Plan von George Soros Sieben Punkte - so lösen wir die Flüchtlingskrise

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Vorteile der Zuwanderung überwiegen die Nachteile

Einige Regierungschefs in Europa haben nach einem Marshall Plan für Afrika gerufen. Ein lobenswertes Ziel; doch wenn es um die Einzelheiten geht, ist Europa weit entfernt von einer solchen Zukunftsvision. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Vereinigten Staaten 1,4 Prozent ihres BIP investiert, um Europa wieder aufzubauen – jedes Jahr, vier Jahre lang. Eine Investition in der Größenordnung des originalen Marshall Plans würde für die kommenden vier Jahre in etwa 270 Milliarden Dollar pro Jahr erfordern, eine Zahl, von der wir weit entfernt sind.

Die siebte und letzte Säule ist, dass Europa angesichts seiner älter werdenden Bevölkerung früher oder später ein Umfeld schaffen muss, in dem Vielfalt und wirtschaftliche Migrationsbewegungen willkommen geheißen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Deutschlands Türen den Flüchtlingen weit geöffnet, doch ihre großzügige Geste war nicht gut durchdacht; sie klammerte den Anziehungseffekt aus. Ein plötzlicher Zustrom von mehr als einer Million Flüchtlinge überwältigte die Kapazitäten der Behörden und kehrte so die öffentliche Meinung gegen die Zuwanderer. Nun muss die EU dringend den generellen Zustrom an Neuankömmlingen beschränken, und das geht nur, indem Wirtschaftsmigranten benachteiligt werden. Dies bleibt hoffentlich eine temporäre Angelegenheit, doch so lange sie andauert, ist sie ebenso unangemessen wie schädlich.

Das Asylpaket II

Die Vorteile, die Zuwanderung mit sich bringt, wiegen weitaus schwerer als die Kosten für die Integration der Einwanderer. Hochqualifizierte Wirtschaftsmigranten verbessern die Produktivität, generieren Wachstum und erhöhen die Absorptionsfähigkeit des Empfängerstaats. Unterschiedliche Bevölkerungen bieten unterschiedliche Fertigkeiten, doch die Beiträge rühren ebenso von den Innovationen her, die sie einführen, wie von ihren besonderen Sachkenntnissen – sowohl in ihren Ursprungsländern als auch in ihren Bestimmungsländern. Es gibt eine Fülle an Anekdoten als Beweis dafür, angefangen bei der Mitwirkung der Hugenotten an der ersten industriellen Revolution, da sie sowohl die Weberei als auch das Bankenwesen nach England brachten. Zuwanderer haben ein hohes Potenzial, um für Innovation und Entwicklung zu sorgen, wenn sie hierfür entsprechende Chancen bekommen.

Diese sieben Grundregeln zu verfolgen ist unerlässlich, um öffentliche Ängste zu beruhigen, chaotische Ströme von Asylsuchenden zu verringern, die vollständige Eingliederung von Neuankömmlingen zu gewährleisten, beiderseitig vorteilhafte Beziehungen mit Ländern im Mittleren Osten und in Afrika zu schaffen und um Europas internationale humanitäre Verpflichtungen zu erfüllen.

Fazit

Die Flüchtlingskrise ist nicht die einzige Krise, mit der Europa konfrontiert ist, aber es ist die dringlichste. Und könnten beträchtliche Fortschritte in der Flüchtlingsfrage gemacht werden, so wäre es einfacher, die übrigen Probleme – von der anhaltenden griechischen Schuldenkrise über die Folgen des Brexit bis hin zu den von Russland ausgehenden Herausforderungen – in Angriff zu nehmen. Alle Einzelteile müssen zusammenpassen, und die Erfolgschancen bleiben schmal. Doch so lange es eine Strategie mit Erfolgsaussichten gibt, sollten alle Menschen, denen das Überleben der Europäischen Union am Herzen liegt, sich geschlossen hinter sie stellen.

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