Nach Würzburg-Attentat Wir wissen (fast) nichts – und das ist die Gefahr

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Wie reagieren wir auf ein Phänomen, das wir nicht verstehen?

Mansour hat ähnliches selbst erlebt. Als junger Palästinenser hatte er sich in Israel zeitweilig radikalisiert, später schwor er dem Islamismus aber ab. Mittlerweile erforscht erforscht er die Thematik aus wissenschaftlicher Perspektive. Er glaubt, dass manche Flüchtlinge, besonders Jüngere, keinen Zugang zur deutschen Gesellschaft finden. Er kenne viele, „die in Deutschland physisch angekommen sind, aber mental und emotional sind sie immer noch in ihren Heimatländern“.

Hinzu kommt ein problematisches Werteverständnis im Islam, wie Mansour gegenüber n-tv erklärt. Die muslimische Community müsse „eine innerislamische Debatte führen, um Jugendlichen ein Islamverständnis anzubieten, das keine Basis schafft, auf der Islamisten ihre radikalen Ideologien aufbauen können. Sie müssen zu einem demokratischen, humanistischen Islam finden, der ohne Wenn und Aber hinter den Menschenrechten steht.“ Das vorherrschende Islamverständnis sei konservativ und trage Werte in sich, die den Radikalen in die Hände spielten.

Zwei Opfer des Zug-Attentats von Würzburg schweben in Lebensgefahr

Innenminister de Maizière, für den der Fall „im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror“ liegt, ist der Meinung, der Täter sei von dem Islamischen Staat „angestachelt“ worden. In einem Video hatte sich der Jugendliche zum IS bekannt. Laut Innenminister enthalte das Video keine Hinweise, dass der IS das Attentat beauftragt oder mitgeplant habe.

Vielmehr dürfte sich der Jugendliche selbst zu dem Angriff entschieden haben. Sollten die Ermittlungen diesen Befund bestätigen, steht Deutschland vor einem Dilemma. Über 52.000 minderjährige Flüchtlinge, die ohne Begleitung gekommen sind, leben derzeit hier. Sie alle zu potentiellen Attentätern zu erklären, wäre zynisch und genau jene Überreaktion, die der IS erreichen möchte. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass im Zuge der Flüchtlingskrise eben Menschen zu uns gekommen sind, die sich offenbar in kürzester Zeit radikalisieren können und dann zur Gefahr werden.

Wir wissen, dass es diese Gefahr gibt. Wie wir ihr entgegentreten können, wissen wir nicht.

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