Wie lange wird das Öl noch reichen?
Das weiß keiner. Die Technologie verbessert sich stetig und wir finden immer neue Vorkommen. Das Meeresgebiet Norwegens ist etwa 2,2 Millionen Quadratkilometer groß – von Russland im Osten bis Island im Westen und Dänemark im Süden. Die Geologen vermuten, dass rund die Hälfte dieses Gebietes Erdölpotential hat. Bislang haben wir gerade mal an vier bis fünf Prozent dieses riesigen Gebiets gebohrt.
Was den Ölpreis bestimmt
Der Ölbedarf hängt stark von der Konjunktur ab. Mit zunehmenden Wirtschaftswachstum steigt auch der Ölverbrauch. So ist der Bedarf nach Öl in den boomenden Schwellenländern China, Indien und Russland in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und hat diese Länder zu den größten Ölverbrauchern der Welt gemacht. Hinzu kommen saisonale Einflüsse, etwa vor dem Winter mit steigendem Heizölbedarf oder der so genannten „Driving Season“ in den USA, weil dann der Benzinverbrauch sprunghaft steigt.
Der Ölpreis hat kaum Auswirkungen auf die Nachfrage, da der Ölverbrauch bei steigendem Ölpreis nicht einfach so eingeschränkt werden kann – man spricht von einer preisunelastischen Nachfrage.
Der Verbund der Erdöl fördernden Länder spricht sich regelmäßig bezüglich der Fördermenge ab, was natürlich Auswirkungen auf den Ölpreis hat. Sollten sich vor allem die arabischen Länder auf ein Senkung der Fördermenge einigen, verknappt dies das Angebot und treibt den Preis für Rohöl.
Erdöl ist grundsätzlich ein knappes Gut, aber es herrscht auch viel Unsicherheit darüber, wie lange die Vorkommen reichen. Hinzu kommt, dass mit steigendem Ölpreis auch der Abbau nur zu höheren Produktionskosten abbaubarer Ölvorkommen eher lohnt, z.B. die Ölgewinnung aus Ölschiefer, Ölsand oder durch Tiefsee-Bohrungen. Außerdem neigen die großen Raffinerien ebenso wie Staaten dazu, ihre Lagerhaltung auszuweiten, wenn der Ölpreis starken Schwankungen unterliegt. Stocken diese Marktteilnehmer ihre Lagerbestände massiv auf, sorgt die erhöhte Nachfrage kurzfristig für neue Preishochs.
An den Börsen wird Öl in Form von Terminkontrakten gehandelt. Die Marktteilnehmer kaufen also Öl, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zum vereinbarten Preis geliefert wird. Vom Spotpreis wird gesprochen, wenn es sich um kurzfristige Terminkontrakte handelt, bei denen das Öl innerhalb von zwei Wochen geliefert wird. Längerfristige Terminkontrakte können auch für Spekulanten attraktiv sein.
Der US-Dollar ist die Standardwährung im Rohstoffmarkt. Eine Änderung des Dollar-Kurse hat somit Einfluss auf die Ertragslage des Erdölexporteurs. Auf Staatenebene spielt dabei eine Rolle, wie viele Güter in der Handelsbilanz stehen, die in Dollar bezahlt werden. Die erdölexportierenden Länder haben daher Interesse daran, bei einem fallenden Dollarkurs die Exportpreise für Erdöl etwa durch Angebotsverknappung anzuheben.
Die US-Energiebehörde EIA kalkuliert mit gut sechs Milliarden Barrel Ölreserven, die Norwegen noch fördern kann. Demnach würde das Öl noch neun Jahre reichen.
Das sind sehr konservative Schätzungen, die eine ganz begrenzte Grundlage haben. Die amerikanischen Behörden veröffentlichen solche Zahlen regelmäßig seit dem Ersten Weltkrieg. Bislang haben sie sich immer geirrt. Daher rate ich zu größtmöglicher Vorsicht.
Zwei Mal wollte Norwegen der EU bereits beitreten. Die Wähler haben das 1972 und 1994 in Volksabstimmungen verhindert. Denken die Norweger vor dem Hintergrund der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen nun wieder an einen EU-Beitritt, womöglich sogar an eine Einführung des Euro?
Wir haben eine Wirtschaftsstruktur, die völlig anders ist als in jedem anderen Land Europas. Geht die Konjunktur in Deutschland hoch, geht sie bei uns zurück. Und läuft es bei uns besser, geht es bei euch meist ein wenig schlechter. Ähnlich ist es beim niedrigen Ölpreis. Für Deutschland ist er gut, für uns eher weniger. Daher ist es in der jetzigen Situation gut, dass wir eine eigene Währung haben, die wir abwerten können, um in anderen Bereichen konkurrenzfähiger zu werden. Aber wir sind durch den Europäischen Wirtschaftsraum ohnehin eng an die EU gebunden und von der europäischen Wirtschaft stark abhängig.
Zum Abschluss: Wie wird sich Norwegen in den nächsten fünf bis zehn Jahren wirtschaftlich verändern?
Die Ölwirtschaft bleibt wichtig für uns, aber wir werden weniger von Rohstoffen abhängig sein. Norwegen wird vielleicht allmählich ein normales europäisches Industrieland mit einem größeren Dienstleistungssektor. Wir werden ein bisschen mehr wie Schweden oder Deutschland sein – also mehr verarbeitende Industrie haben. Und wenn es soweit ist, werden wir auch ein größeres Interesse daran haben, in Brüssel mitzureden. Lassen Sie uns also in fünf bis zehn Jahren nochmal über die EU-Frage sprechen, besonders wenn der Ölpreis niedrig bleibt.