Pascal Lamy "Sollte Trump gewinnen, ist TTIP unsere geringste Sorge"

Der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation, Pascal Lamy, erklärt, warum EU und USA bei den Verhandlungen um TTIP mit offenen Karten spielen sollten und welche Bedingungen erfüllt werden müssen.

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Pascal Lamy Quelle: REUTERS

Herr Lamy, noch nie hat es in Europa so viele Proteste gegen ein Freihandelsabkommen gegeben wie gegen den Handels-Deal mit den USA. Warum ist das transatlantische Projekt TTIP so unbeliebt?

Pascal Lamy: Von Beginn an haben die Verantwortlichen so getan, als ginge es dabei um ein gewöhnliches Handelsabkommen. Aber zum ersten Mal in der Geschichte wird über die Annäherung von Standards verhandelt – das ist etwas völlig anderes. Die Europäer wissen das nur zu gut, sie haben den Binnenmarkt von 1992 erfunden.

Wieso sind die Verhandlungen nun so anders?

Früher ging es darum, Zölle zu senken. Die Richtung war klar, und Tauschgeschäfte waren möglich. Heute geht es darum Standards anzugleichen. Ich kann aber nicht die Normen für Feuerzeuge als Verhandlungsmasse anbieten und dafür Normen bei Autostoßstangen bekommen. Das funktioniert nicht.

Kritik der Umweltschützer an TTIP

Wie sollen Europa und die USA dann jemals die gleichen Standards bekommen?

Das wird nur funktionieren, wenn beide das jeweils höhere Niveau übernehmen. Die Anpassung muss nach oben stattfinden. Das hat die EU-Kommission, die für die 28 EU-Mitgliedsländer die Verhandlungen führt, nun klargestellt – sehr spät..

Wäre der Deal dann für die Wirtschaft noch interessant?

Absolut! Die Belastungen durch höhere Standards würden mehr als wettgemacht durch die Gewinne, die in einem größeren Markt entstehen würden. Die Unternehmen würden von Skalenökonomien profitieren.

Viele Verbraucher fürchten, es werde hinter ihrem Rücken verhandelt. Lässt sich dieser Eindruck überhaupt noch ausräumen?

Was Deutsche und Amerikaner über TTIP denken

Die Geheimniskrämerei am Anfang war ein Problem. Diskussionen über Standards können nur funktionieren, wenn man mit offenen Karten spielt. Die unterschiedlichen kollektiven Präferenzen müssen weiterhin bestehen können. In manchen Bereichen werden wir sehen, dass wir nicht dieselben Präferenzen wie die Amerikaner haben, etwa bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Aber bei der Markteinführung von Medikamenten wäre eine Einigung möglich.

Unterhändler bei Freihandelsabkommen sind an Geheimhaltung gewohnt. Können sie sich umstellen?

Es fällt ihnen schwer. Die tun sich überhaupt schwer mit der neuen Realität, weil man sie vielleicht bald nicht mehr braucht. Es sind ja die Regulierer, die zusammenarbeiten müssen.

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