Privilegierter Marktzugang Brüssel droht afrikanischen Ländern

Die EU hat mit einer Vielzahl afrikanischer Länder Freihandelsabkommen verhandelt, die von den Staaten aber noch nicht ratifiziert wurden. Jetzt will Brüssel ihnen den Zugang zum EU-Binnenmarkt entziehen.

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Die Wüste Namib in Namibia im Südwesten von Afrika. Quelle: dpa

Die Verhandlungen über EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) mit afrikanischen Ländern haben sich in eine langwierige Schlammschlacht verwandelt. Inzwischen ist die EU-Kommission frustriert über die langsamen Fortschritte der Verhandlungen mit einigen AKP-Mitgliedern (afrikanische, karibische und pazifische Staaten). Daher will sie nun Ghana, der Elfenbeinküste, Kenia, Botsuana, Namibia und Swasiland bis Oktober 2016 den privilegierten Zugang zum europäischen Markt entziehen.

Mit diesem Schritt sollen diese afrikanischen Länder gezwungen werden, die WPAs zu ratifizieren. Diese gelten als Ersatz für die derzeit noch einseitigen Handelspräferenzen, welche die EU ihren Vertragspartnern im Rahmen des auslaufenden Cotonou-Abkommens vom Juni 2000 gewährte. Viele afrikanische Länder haben die Partnerschaftsabkommen zwar unterzeichnet, aber nur wenige von ihnen haben sie auf nationaler Ebene ratifiziert.

Sollten die Begünstigungen dieser sechs Länder tatsächlich abgeschafft werden, hätte dies dramatische Auswirkungen auf ihre Staatsfinanzen. Denn die AKP-Partner der EU profitieren derzeit von Zollbefreiungen nach Europa. „Für die Elfenbeinküste würden sich vor allem schwere Einbußen bei den Kakaoausfuhren ergeben, dem Exportschlager des Landes“, erklärt Marc Maes, Direktor für Europäische Handelspolitik bei der Coalition of the Flemish North South Movement (Koalition der flämischen Nord-Süd-Bewegung). Im Jahr 2013 betrug allein der Anteil der Kakao-Ausfuhr 26 Prozent aller Exporte der Elfenbeinküste.

In einem vom Portal EurActiv eingesehenen Dokument erklärt die Kommission, dass sie bestimmte Rechtsinstrumente vorbereitet habe, die den Ländern sämtliche Zugangsprivilegien zum EU-Markt entziehen. So wolle man bis zum 1. Oktober 2016 eine Übereinstimmung in den Verhandlungen erreichen. Diese Frist komme für die Parteien nicht als Überraschung. „Sie hatten genug Zeit, sich vorzubereiten“, heißt es in dem Dokument. Bis Mitte Juli will die Kommission sechs Rechtsakte beschließen, um den privilegierten Marktzugang zu beenden.

Die Entscheidung der EU, mit harten Bandagen zu kämpfen, stieß bei den AKP-Staaten auf starke Kritik. Die EU sei mit ihren exorbitanten Forderungen selbst an den Verzögerungen Schuld. „Es waren leider nicht alle AKP-Staaten in der Lage, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen abzuschließen. Denn die übertriebenen Anforderungen der EU haben regionale Prozesse der wirtschaftlichen Integration geschwächt“, so die Staats- und Regierungschefs der AKP-Gruppe nach dem Gipfel in Papua Neuguinea am 1. Juni.

Die Ärmsten zahlen den höchsten Preis

Die Streitigkeiten über solche Handelsabkommen zwischen der EU und ihren Partnern in den Entwicklungsländern sind nichts Neues. Seit 2007, als die erste Umsetzungsfrist der WPAs verstrich, drängt die Kommission auf die Unterzeichnung von Übergangsabkommen. Während manche Staaten die Deals unterzeichneten, weigerten sich andere wie Gabun, Nigeria und der Kongo (Brazzaville). Die darauf folgende Ungleichbehandlung behindert die wirtschaftliche Entwicklung in einigen der ärmsten Regionen Afrikas, da sie nicht mehr als Handelsblock auftreten können.

Am meisten zu verlieren haben die am wenigsten entwickelten Länder, die derzeit noch uneingeschränkten Zugang zum EU-Markt genießen (mit der Ausnahme von Waffen). Für sie sind die WPA-Staaten nicht unbedingt eine willkommene Entwicklung. Diese würden sie nämlich dazu zwingen, auch selbst vollständig ihre Märkte für europäische Exporte zu öffnen.

Von den 16 westafrikanischen Ländern gehören zwölf zu den am wenigsten entwickelten Staaten weltweit. „Diese 12 Länder haben die Abkommen mit der EU angenommen, weil sie die Handelseinheit der Region nicht untergraben wollten“, betont Maes. „Ihnen selbst nützen die WPAs nichts.“

Anderen Entwicklungsländern könnten die WPAs tatsächlich leichte Verbesserungen bringen. Diese reichen jedoch bei weitem nicht aus, um die Zolleinbußen für die Einfuhr europäischer Produkte zu decken, wie die Berechnungen von Jacques Berthelot, Ökonom und ehemaliger Forscher sowie Dozent am Nationalen Institut für Agrarwissenschaften in Toulouse zeigen. Insgesamt werden die westafrikanischen Länder ab 2020 schätzungsweise 3,2 Milliarden Euro im Jahr an Zolleinnahmen einbüßen.

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