Immerhin, die EU-Fahne hängt noch. Reglos harrt das europäische Sternenbanner neben der polnischen Flagge der Dinge, als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) morgens in Warschau einen Konferenzraum im Energieministerium betritt. Wollte Polen die Insignien Brüsseler Fremdherrschaft nicht aus den Regierungsgebäuden verbannen? Oder haben sie das blaue Tuch mit den Sternchen für ihn extra wieder aufgestellt?
Es ist wahrlich keine gute Zeit für Vizekanzler Gabriel, um Polen einen Besuch abzustatten. Biologisch, weil in der Nacht bis kurz nach drei über Asylverfahren gestritten und folglich kaum geschlafen hat. Inhaltlich, weil es mit Polen seit dem Rechtsrutsch bei den Wahlen im Herbst nichts als Ärger gibt. Und weil es bilateral gerade schwierig sei, sagt er, fahre er gerade jetzt dorthin.
Die Rechtskonservativen der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) scheinen derzeit keinen Stein der Demokratie auf dem anderen lassen zu wollen: Kaum hatte Beata Szydlo die Wahl im Dienste des Parteichefs Jaroslaw Kaczynski gewonnen – schon begann sie, die Pressefreiheit zu schleifen und neue Verfassungsrichter einzusetzen, linientreue, versteht sich. Jetzt droht aus Brüssel eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit. Etabliert sich etwa an der Weichsel eine neue Hardliner-Regierung wie schon im Ungarn unter Viktor Orbán?
Wissenswertes über Polen
Nicht selten kommt es in Polen vor, dass zum gemeinsamen Abendessen auch mal ein Wodka serviert wird. Aber keine Sorge, wer als Ausländer nicht gerne starken Alkohol trinken möchte, kann auch zu einem Bier greifen. Das gibt es in Polen in allen Varianten und Geschmacksrichtungen, zum Beispiel gemixt mit süßem Sirup.
Nicht nur die. In dem osteuropäischen Land gibt es EU-weit die meisten verschiedenen Pflanzen- und Tierarten, die aus anderen Teilen Europas zum Teil schon lange verdrängt wurden. Nicht nur der Braunbär und der Wolf sagen sich hier gute Nacht, sondern auch der Luchs, der Elch, der Biber und das Wisent.
Auch wenn es langsam aus der Mode kommt: Der Handkuss ist in Polen eine weit verbreitete Begrüßung für die Damen. Selbst eingefleischte Vertreter der Emanzipation werden bei dieser altmodischen Geste nicht protestieren, sondern den Handkuss in bester Manier graziös und mit der Handinnenseite zum Boden entgegennehmen.
Kaum eine Sprache ist so kompliziert wie die polnische. Allein die Aussprache des Worts "czesc" (hallo) birgt so seine Tücken. Wer fröhlich seine Arbeitskollegen grüßen will, könnte bei falscher Aussprache Verwirrung hervorrufen. Denn anders ausgesprochen bedeutet das Wort "sechs". Kein Wunder, dass Polen ausländische Besucher gerne aufziehen.
In Polen steppt der Bär und der Hund wird verrückt. "Wscikle pies", der verrückte Hund, nennt sich ein beliebter Shot in Polen. Er besteht aus Vodka, Himbeersirup und - tatsächlich - Tabasco. Da spielt nicht nur der Gaumen erst einmal verrückt, sondern schnell auch der Kopf.
In Polen gibt es weniger Auto als im Westen. Um jedoch in allen größeren Städten gigantische Staus zu verursachen, reichen sie aber allemal. Deshalb sollte man für Fahrten in polnischen Innenstädten lieber viel Zeit mitbringen. Das Problem wird dadurch noch verstärkt, dass jeder Lkw, der zwischen Ost- und Westeuropa verkehrt, durch Polen fährt.
Papst Johannes Paul II ist der wohl berühmteste Pole. Der Begründer der modernen Astronomie, Nikolaus Kopernikus, ist jedem ein Begriff, genauso wie die Chemikerin Marie Curie, die das radioaktive Element Radium entdeckte. Auch kulturell kann Polen mit Berühmtheiten aufwarten: der romantische Komponist Frédéric Chopin, der Science-Fiction Autor Stanislaw Lem, sowie der Regisseur und Oscar-Preisträger Roman Polanski stammen aus Polen.
Gabriel, dessen Vater aus Schlesien stammt, spielt ausdrücklich den „good cop“: Man müsse „Polen umarmen und nicht verstoßen“, sagt der Sozialdemokrat über die Rechtspopulisten. Die bilateralen Beziehungen zwischen mit Polen hätten schon andere schwierigen Phasen hinter sich, trotzdem pflegten die Polen eine klare europäische Orientierung. Man müsse nun „aufpassen, dass keine neuen Gräben entstehen“.
Einen der Gräben hatte Gabriel noch im alten Jahr selbst aufgerissen. In Moskau hatte er sich für den Ausbau der Ostseepipeline „Nord Stream“ ausgesprochen, die unter Umgehung des polnischen Territoriums russisches Gas nach Deutschland pumpt. In Warschau fürchtet man um die eigenen Versorgungssicherheit, aber auch um die politische Instrumentalisierung der Gaslieferung durch Kremlchef Wladimir Putin. Gabriel beschwichtigt, ohne Erfolg.