Recep Tayyip Erdoğan Wie Rheinmetall den Bau von Panzern in der Türkei einfädelt

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Rheinmetall spielt seine Rolle herunter

Die andere Schlüsselfigur für das Panzergeschäft ist der türkische Rüstungsunternehmer Ethem Sancak, Eigentümer des Rheinmetall-Partnerunternehmens BMC. Auch ihn zeichnet seine Nähe zu Erdoğan aus. In der internen Rheinmetall-Präsentation heißt es ausdrücklich, Sancak sei mit dem Präsidenten „eng verbunden“. Im Mai 2017 rückte Sancak sogar in den Vorstand der Erdoğan-Partei AKP auf.

Der Unternehmer kontrolliert mehrere Boulevardzeitungen, die den Kurs des Präsidenten mit wüsten Parolen unterstützen. Ein Blatt verunglimpfte Merkel als „Frau Hitler“ und steckte sie in eine Naziuniform. Ein anderes verleumdete erst dieser Tage den Journalisten Deniz Yücel und den ebenfalls inhaftierten Menschenrechtler Peter Steudtner als „Agenten“.

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Fragen nach dem merkwürdigen Partner weicht Rheinmetall aus. Dabei war Sancak bei dem Abendessen mit Erdoğan im November 2015 dabei, er ist auf dem Foto zu sehen. Außerdem ist in der internen Präsentation eine Grafik enthalten, in der der Name Erdoğan oben thront – und mit zwei gestrichelten Linien verbunden ist mit Mokhtars Firma und der Sancak-Gruppe. Laut Begleittext stehen die Linien für die „Beziehung“ des Präsidenten zu den Geschäftspartnern.
Bereits Ende 2015 geht man bei Rheinmetall offenbar davon aus, dass die Beziehungen helfen. In einer Präsentation für Investoren in Wien am 26. 11. 2015 kündigt Konzernchef Armin Papperger das Joint Venture mit den türkischen Partnern an: für den Bau von „gepanzerten Fahrzeugen“.

Erst Monate später bestätigt Rheinmetall öffentlich die Pläne für ein Gemeinschaftsunternehmen zum Panzerbau. Als CORRECTIV zusammen mit seinen Partnern im März 2017 Details des Vorhabens enthüllt, löst das laute Proteste aus. „Der absolute Wahnsinn“ seien die Pläne, sagt der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour. Die Organisation Campact sammelt mehr als 280 000 Unterschriften gegen die geplante Panzerfabrik und organisiert eine Demo vor dem Bundestag.
Völlig ungerührt hingegen reagieren Kanzlerin Merkel und ihre Minister. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnet das Rüstungsprojekt im März 2017 als „unternehmerische Entscheidung“, die die Regierung „nicht zu kommentieren habe“.

Glaubt man den Rheinmetall-Leuten, ließen sie die Bundesregierung nicht im Unklaren. Ob Berlin über die Panzerpläne informiert sei, wurde Manager Schwer von einem türkischen Branchenmagazin gefragt. Seine Antwort: „Ja, das ist der Fall. Es war immer unsere Linie, die deutsche Regierung über unsere Pläne zu informieren. Wir tun nichts hinter ihrem Rücken.“

In der Tat pflegt das Unternehmen gute Drähte zur Berliner Politik. Regelmäßig traf Rheinmetall-Chef Papperger den damaligen Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel im kleinen Kreis. Immer wieder ging es bei diesen Runden mit dem heutigen Außenminister auch um Rüstungsexporte. Das zeigen Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen.

Das Wirtschaftsministerium beteuert dennoch, von der Panzerfabrik aus der Presse erfahren zu haben. Die Sache sei „nicht Gegenstand von Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung“ gewesen, jedenfalls „ausweislich der vorhandenen Unterlagen und Aufzeichnungen“. Die Akten des Ministeriums sind dafür aber nicht allein entscheidend. Wenn Minister Firmenchefs treffen, werden normalerweise keine Protokolle geschrieben. Wurde Gabriel also doch persönlich informiert? Sein Büro verweist auf die Antworten des Ministerium. Sie seien „umfassend“ .

Auch nach dem Bekanntwerden der Pläne war nichts von einem Einschreiten der Regierung zu hören. Die Kanzlerin hat sich bis heute nicht dazu geäußert. Keiner ihrer Minister kritisierte die Pläne. Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium schloss auch nicht die Gesetzeslücke, die Rheinmetall nutzen kann. Bis heute brauchen Rüstungskonzerne zwar eine Genehmigung der Bundesregierung, wenn sie Waffen oder Blaupausen für Waffen exportieren wollen – nicht aber, wenn sie Experten in Länder wie die Türkei entsenden, um „technische Unterstützung“ zu geben. Für Hersteller von Überwachungstechnik hat Gabriel im Juli 2015 solch eine Genehmigungspflicht bei technischer Hilfe eingeführt – für Rüstungsgüter nicht. Das Ministerium sieht darin kein Problem. Es seien „nur untergeordnete, einfache Dienstleistungen“ nicht genehmigungspflichtig. Der „Aufbau von Waffenfabriken“ sei mit ihnen nicht möglich.

Auch Rheinmetall spielt sein Türkei-Vorhaben inzwischen herunter. Noch im März hatte die Firma bestätigt, dass man gerne Kampfpanzer in der Türkei bauen wolle. Jetzt sagte ein Sprecher, in dem Land habe sich seit der Präsentation vom Dezember 2015 „vieles“ geändert, „auch für Rheinmetall“. Das Gemeinschaftsunternehmen sei „im Moment nicht aktiv“. Tatsächlich schreibt es immer wieder Stellen aus, hat Büroräume in Ankara bezogen, eine Website freigeschaltet. Man sei „im Kommen“, verspricht die Seite.

Kein Wunder: Erst vor einigen Tagen forderte das türkische Verteidigungsministerium den Rheinmetall-Partner BMC auf, ein Angebot für den Bau der Altay-Panzer zu unterbreiten. Zwei weitere Unternehmen wurden eingeladen. BMC gilt aber als Favorit. So rückt womöglich der Tag näher, an dem mit deutscher Hilfe produzierte Panzer in türkischen Städten auffahren. Gegen die angeblichen Feinde von Präsident Erdoğan.

Der Artikel basiert auf einer gemeinsamen Recherche von CORRECTIV, der türkischen Exilredaktion „Özgürüz“ und dem „Stern“. Die CORRECTIV-Redaktion, mit der unsere Zeitung kooperiert, finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Wenn Sie CORRECTIV unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org

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