Präsidentschaftswahlen in Frankreich Die Kandidaten für den Elysée-Palast

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Macron & Montebourg

Emmanuel Macron

Seit Hollande ihn im Sommer 2014 zum Wirtschaftsminister machte, war der ehemalige Banker maßgeblich mit Testballons beschäftigt. Als liberales enfant terrible im Kabinett, das kein Parteibuch besaß, fühlte er den Puls der Franzosen zu 35-Stunden-Woche, Kürzungen des Arbeitslosengeldes oder der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Manche der Ideen erhielten Eingang in Gesetzestexte. Der 38-Jährige gibt seinem Gegenüber im Gespräch stets das Gefühl der vollen Aufmerksamkeit und Empathie. Tatsächlich ist Macron aber etwa so greifbar wie ein Stück Seife, das in einer gefüllten Badewanne verloren ging. Seit er im April seine eigene politische Bewegung „En marche!“ (Vorwärts) gründete, waren seine Anhänger davon überzeugt, dass er kandidieren würde. Macrons Wortwahl konnte jedoch bis vergangenen Mittwoch ebenso das Gegenteil bedeuten. „Ich habe immer Verantwortung übernommen," sagte er unbestimmt. Auch wollte er nicht zu früh das Amt des Wirtschaftsministers aufgeben, das ihm kostenlose Wahlkampf-Auftritte sicherte. Erst Ende August war es so weit. Ein Programm hat er noch nicht vorgelegt, spricht stattdessen vage von „Hoffnung“, „europäischer Wiederbelebung“ und nennt Europa „unser Glück in der Globalisierung“. Deshalb muss man vorerst damit vorlieb nehmen, was er in verschiedenen Interviews verraten hat: Das Steuersystem soll gerechter werden und die Übernahme von Risiken honorieren. Jüngere Arbeitnehmer sollen länger als 35 Wochenstunden arbeiten, ältere weniger. Europa wünscht er sich als Transferunion mit einem gemeinsamen Budget der Mitgliedsländer. Dennoch reicht dies offenbar dafür, dass 57 Prozent der Franzosen seine Kandidatur begrüßen. Macrons Vorteil beim Wahlvolk - und seine größte Angriffsfläche bei den Konkurrenten - ist, dass er sich weder links noch rechts positioniert und als Systemkritiker aus Erfahrung geriert. „Ich habe die Leere unseres politischen Systems von innen erlebt“, sagt er nun. Nicht die Franzosen seien schuld am Niedergang des Landes, sondern „das politische System ist das Haupthindernis an der Veränderung unseres Landes“. Wer seine Kampagne finanziert, will er nicht preis geben.

Zu jung, zu unerfahren – Kritiker fühlen sich durch Emmanuel Macron bedroht, weil er Nichtwähler anspricht. Doch er französische Ex-Minister kündet seine Präsidentschafts-Kandidatur an – mit guten Chancen auf Erfolg.
von Thomas Hanke

Arnaud Montebourg

Er war Macrons Vorgänger, ehe ihn Hollande vor gut zwei Jahren feuerte. Weshalb der 53-Jährige eine offene Rechnung mit dem Staatschef hat. Bei parteiinternen Vorwahlen würde der Linksaußen der Sozialisten ihn tatsächlich schlagen. Dramaturgisch kann der gelernte Rechtsanwalt es mit Sarkozy aufnehmen. Inhaltlich fordert er eine Abkehr vom 3-Prozent-Defizitlimit für die Euro-Länder und eine Überarbeitung der europäischen Verträge. Der Terrorgefahr will er unter anderem mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht begegnen. Auch Montebourg umgarnt "das Frankreich, dem am Monatsende Geld fehlt, das prekäre Frankreich, das Frankreich der Arbeiter". Ihm verspricht er ein "Ende der Austeritätspolitik". Europa ähnelt seiner Meinung nach einem Unternehmen, das dem Bankrott nahe ist. Damit kennt der Globalisierungsgegner sich aus. Nach einem vierwöchigen Crashkurs sitzt er im Verwaltungsrat des defizitären Möbelhauses Habitat.

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