Da schürt es die Wut, wenn ein Autokonzern wie PSA 17.000 Stellen streicht, um sich gesund zu schrumpfen - und dessen Chef zwei Jahre später sein Gehalt inklusive Erfolgszuwendungen auf mehr als 5 Millionen Euro verdoppelt. Die Veröffentlichung der Panama Papers - auch sie sind Thema auf der Place de la République - unterstreicht nur die Überzeugung, dass ein paar Reiche auf Kosten der Mehrheit leben. Und nun sollen auch noch als fundamental geltende Rechte der Arbeitnehmer beschnitten werden, um – so der Eindruck – erneut den Bossen die großen Brocken zuzuwerfen.
Waren es bisher Gewerkschaften, die Widerstand organisiert auf die Straße trugen, oder die rechtsnationale Partei Front National, die bei den vergangenen Regional- und Kommunalwahlen absahnte, wollen sich die „Aufrechten“ keinerlei System unterordnen. Die meisten verordnen sich politisch zwar links der Mitte, aber Wortführer gibt es ausdrücklich nicht. Hier darf sich jeder als Sprecher einer Gesellschaft fühlen, die sich von ihrem politischen Führungspersonal verlassen glaubt.
76 Prozent der Franzosen sind aktuellen Umfragen zu Folge dagegen, dass Staatspräsident François Hollande sich 2017 erneut zur Wahl stellt. Da erscheint es geradezu bezeichnend für den tiefen Bruch zwischen Gesellschaft und Politik, dass Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis am gestrigen Mittwoch „La Belle Alliance Populaire“ ausgerufen hat. Diese „Schöne Volksallianz“ – die Wortschöpfung allein ist rührend realitätsfern – soll alle politischen Kräfte links der Mitte zu einer Wahlkampfmaschine für den amtierenden Präsidenten zusammenschweißen. Heute Abend will sich Hollande in der Sendung „Dialog mit den Bürgern“ des staatlichen Fernsehsenders France 2 erklären. Doch zwei von sechs ausgewählten Bürgern, die unangenehme Fragen hätten stellen können, wurden von dem Sender wieder ausgeladen: Eine Gewerkschafterin und ein Landwirt.
So benehmen Sie sich in Frankreich richtig
Der frühere Staatspräsident Jacques Chirac begrüßte zwar Kanzlerin Angela Merkel mit Handkuss. Doch ist der längst aus der Mode. Wer eine Dame besser kennt, begrüßt sie mit je einem angedeuteten Kuss links und rechts auf die Wangen. Aber bitte nie beim
Erstkontakt!
Wer mit der Tür ins Haus fällt, gilt als unhöflich. Wer nur Stärken präsentiert, fällt eher unangenehm auf. Geben Sie ruhig mal Fehler zu. Das gilt hier als Tugend. Wichtiger ist, diplomatisch zu bleiben und das Gesicht des anderen zu wahren. Offener Streit wird immer vermieden.
Bei manchen Einladungen wird die Kleiderordnung angegeben. „Tenue de soirée“ bedeutet Abendgarderobe, also dunkler Anzug und Krawatte beziehungsweise Abendkleid. Bei „Tenue de ville“ wird ein legerer Anzug beziehungsweise Kostüm erwartet. Die Krawatte
kann dabei wegbleiben.
Sollten nie abgelehnt werden. Fauxpas! Bei Zeitmangel kann man aber auf ein Bistro ausweichen. Nach wie vor wird in Frankreich vieles beim Essen verhandelt.
Selbst bei offiziellen Anlässen ist eine Krawatte nicht zwingend. Besucher bei Staatspräsident Nicolas Sarkozy erschienen auch schon mal mit offenem Hemdkragen. Ein Anzug oder eine Kombination sind allerdings ein Muss.
Bei privaten Einladungen ist es üblich, der Dame des Hauses einen Blumenstrauß oder Pralinés mitzubringen. Die Blumen sollten nicht ausgepackt werden, weil die oft kunstvolle Verpackung Teil des Präsents ist.
Gegenüber Damen ist man(n) in Frankreich stets Kavalier, hält ihr die Tür auf und hilft in den Mantel. Im Restaurant werden Frauen grundsätzlich zuerst bedient. Erst wenn allen Damen serviert ist, sind die Herren dran. Und erst wenn alle etwas haben, wird mit
dem Essen begonnen.
Ein Dessert nach dem Essen ist kein Muss, dafür wird meist Kaffee getrunken. Es kann auch ein Deca (ohne Koffein) oder eine Tisane (Kräutertee) sein. Übrigens: Erst danach wechselt das Gespräch zum Geschäftlichen. Nie vorher!
Lautes Zuprosten und Anstoßen gilt als unfein. Üblich ist allein, das Glas zu erheben und ein Anstoßen anzudeuten.
Getrennte Rechnungen kennt man in Frankreich nicht. Einer zahlt stets für alle am Tisch. Als Trinkgeld werden ein paar Münzen liegen gelassen – aber ohne Kommentar à la „Stimmt so“. Die Franzosen geben weniger Trinkgeld als die Deutschen. Zehn Prozent sind
schon das Maximum.
Nie selbst einen Tisch ansteuern! Richtig: Warten bis der Ober einen anspricht und zum Tisch führt. Sein Vorschlag darf allerdings abgelehnt und ein anderer Tisch gewünscht werden.
Ist zwecklos. Bei Franzosen ist in Meetings alles offen – und möglich. Manche Entscheidung fällt gar während der Kaffeepause.
Zu Geschäftsessen ist Wein üblich, sollte aber in Maßen getrunken werden. Ein Glas reicht. Nach dem Hauptgang wird der Wein wieder abgeräumt.
Ist in Frankreich ein dehnbarer Begriff, Veranstaltungen beginnen selten pünktlich.
Es ist genau dieses ohnmächtige Gefühl, nicht gehört zu werden, das die Menschen allabendlich nun zusammenführt, in Paris und in kleineren Grüppchen auch in anderen französischen Städten. „Es ist der Versuch, wieder zu einer Politisierung zu kommen, aber nicht mit den bestehenden Formen der Politik,“ sagt Claire Demesmay, Frankreich-Expertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. „Es geht um Partizipation, die Sehnsucht nach Zusammenhalt, nach einem verloren gegangenen Wir-Gefühl.“ Vielleicht wird man nichts erreichen, aber zumindest trifft man für ein paar Stunden auf Gleichgesinnte und hat dazu noch ein wenig Spaß.
Auch von den Konservativen erhoffen sich viele Franzosen nichts mehr. 65 Prozent der Befragten geben in einer Blitzstudie an, Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy hätte es nicht besser gemacht, wäre er 2012 wiedergewählt worden. Abgesehen davon, dass in der Ära Sarkozy ebenfalls Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung anschwollen, wollen außer ihm inzwischen gut ein Dutzend weitere Mitglieder der Republikaner bei Vorwahlen um das Mandat kämpfen, für ihre Partei bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Ein einheitliches Konzept sieht anders aus.