Pulse of Europe "Wir hatten Wut im Bauch – und eine Idee"

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Kann Pulse of Europe Wahlen beeinflussen?

Aber jeder, der möchte, darf drei Minuten auf der Bühne zu den Demonstranten reden. Auch das macht den Charme der Veranstaltung aus. Wollen Sie einem Politiker, der das Podium erklimmt, das Wort verbieten?
Notfalls drehen wir ihm das Mikrofon ab. Und ganz ehrlich: Wie glaubwürdig sind denn Politiker als europabegeisterte Redner, die es in 20 Jahren im Amt, eben nicht geschafft haben, die Menschen für diese Idee zu begeistern? Was wollen die denn anschieben, die immer  nur über Kosten und Bürokratie geklagt haben? Wir arbeiten nur an einer Stelle mit Parteien zusammen, nämlich mit deren Stiftungen. Wir wollen auch in Osteuropa die Opposition stärken und die Parteienstiftungen haben dorthin Kontakte, die uns einfach fehlen. Schauen Sie nach Polen: Da werden schon Grundrechte einkassiert. Da können Demokraten doch nicht einfach  nur zuschauen. 

Glauben Sie, dass Pulse of Europe Wahlen beeinflussen kann, zum Beispiel die Frankreich-Wahl im April oder die Bundestagswahl im September?
Wir überschätzen uns nicht. Aber uns Organisatoren würden schon zwei Dinge freuen. Erstens, dass auch durch unsere Kundgebungen die Lust auf Politik und damit die Wahlbeteiligung wieder steigt. Die hohe Wahlbeteiligung in den Niederlanden war ein toller Anfang. Und zum anderen würde uns freuen, wenn Martin Schulz als Kanzlerkandidat der SPD endlich mal das Thema Europa auf sein Schild hebt. Da hören wir von ihm nichts zu.  Das ist für mich in diesen politischen Zeiten, mit wachsendem Nationalismus in so vielen europäischen Ländern, überhaupt nicht nachzuvollziehen.

Wie wollen Sie diese Schlagzahl - europaweit Demos jeden Sonntag um 14 Uhr - bis zur Wahl im September, aufrechterhalten?
Nach der Frankreichwahl werden die Kundgebungen vermutlich nicht mehr jede Woche stattfinden, sondern ein oder zwei Mal im Monat. Wir haben tatsächlich die Sorge, dass die hohe Energie von heute bis dahin etwas verpuffen könnte.

Pulse of Europe setzt sich für eine europäische Gemeinschaft ein, die die Kritik der Bürger ernst nimmt. Dafür klingen Ihre konkreten Ziele aber noch sehr vage: „So viele Menschen wie möglich in Europa zu versammeln, die für Europa einstehen und so dazu beitragen, dass nach den Wahlen pro-europäische Kräfte mehrheitsfähig regieren können.“ Und: „Die Achtung der Menschwürde, die Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches Denken und Handeln, Toleranz und Respekt sollen Grundlage des Gemeinwesens sein.“ Das Ganze gefordert von friedlichen Demonstranten bei Sonnenschein auf den schönsten Plätzen der Städte, das ist wohlfeil.
Wir haben kein Programm im Sinne von: Hier ist unser Forderungskatalog mit den detaillierten Verbesserungsvorschlägen für die dringendsten Probleme! Das ist auch gar nicht unser Auftrag. Wir wollen die Wahrnehmung wieder auf die guten Seiten der europäischen Einheit lenken. In der breiten Masse sind die Vorteile, die wir alle durch ein vereintes Europa genießen, doch entweder gar nicht angekommen oder sie geraten bei jüngeren Menschen nach 70 Jahren ohne Krieg wieder in Vergessenheit. Es waren eben nicht alle Deutschen Erasmus-Studenten. Das wird oft vergessen. Pulse of Europe will erst mal wieder Menschen für Europa begeistern.

Und das reicht Ihnen?
Wir wollen einen Raum schaffen, in dem Europas Bürger unabhängig von politischen Vorgaben wie Merkels „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ oder den fünf Visionen des EU-Parlaments Ideen und Lösungen für die unbestritten vorhandenen Probleme entwickeln können. 

Können Sie sich vorstellen, dass aus der Bürgerbewegung Pulse of Europe - ähnlich wie bei den Grünen und der AfD - irgendwann eine Partei entsteht?
Das ist sicher nicht unser Ziel. Von uns Initiatoren hat keiner Ambitionen auf politische Ämter.

Auch andere Europa-Initiativen bringen derzeit Leute auf die Straße. Ab wann wären Sie bereit, sich um des Erfolgs der europäischen Idee willens mit anderen Bewegungen zusammenschließen? Gemeinsam wären sie womöglich schlagkräftiger.
Wir haben noch viel zu viel mit uns selbst zu tun. Die Idee ist schön, aber das ginge zu schnell.

Wären die Initiatoren von Pulse of Europe denn grundsätzlich bereit, in einer anderen Organisationsform aufzugehen?
Sagen wir es so: Wenn die anderen wirklich dieselben Ideen haben, ja.

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