Rating-Agenturen Angriff auf S&P, Moody's und Fitch

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Die Macht der Agenturen

Fitch Quelle: dpa

Wer die Tragweite dieser Entscheidung verstehen will, muss mit Menschen wie Richard Roberts sprechen. Rick, wie er sich selbst nennt, ist überrascht, dass nach so langer Zeit jemand anruft, um mit ihm zu reden. Rick brummt: »Heute deutet die SEC mit dem Finger auf die Rating-Agenturen. Doch sie war es, die ihnen Macht verliehen hat.«

Washington, 1992. Richard Roberts ist seit Kurzem Commissioner der SEC – und wundert sich. Roberts stellt fest, dass die SEC, andere Aufsichtsbehörden, der Kongress oder Investoren sich zunehmend auf NRSROs bezogen haben – und damit de facto auf die großen drei. Die Zahl der Vorschriften, in denen ihre Ratings als Referenz dienen, geht in die Hunderte. Wer immer ein Rating braucht, wendet sich daher an sie. Als Jurist, der er ist, scheint es Roberts bedenklich, dass, wie er heute sagt, »die SEC viele ihrer Entscheidungen an Dritte auslagerte, über die sie zugleich keinerlei Machtbefugnisse besaß«. Als erster Offizieller schlägt er Alarm: Der Status einer NRSRO habe sich durch seine breite Verwendung »in einen Wettbewerbsvorteil« verwandelt, und seine Vergabe sei »ein sensibles und kontroverses Thema von globaler Bedeutung« geworden. Es brauche eine Definition, einen Vergabeprozess, eine Aufsicht.

Globale Logik

Roberts’ Vorstoß verpufft. Unter seinen Kollegen findet er nur eine Verbündete. »Andere Commissioner aber haben uns ausgelacht, der Kongress hat uns ignoriert.« Niemand sieht eine Notwendigkeit. In der Folge wächst die Rolle der großen drei in der amerikanischen Finanzwelt nur weiter.

Es sind die Jahre, in denen der junge Volkswirt Markus Krall im Stab von Diethart Breipohl arbeitet, dem Finanzvorstand der Allianz. Er erlebt mit, wie die deutsche Finanzbranche den ersten Versuch startet, eine europäische Rating-Agentur aufzubauen – und 1993 kläglich scheitert.

Es sind die Jahre, in denen deutsche Konzerne global expandieren, in denen sie sich neben Krediten von Banken zunehmend Geld vom internationalen Kapitalmarkt besorgen. Wer sich aber Geld vom internationalen Kapitalmarkt besorgen will, kommt an den USA und den Investoren dort nicht vorbei. Auf einmal sind auch für deutsche Konzerne Ratings wichtig. Und damit die großen drei.

Es ist diese Logik, die S&P, Moody’s und Fitch in jenen Jahren expandieren lässt. Weltweit eröffnen sie neue Büros, gewinnen global an Einfluss.

Als Europas Politiker und Bankenaufseher in den neunziger Jahren beginnen, die Bankenregulierung zu überarbeiten, räumen sie Ratings ebenfalls eine wichtige Rolle ein – und beziehen sich in Ermangelung einer europäischen Alternative auf S&P, Moody’s und Fitch. Die Verankerung in staatlichen Vorschriften nimmt weiter zu.

Heute benutzt die Europäische Zentralbank diese Ratings, wenn sie wie vergangene Woche Hunderte Milliarden Euro an Banken ausleiht: Die Wertpapiere, die sie im Gegenzug als Sicherheiten akzeptiert, müssen bestimmte Ratings besitzen.

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