Diskurs nicht mochte, wohl aber ihr Wirtschaftsprogramm.

Die 48-jährige will Mindestlöhne und Staatsausgaben kräftig anheben, mehr Stellen im öffentlichen Dienst schaffen, das Renteneintrittsalter wieder auf 60 Jahre senken, die im vergangenen Sommer verabschiedete Arbeitsmarktreform rückgängig machen und Banken verstaatlichen. Zudem soll Frankreich künftig wieder Herr über seine Grenzen sowie die Finanz-, Währungs- und Geldpolitik sein. Und wenn die verhasste Bundesregierung nicht von ihrer bei jeder Gelegenheit kritisierten Dominanz in der EU ablässt, sollen die Franzosen per Referendum über einen Ausstieg aus der Staatengemeinschaft entscheiden.

Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron

Wofür aber steht Emmanuel Macron? Sozialliberal und EU-freundlich sind die beiden häufig gebrauchten Attribute für den ehemaligen Wirtschaftsminister des noch amtierenden Staatschefs François Hollande. Für ihn ist klar, dass „Frankreich erst seine Hausaufgaben machen muss, damit Deutschland uns wieder als vertrauenswürdiger Partner auf Augenhöhe betrachtet,“ sagt er. Deshalb stellt er die EU-Defizitziele nicht in Frage und will Reformen fortsetzen, die er bereits als Minister angestoßen hatte. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts zum Beispiel. Die 35-Stunden-Woche soll zwar auf dem Papier erhalten bleiben, könnte aber im Einvernehmen zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern aufgeweicht werden. Schließlich werden die von vielen Arbeitgebern als zu starr empfundenen gesetzlichen Vorgaben häufig als Grund angegeben, keine neuen Arbeitsplätze zu schaffen.

Bei der Arbeitslosenversicherung lockt Macron mit Zuckerbrot und Peitsche. Einerseits sollen künftig auch diejenigen ein Recht auf Arbeitslosengeld haben, die aus eigenen Stücken kündigen oder selbstständig waren. Damit will er die Angst vor Jobwechsel und Firmengründungen nehmen. Im Gegenzug sollen die Erwerbslosen nur noch ein einziges Jobangebot ablehnen dürfen, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Auch bessere Berufsausbildungs- und Weiterbildungsangebote sollen die Quote der Arbeitslosen von derzeit zehn Prozent auf sieben Prozent senken. Die Rentenversicherung will Macron ebenfalls komplett umbauen. Er verspricht den Franzosen ein 50 Milliarden teures Investitionsprogramm, kündigt aber gleichzeitig an, binnen fünf Jahren 60 Milliarden im öffentlichen Haushalt einzusparen.

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