Nach Mays Wahlschlappe Wie es mit dem Brexit weitergeht

Ökonomen und Politiker sorgen sich nach dem schlechten Abschneiden der Konservativen um den Zeitplan für den Brexit. Die wichtigsten Antworten, was Theresa Mays Wahlschlappe für die Brexit-Verhandlungen bedeutet.

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"Schallende Ohrfeige" für Theresa May
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Die Briten wollen raus aus der EU – wie wirkt sich das Patt bei den Wahlen auf den Brexit aus?

Eigentlich sollten die offiziellen Scheidungsgespräche am 19. Juni, also in zehn Tagen, beginnen. Doch der Starttermin ist nun in Gefahr, denn es könnte sein, dass Großbritannien bis dahin noch keine Regierung, keinen Unterhändler und keine Strategie für die EU-Verhandlungen hat.

Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Termin platzt?

Langwierige Koalitionsverhandlungen oder ein Sturz der angeschlagenen Premierministerin Theresa May könnten den Zeitplan durcheinanderbringen. Am schlimmsten wäre es, sollten Neuwahlen fällig werden. May will aber derzeit trotz des schlechten Wahlergebnisses nicht zurücktreten. Sie ist fest entschlossen, eine Minderheitsregierung zu bilden. May hofft dabei auf die Tolerierung durch die protestantische irische Splitterpartei DUP. Noch am Freitagnachmittag sprach May bei Königin Elisabeth II. vor. Die Queen erteilte ihr den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung. Also könnte der Termin vielleicht doch noch eingehalten werden.

Pressestimmen zur Wahl in Großbritannien

Und wenn nicht?

EU-Chefunterhändler Michel Barnier gibt sich konziliant: Die Gespräche sollten beginnen, wenn das Vereinigte Königreich bereit dafür sei, erklärte er und forderte alle Seiten auf, an einer Einigung zu arbeiten. Der Zeitplan und die Positionen der EU seien klar. Die Verhandlungspositionen der Briten sind dagegen noch recht schwammig.

Die EZB bleibt generös, den Briten ist Europa offensichtlich doch nicht so unsympathisch und Aktien sind derzeit einfach eine attraktive Anlage. Die Chance auf ein neues Hoch im Dax ist da.
von Anton Riedl

Wer ist Barniers Counterpart auf britischer Seite?

Noch ist das nicht klar. Bleibt May Regierungschefin, könnte sie erneut ihren bisherigen Brexit-Minister David Davis beauftragen. Er hatte für den Austritt aus der EU gekämpft und gilt eigentlich als Verfechter eines harten Brexit, obwohl er in jüngster Zeit in der Einwanderungspolitik Kompromissbereitschaft signalisierte.

Könnte die Frist für den Brexit verlängert werden?

Wieso ist es überhaupt wichtig, wann die Verhandlungen beginnen?

May hatte Ende März offiziell den Austritt aus der EU beantragt, der Countdown hat damit begonnen, Großbritannien wird am 29. März 2019 aus der Staatengemeinschaft austreten. Für die hochkomplexen Verhandlungen bleibt damit nur sehr wenig Zeit. Sie sollen am 19. Juni beginnen und im Herbst 2018 abgeschlossen sein, denn danach müssen die EU-Staaten, die nationalen Parlamente und das EU-Parlament das ausgehandelte Abkommen noch billigen. Schon jetzt ist klar, dass es äußerst schwierig werden dürfte, in diesem knapp bemessenen Zeitraum Resultate zu erzielen.

Ist eine Fristverlängerung möglich?

Eine Verlängerung der Verhandlungen ist laut EU-Verträgen nur mit Zustimmung aller 28 Mitgliedsländer möglich. Das könnte also heikel werden, denn im Frühsommer 2019 finden die nächsten Wahlen zum Europaparlament statt. Bis dahin sollte Großbritannien eigentlich schon ausgetreten sein. Stellt sich auch nur ein Mitglied der übrigen 27 Partnerländer quer, könnte die Verlängerung scheitern. Das aber vergrößert das Risiko eines Abschieds ohne Übergangsfristen und ohne Aussicht auf ein neues Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU. Für britische und deutsche Unternehmen wäre das ein großes Problem.

Was ist das "hung parliament"?

Ist die Wahrscheinlichkeit eines „weichen“ Brexit als Konsequenz der Wahlen gestiegen?

Viele Experten und Kommentatoren glauben das, aber mit Sicherheit lässt sich das nicht behaupten. Da May nun so geschwächt ist und im Parlament nicht mehr über eine Mehrheit verfügt, werde sie auf die europafreundlicheren Parteien zugehen müssen, lautet das Argument. Während May nämlich aus dem Binnenmarkt und aus der Zollunion austeigen will und sich in Punkto Freizügigkeit kompromisslos gibt, macht sich Labour-Chef Jeremy Corbyn für den Verbleib im EU-Binnenmarkt stark. Er will zwar keine unkontrollierte Einwanderung aus der EU, hat aber bisher auch keine Zahlen genannt, die er als Obergrenze für den Zuzug von EU-Ausländern sehen möchte. Auch die Grünen und die Liberaldemokraten sind Befürworter eines weichen Brexit. Das allerdings gilt nicht für die protestantische Nordirland-Partei DUP auf deren Unterstützung May nun setzt. Und angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse könnte sie persönlich künftig auch stärker als bisher unter Druck der euroskeptischen Hinterbänkler in ihrer eigenen Partei geraten.

Wie groß sind denn nun die Chancen für einen Exit vom Brexit?

Diese Frage zeugt von Wunschdenken, das in Kontinentaleuropa immer noch weit verbreitet ist. Denn nicht nur die Tories sondern auch die Labour-Partei hat sich verpflichtet, das Ergebnis des Referendums im letzten Juni umzusetzen. Hinzu kommen klare Mehrheiten bei den Abstimmungen im Unter- und im Oberhaus, als es Anfang 2017 um die Aktivierung des Artikels 50 – also des sogenannten Austrittsparagrafen – ging. Eine Kehrtwende wäre zwar rein rechtlich möglich, politisch aber kaum durchsetzbar, denn damit würde sich die britische Regierung über den Willen des Volkes hinwegsetzen, das vergangenen Juni mit 52 Prozent für den Austritt gestimmt hatte.

Allerdings schließt das (siehe oben) nicht aus, dass man einen weichen Brexit propagiert, der den heutigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU sehr ähnlich sein könnte.



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