Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld "Ein Brexit wäre fatal - für die Briten"

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Ein Restrisiko bleibt

Wieso sollte Europa auf die Extrawünsche aus London eingehen?

Großbritannien ist bisher vor allem als Bremser in EU-Fragen aufgefallen. Für die Gespräche über eine Vertiefung der EU sind sie nicht zu gebrauchen. Aber: In der Sicherheitspolitik wäre es dramatisch für die EU, Großbritannien als Partner zu verlieren. Sie sind militärisch und militärstrategisch eine Führungsmacht in der Welt. Deswegen würde ich Cameron – wäre ich sein Berater – auch empfehlen, in den Gesprächen mit den EU-Partnern, wie heute bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf diesen Aspekt zu verweisen. Darüber hinaus würde es sicher nicht schaden, wenn Cameron eine tragende Rolle in der Debatte über die Sicherheit und Stabilität in Europa und der Welt einnimmt. Das Timing ist gut für den britischen Premier: Aufgrund der Ukraine-Krise ist die Sicherheitspolitik eines der Politikthemen Nummer eins in der Wahrnehmung der Bürger.

Großbritannien

Und die EU-Kritik der Briten sollten wir im Gegenzug einfach schlucken?

Wir sollten sie nicht zu ernst nehmen. Es ist doch auch nichts Neues. Seit Anbeginn haben sich die Briten allen Fragen zur EU kritisch genähert. Nehmen Sie Winston Churchill. Er sprach bei seiner berühmten Europa-Rede 1946 in Zürich von den „Vereinigten Staaten von Europa“ – meinte aber nur den Kontinent, Großbritannien also ausgenommen. Die Briten haben nie den Euro angenommen, sie wollten Schengen nicht. Ihre aktuellen EU-Zweifel werden in diesem Kontext viel weniger dramatisch und überraschend.

Und zu einem „Brexit“ kommt es dann sowieso nicht…

Ich habe vor einiger Zeit länger mit der Cameron-Mannschaft gesprochen. Das Lager ist auch überzeugt, dass das Referendum positiv, sprich: pro-europäisch, ausgeht. Ein Restrisiko bleibt: Sollte sich David Cameron große Schnitzer erlauben und in der Gunst der Wähler dramatisch absacken, könnten seine Gegner die Referendums-Frage missbrauchen. Dann könnte es heißen: Diese Abstimmung ist eine Chance, um Cameron loszuwerden. Dann könnte es eng werden. Aber grundsätzlich ist die Sachlage doch eindeutig.

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