Neuwahl in Spanien Nationale Skandale werden vom Brexit überlagert

Der EU-Austritt Großbritanniens überschattet den Wahlkampf in Spanien und trifft die Bürger in einem Moment, in dem sie ohnehin schon genervt von ihren Politikern sind. Es könnte sich eine linke Koalition durchsetzen.

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Podemos-Chef Pablo Iglesias (M) in einem Park in Madrid. In den vergangenen Wochen hat die Partei in zahlreichen Parks ein paar Stühle hingestellt – und dort intensive Debatten zur Wahl geführt. Quelle: REUTERS

Überall in Madrid haben sich in den vergangenen Wochen kleine Grüppchen in Parks und auf öffentlichen Plätzen versammelt, um eine neue Zukunft für Spanien zu entwerfen. Zehn, 15 Klappstühle stehen dann im Halbkreis um einen Redner, der meist ohne Mikrofon gegen Vogelgezwitscher und Kindergeschrei anredet. Willkommen bei Unidos Podemos, der linkspopulistischen, die eine realistische Chance besitzt, die kommende spanische Regierung zu stellen.

Podemos ist erst vor zwei Jahren in Form einer Graswurzel-Bewegung entstanden, hervorgegangen aus den Protesten der Empörten, die unter Wirtschaftskrise und Sparplänen gelitten haben und sich von den zwei Traditionsparteien nicht mehr repräsentiert fühlten. Im April hat sich Podemos mit dem Altkommunisten von Izquierda Unida zu Unidos Podemos (Gemeinsam schaffen wir es) zusammen getan und könnte laut Umfragen, die vor dem Brexit entstanden sind, bei der Neuwahl am Sonntag zweitstärkste Partei im Parlament werden. Podemos setzt unter anderem auf mehr Basisdemokratie – Mitglieder und Interessierte treffen sich nicht nur vor Wahlen, sondern jede Woche in kleinen Gruppen, den círculos, überall im Land.

Die Neuwahlen am Sonntag werden nötig, weil sich die spanischen Parteien nach der ursprünglichen Wahl im Dezember nicht auf eine Regierungsmehrheit einigen konnten. Sie taten sich schwer mit den neuen Machtverhältnissen, weil die Spanier erstmals zwei Protestparteien in das Parlament gewählt hatten, in dem bis dahin stets entweder Sozialisten oder Konservative regiert haben.

Die große Frage ist jetzt, inwieweit der Brexit das Wahlverhalten beeinflussen wird – vor allem das der rund ein Drittel Unentschlossenen. Experten gehen davon aus, dass die Wahlbeteiligung steigt und eher die beiden Traditionsparteien, die konservative PP und die Sozialisten der PSOE, vom Brexit profitieren werden. Sie versprechen Solidität und haben anders als Podemos und die zweite neue Partei, die liberale Ciudadanos, Regierungserfahrung.

„Es ist jetzt noch wichtiger als vorher, dass wir die Konservativen wählen“, sagt etwa Catalina Querol, die sich vor der strahlenden Madrider Sonne in den Schatten eines Cafés geflüchtet hat. „Ich interessiere mich eigentlich nicht sehr für Politik“, sagt die 44-Jährige. „Aber die Politik bestimmt die Wirtschaft und dafür ist die PP die beste Partei.“

Ganz anders sieht das Andrés Gonzáles. „Ich wähle jetzt erst recht Podemos“, erklärt der 47-Jährige. Die Konservativen seien schließlich die Partei, die für die Immobilienblase und die Wirtschaftskrise in Spanien verantwortlich seien. „Podemos ist die einzige Partei, die ihrer Regierung ein Ende setzen kann.“ Der Brexit zeige gerade, wie unzufrieden die Leute mit der Politik der rechten Regierungen sind.

Tatsächlich könnte es sein, dass Spanien künftig von einer linken Koalition aus Unidos Podemos und Sozialisten geführt wird. Die Linkspopulisten von Podemos fordern zwar nicht den Austritt aus der EU. Parteichef Pablo Iglesias hat aber nach der Brexit-Entscheidung erklärt: „Ein gerechtes und solidarisches Europa will niemand verlassen. Wir müssen Europa ändern.“ Er will die Austerität beenden, ein neues Defizitziel mit der EU verhandeln und die Staatsausgaben deutlich steigern.

Einfach aber wird die Regierungsbildung nicht: Stimmen die Umfragen, wird es das Wahlergebnis abermals nicht für einfache rechte oder linke Mehrheiten reichen. Die Konservativen würden abermals die Wahl gewinnen, bräuchten aber voraussichtlich die Unterstützung der Sozialisten für eine Mehrheit – genau wie im Dezember.

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