Neue Regierung Papademos soll Griechen retten

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Ein finanzpolitischer Falke

Lucas Papademos Quelle: dapd

2002 wechselte Papademos zur EZB nach Frankfurt, wo er als Vize-Präsident im Direktorium für den Bereich Finanzstabilität verantwortlich war und den zwei Mal jährlich erscheinenden Finanzstabilitätsbericht der EZB verantwortete. Geldpolitisch gilt Papademos als gemäßigter Pragmatiker mit einer Tendenz zum Lager der Tauben. Diese plädieren dafür, im Zweifelsfall die Zinszügel lieber etwas lockerer zu lassen.

In finanzpolitischen Fragen tritt Papademos dagegen eher als Falke auf. Als EZB-Vize verteidigte er immerzu den Stabilitäts- und Wachstumspakt als Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion. In einem Gespräch mit der WirtschaftsWoche kurz nach der Lehman-Pleite warnte er davor, das Heil in kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen zu suchen. „Jeglicher staatliche Stimulus darf weder das Vertrauen in die langfristige Solidität der öffentlichen Haushalte noch die Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gefährden“, sagte Papademos damals. Und: „Ein Verlust an Vertrauen in die Finanzpolitik ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können“.

Die Opfer der Eurokrise
Brian Cowen - IrlandErstes Krisen-Opfer war Irlands Ministerpräsident Brian Cowen. Ihn bezichtigen viele Iren offen der Lüge: Wenige Tage vor dem Eingeständnis, Geld aus dem europäischen Rettungstopf zu brauchen, hatten Cowen und sein Finanzminister Brian Lenihan im Frühjahr 2010 noch behauptet, Irland sei bis Mitte 2011 durchfinanziert. Kurz darauf gestanden die beiden ein Haushalts-Loch von 19 Milliarden Euro bei den laufenden Kosten ein. Quelle: Reuters
Vor seinem Abschied von der Regierungsspitze schaffte es Cohen noch, ein hartes Sparprogramm durchzupauken. Im Februar schließlich jagten die Iren seine erfolgsverwöhnte Fianna-Fail-Partei dann mit einer Erdrutschniederlage aus dem Amt. Seinem Nachfolger Enda Kenny hinterließ Cowen ein geschundenes Land. Der hält sich an Cowens striktes Sparprogramm - und kann inzwischen sogar Früchte ernten. Quelle: Reuters
José Luis Rodríguez Zapatero - SpanienDas wohl prominenteste Krisen-Opfer unter den Spitzenpolitikern ist bislang der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero: Im April verkündete er, nicht mehr zur Wiederwahl antreten zu wollen. Wiedergewählt würde er wohl ohnehin nicht mehr: Bei den vorgezogenen Wahlen am 20. November droht den regierenden Sozialisten ein Debakel, die Konservativen können auf eine absolute Mehrheit hoffen. Zapateros Popularität war im Zuge der spanischen Wirtschaftskrise und der drastischen Sparmaßnahmen in den Keller gerasselt. Quelle: dapd
José Sócrates - PortugalKrisen-Opfer Nummer Drei ist Zapateros Nachbar, der portugiesische Regierungschef José Sócrates. Auch für ihn war die schwere Wirtschaftskrise zu viel. Als Sócrates' Minderheitsregierung keine Mehrheit mehr für das vierte Sparpaket innerhalb von elf Monaten finden konnte, warf der unbeliebte Sozialist das Handtuch. Bei der Neuwahl im Juni jagten ihn die Portugiesen dann mit einer krachenden Wahlniederlage aus dem Amt. Quelle: Reuters
Vielleicht taten die Wähler Sócrates damit sogar einen Gefallen: Inzwischen steht auch die neue liberal-konservative Regierung unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho mächtig unter Druck. Geschichte wiederholt sich: Kritiker werfen ihm vor, den Bogen bei den Sanierungsmaßnahmen zu überspannen. Quelle: dapd
Iveta Radicova - SlowakeiIn der Slowakei war es die Debatte über den Euro-Rettungsschirm EFSF, die für einen innenpolitischen Scherbenhaufen sorgte. Die christlich-liberale Ministerpräsidentin Iveta Radicova verknüpfte eine erste Parlamentsabstimmung über die Rettungsschirm-Ausweitung mit der Vertrauensfrage - und verlor. Der neoliberale Koalitionspartner SaS verweigerte ihr die Gefolgschaft. Damit war Radicovas Regierung am Ende. Der nächsten Regierung dürfte Radicova nicht mehr angehören: Vor wenigen Tagen kündigte sie ihren Austritt aus der Regierungspartei SDKU an. Quelle: dapd
Giorgos Papandreou - GriechenlandMit Giorgos Papandreou wackelt bereits Kandidat Nummer fünf. Der Druck auf den griechischen Ministerpräsidenten wird täglich größer. Zuletzt brachte ihn sein Vorhaben, das Volk über das neue Hilfspaket für das Land abstimmen zu lassen, noch weiter in die Defensive. Dem Parlament signalisierte Papandreou bereits, dass er nicht an seinem Premierminister-Posten hänge und der Bildung einer Übergangsregierung in Griechenland zustimme. Quelle: dapd

Ob der Professor für Ökonomie seine finanzpolitischen Erkenntnisse als Chef einer Übergangsregierung in die Praxis umsetzen kann, muss sich zeigen. Zwar gilt Papademos als debattenstarkes Arbeitstier, das mit wenig Schlaf auskommt. Das dürfte ihm angesichts der in Politikerkreisen üblichen nächtlichen Krisensitzungen nützlich sein. Fraglich ist allerdings, ob der im persönlichen Umgang als „angenehm und respektvoll“ geltende Papademos die nötige Hemdsärmeligkeit, Lautstärke und Chuzpe besitzt, die erforderlich ist, um sich im Haifischbecken der Politik durchzusetzen und Entscheidendes zu bewegen.
Papademos dürften sicherlich seine Kontakte in die EZB, die er erst 2010 verließ, hilfreich sein. Er könnte darauf hinwirken, dass die EZB noch mehr Staatsanleihen der Krisenländer kauft, um deren Zinskosten nach unten zu drücken. Seine Beliebtheit unter den Regierungschefs der Krisenländer würde Papademos damit zwar steigern. Doch der Stabilität der gemeinsamen Währung, an der auch die Griechen festhalten wollen, täte er damit keinen Gefallen.

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