"Podemos"- Mitgründer Juan Carlos Monedero "Deutschland agiert undemokratisch und wenig empathisch"

Podemos-Mitgründer Juan Carlos Monedero spricht im Interview mit der WirtschaftsWoche über Spaniens Probleme, die Pläne seiner Partei und sein gespaltenes Verhältnis zu Deutschland.

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Podemos-Parteivorsitzender Pablo Iglesias bei einer Parteiversammlung Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Herr Monedero, Sie haben das Regime von Hugo Chávez in Venezuela beraten. Ist das sozialistische Land ein Vorbild für Spanien?

Juan Carlos Mondero: Nein. Ich habe die Regierung beraten, um die Politik zu verbessern und nicht, weil ich deren Regierungsform bewundere. Die Ziele von Chávez waren redlich und er hat es auch geschafft, die Armut zu reduzieren. Dann aber hat die Korruption die Fortschritte zunichte gemacht und das Land in den Abgrund gestürzt. Ich bin gewissermaßen mit meiner Beratung auch ein Stück weit gescheitert – und hoffe, dass wir es mit Podemos besser machen.

Ist Kommunismus oder Sozialismus eine Option für Sie?

Absolut nicht. Die Planwirtschaft ist eindeutig gescheitert. Aber: Wir müssen die Demokratie überdenken und im demokratischen Rahmen neue Bürgerbeteiligungen und mehr Gerechtigkeit schaffen. 

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Was haben Sie konkret vor?

Wir wollen die Macht wieder dem Volk zurückgeben, weil die demokratischen Repräsentanten gescheitert sind. Alle vier Jahre zu wählen, reicht nicht. Wir haben  Podemos so aufgebaut, dass wir ständig im Kontakt mit der Gesellschaft sind,  mit Meinungsführern und Hilfsorganisationen. Wir haben keine Mitglieder, wir verzichten auf viele Ämter und ziehen es stattdessen vor, dass wir viele Versammlungen organisieren, in denen wir gemeinsam mit unseren Unterstützern Entscheidungen treffen.  Das Vertrauen in die Politik ist in Spanien auf einem Tiefpunkt angelangt, wir müssen es wieder aktivieren. 

Was treibt Sie außenpolitisch an?

Es gibt ein Nord-Süd-Gefälle in Europa: In fast allen Peripherieländern gibt es große soziale Not, während die stabilitätsorientieren Ländern gut durch die Krise gekommen sind und ihren Wohlstand gar noch vermehrt haben. Die Merkel‘sche Austeritätspolitik hat die sozialen Ungleichheiten verschärft. Wir leben in einem Europa, in dem alle die Befehle Deutschlands folgen.

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Das sind sehr harte Worte. Wie meinen Sie das?

Die Politik in  Brüssel wird  seit einigen Jahren komplett von der deutschen Regierung und der Bundesbank bestimmt. Das war aber nicht so angedacht, als die Europäische Gemeinschaft geschaffen wurde. Es sollte eine Gemeinschaft mit gemeinschaftlichen Entscheidungen sein.

Jetzt ist Deutschland in Europa  so mächtig wie noch nie, nur noch Merkel gibt den Ton an. Die Kürzungen in den südlichen Krisenländern bei Gesundheit, Erziehung und Sozialleistungen haben die Armut wachsen lassen. Der Norden hat daran eindeutig Schuld aufgrund der Austeritätspolitik. Da müssen wir ansetzen und andere Lösungen finden.

Aber Merkel hat doch nicht vorgegeben, wo gekürzt werden soll?

Die deutsche Regierung hat über IWF, EZB und die Europäische Kommission Druck gemacht, dass die Ausgaben drastisch und schnell gekürzt werden. Das geht immer über diesen Weg: Gesundheitswesen und Sozialleistungen, gleichzeitig wird die Mehrwertsteuer erhöht. Spanien hat genau das gemacht. 

"Wir empfinden das deutsche Auftreten in Europa als vorschreibend"

Statt auf Deutschland zu schimpfen, könnten Sie sich ja auch an der demokratischen Reife der Bundesrepublik orientieren: der soziale Dialog funktioniert, Tarifparteien regeln die Löhne, die Justiz ist unabhängig, und die Bürger nehmen am politischen und gesellschaftlichen Leben teil, die Korruption ist gering.

Deutschland ist eine Demokratie, die nach innen, für die eigenen Leute sehr gut funktioniert. Und ich bewundere das Bewusstsein des Einzelnen für die ganze Gesellschaft, die  grundsätzliche soziale Verantwortung jedes Deutschen dem Staat gegenüber.  Diese ist verankert in der Kultur. Ich bewundere auch die intellektuellen Debatten, die es in Deutschland gibt.

Die Kanzlerin Angela Merkel handelt auch durchaus gerecht ihrem Volk gegenüber. Die Deutschen genießen viele Sozialleistungen und Privilegien. Sie erleben Wohlstand, der Staat beschützt sie. Aber außerhalb des Landes agiert die deutsche Regierung alles andere als demokratisch und empathisch. Wir empfinden das deutsche Auftreten in Europa als vorschreibend, bestimmend und wenig solidarisch. 

 Was sind denn Ihre konkreten Konzepte gegen die Krise – oder sind Sie mit dem Status quo, immerhin gibt es Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung, zufrieden?

Wir geben uns nicht mit kurzfristigen Besserungen der wirtschaftliche Lage zufrieden, wir streben eine Systemänderung an, ähnlich der Ansätze von Christan Felbers Buch „Die Gemeinwohl-Ökonomie“.  Wir wollen auch eine neue demokratischere Entscheidungsstruktur in Brüssel. Es geht hier nicht um etwas weniger Arbeitslose oder etwas mehr Wachstum. Wir haben strukturelle Probleme, ein Auseinanderdriften von Arm und Reich, und das erleben wir nicht nur in Spanien, sondern in vielen Industrieländern, wo der Mittelstand schwindet.

Sie werden in Spanien von einigen als Hoffnungsträger für einen Wandel gefeiert,  Sie werden unterstützt aus Protest gegen das etablierte Parteiensystem. Was erhoffen Sie sich von den Parlamentswahlen am Ende des Jahres in Spanien?

Wir wollen aktiv die Politik in Spanien bestimmen. In Partnerschaft mit anderen Parteien oder aus der Opposition heraus. Ohne irgendwo in der Regierung zu sein, haben wir in Spanien schon viele Dinge verändert. Die Menschen sind aufgerüttelt und akzeptieren nicht mehr alles, sie haben die Volksparteien bei den Europawahlen und den regionalen Abstimmungen bereits abgestraft. Die Krise ermöglicht Spanien seit langer Zeit erstmal wieder, durchgreifende Änderungen in unserer Gesellschaft durchzusetzen. Die Krise ist damit eine einmalige Chance, die wir haben.

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