Ölpreis-Rutsch Norwegische Wirtschaftspolitik gerät ins Wanken

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"Norwegens Wirtschaftsstruktur ist völlig anders ist als in jedem anderen Land Europas"

Wie lange wird das Öl noch reichen?

Das weiß keiner. Die Technologie verbessert sich stetig und wir finden immer neue Vorkommen. Das Meeresgebiet Norwegens ist etwa 2,2 Millionen Quadratkilometer groß – von Russland im Osten bis Island im Westen und Dänemark im Süden. Die Geologen vermuten, dass rund die Hälfte dieses Gebietes Erdölpotential hat. Bislang haben wir gerade mal an vier bis fünf Prozent dieses riesigen Gebiets gebohrt.

Was den Ölpreis bestimmt

Die US-Energiebehörde EIA kalkuliert mit gut sechs Milliarden Barrel Ölreserven, die Norwegen noch fördern kann. Demnach würde das Öl noch neun Jahre reichen.

Das sind sehr konservative Schätzungen, die eine ganz begrenzte Grundlage haben. Die amerikanischen Behörden veröffentlichen solche Zahlen regelmäßig seit dem Ersten Weltkrieg. Bislang haben sie sich immer geirrt. Daher rate ich zu größtmöglicher Vorsicht.

Zwei Mal wollte Norwegen der EU bereits beitreten. Die Wähler haben das 1972 und 1994 in Volksabstimmungen verhindert. Denken die Norweger vor dem Hintergrund der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen nun wieder an einen EU-Beitritt, womöglich sogar an eine Einführung des Euro?

Wir haben eine Wirtschaftsstruktur, die völlig anders ist als in jedem anderen Land Europas. Geht die Konjunktur in Deutschland hoch, geht sie bei uns zurück. Und läuft es bei uns besser, geht es bei euch meist ein wenig schlechter. Ähnlich ist es beim niedrigen Ölpreis. Für Deutschland ist er gut, für uns eher weniger. Daher ist es in der jetzigen Situation gut, dass wir eine eigene Währung haben, die wir abwerten können, um in anderen Bereichen konkurrenzfähiger zu werden. Aber wir sind durch den Europäischen Wirtschaftsraum ohnehin eng an die EU gebunden und von der europäischen Wirtschaft stark abhängig.

Zum Abschluss: Wie wird sich Norwegen in den nächsten fünf bis zehn Jahren wirtschaftlich verändern?

Die Ölwirtschaft bleibt wichtig für uns, aber wir werden weniger von Rohstoffen abhängig sein. Norwegen wird vielleicht allmählich ein normales europäisches Industrieland mit einem größeren Dienstleistungssektor. Wir werden ein bisschen mehr wie Schweden oder Deutschland sein – also mehr verarbeitende Industrie haben. Und wenn es soweit ist, werden wir auch ein größeres Interesse daran haben, in Brüssel mitzureden. Lassen Sie uns also in fünf bis zehn Jahren nochmal über die EU-Frage sprechen, besonders wenn der Ölpreis niedrig bleibt.

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