Reise zum Nachbarn Sigmar Gabriel umarmt Polen

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Wogen geglättet

Ungemach droht auch von polnischer Seite: PiS-Abgeordnete im Sejm forderten kürzlich, den Import deutscher Waren zu begrenzen. Im Gespräch ist auch die Abbestellung von Airbus-Helikoptern vom Typ „Casacol“. Beide Gedankenspiele liegen von auf Parteilinie, wonach die inländische Produktion quer durch die Wirtschaftssektoren künftig gestärkt werden soll. Aber wird Polen am Ende wirklich so weit gehen, Aufträge zu stornieren und einzelne Produkte vom Markt zu verbannen?

Polens Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki schafft es, die Wogen nach einem Gespräch mit Gabriel zu glätten: „Im polnischen Parlament sitzen über 400 Abgeordnete“, sagt vor der Presse, „da gibt es immer wieder mal eine radikale Äußerung.“ Die Regierung müsse dies nicht aufgreifen, zumal ein weiteres Aufblühen der Wirtschaftsbeziehungen im polnischen Interesse sei. „Wir werden die Kooperation garantiert enger gestalten“, verspricht der Minister.

von Gregor Peter Schmitz, Hans Jakob Ginsburg, Katharina Matheis, Silke Wettach

Umgekehrt scheint sich Gabriel noch keine abschließende Meinung über die Gefahr eines neuen wirtschaftspolitischen Populismus gebildet zu haben: Mit einem auffällig weiten Schlenker bis hinab in die polnische Religionsgeschichte weicht er einer Frage aus, ob die PiS-Politik denn gefährlich für die Wirtschaftsbeziehungen werden könnte.

Vermutlich ist es tatsächlich zu früh, über das „neue Polen“ zu urteilen. Sicher, das Einlösen von Wahlversprechen wird teuer – sowohl die Einführung von Kindergeld als auch die deutliche Absenkung des Rentenalters. Und ja, um die Staatskassen aufzupäppeln, schenken die neuen Regierenden in der Steuerpolitik zulasten der Wirtschaft: Seit dem ersten Februar müssen Banken und Versicherungen auf ihr Kapitalvolumen pro Jahr 0,44 Prozent Steuern zahlen. Bald folgen dürfte ein Gesetz, das Handelskonzernen ab 1,5 Millionen Zloty Umsatz (340 Millionen Euro) eine Steuer in Höhe von bis zu 1,3 Prozent des Umsatzes aufbrummen. Belasten würde dies in erster Linie ausländische Investoren wie die Düsseldorfer Metro.

Andererseits sitzt auch in der polnischen Regierung einiger Sachverstand. Etwa in Gestalt von Wirtschaftsminister Morawiecki oder Finanzminister Pawel Szalamacha. Sie und ihre Fachleute wissen sehr wohl, dass das Wirtschaftswachstum von dieses Jahr 3,6 Prozent ohne ausländische Investitionen nicht möglich wäre – und die Brechstange des Protektionismus den Polen schnell auf die Füße fallen könnte. Ob sie sich durchsetzen werden? Gabriel weiß es nicht. Niemand weiß das im Moment. Bleibt nur zu hoffen, dass die EU-Fahne auch nach Gabriels Abflug gen Berlin noch steht.

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