Osteuropa Polen verliert an Wachstum, gewinnt aber an Macht

Seite 3/5

Entwicklung in Deutschland

Bislang machen Unternehmen wie Boryszew gute Geschäfte. Zwar meidet Surowska das abgewetzte Wort einer „verlängerten Werkbank“. Seine Gruppe aber stellt insbesondere beschäftigungsintensive Komponenten in der Heimat her, hat aber die Entwicklung in Deutschland und Italien angesiedelt. „Dem Preisdruck der großen Autohersteller können Zulieferer nur standhalten, wenn sie die Lohnkosten im Griff haben“, sagt der Finanzvorstand.

So geht es dem polnischen Außenhandel

Angesichts dieser Aufgabenteilung ist es keine Überraschung, was Surowka von der Euro-Einführung hält. „Ich hoffe, dass die Regierung hierbei aus wirtschaftspolitischen Gründen geduldig bleibt“, sagt er. In puncto Produktivität und Qualität müssten die Polen erst zum EU-Standard aufschließen, denn: „Wenn wir erst einmal auf dem Rasen sind, werden wir uns nicht einfach eine Auszeit nehmen.“ Gleichwohl gibt es in der liberal-konservativen Bürgerplattform und vor allem in Brüssel Stimmen, die die Polen gern im Euro-Raum sähen. Nicht nur, dass der Beitritt eines großen Landes wie Polen ein Gewinn für die Stabilität der Gemeinschaftswährung wäre – das Land selbst würde Anreize erhalten, die Wirtschaft auf globale Wettbewerbsfähigkeit zu trimmen. Abgesehen von Boryszew und einigen anderen Exporteuren wie Bushersteller Solaris oder Zugproduzent Pesa, sind die meisten Unternehmen davon noch weit entfernt.

Polen kann Forschung

Vor allem aber würde der Euro-Beitritt auch die Lohnkosten-Vorteile beschneiden. Und nicht nur das. Die Boryszew Group hatte in der Finanzkrise dank des starken polnischen Zloty genug Geld in der Kasse, um Mittelständler in Schieflage aufzukaufen – etwa einen Hersteller von Armaturenbrettern aus der Nähe von Stendal oder einen Formenbauer aus der Gegend um Bautzen. In Italien übernahm die Gruppe den Fiat-Stammzulieferer Maflow, der in Polen ein Zweitwerk betrieb. Boryszew schloss das Werk in Italien und machte den Standort Polen zum Hauptwerk – nur die Forschung blieb mit 150 Mitarbeitern im Süden.

Anteil der High-Tech-Produkte an exportierten Industriegütern (in Prozent)

Es ist nicht so, dass die Polen Forschung nicht können. Vom Gegenteil kann sich jeder in einer Stadt überzeugen, die man des „Brain Drains“ verdächtigen würde: Rzeszow, ein schmuckes Städtchen im entlegenen Südosten nahe der Grenze zur Ukraine, ist in jüngster Zeit zur Boomtown der Luft- und Raumfahrtindustrie geworden. Im „Aviation Valley“, wie sie ein über die Stadt verteiltes Gewerbegebiet promoten, siedeln sich ausländische Investoren an. Darunter ist auch Münchens Triebwerksbauer MTU oder neuerdings der südenglische Mittelständler McBraida, wo die junge polnische Kauffrau Malgorzata Poczatek die Chefin ist. „In der Krise ist Polens Wirtschaft nicht eingebrochen“, sagt sie, das sei ein Argument gewesen für die Wahl des Standorts, der das Werk in Bristol ergänzt. Wichtiger noch sei das geballte Wissen der Luft- und Raumfahrttechniker, die die Universitäten hier ausbilden – und zwar besser als sonstwo in Polen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%