Rettungsanker Urlauber Tourismus rettet die spanische Wirtschaft

Die Touristenzahl übersteigt weltweit erstmals die Milliardengrenze. Gut für Krisenland Spanien, das weltweit eines der beliebtesten Reiseziele ist. Und die Zahl der ausländischen Urlauber steigt. Aber die Krise lässt auch den Tourismus nicht ganz unverschont.

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Die beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen
Die Deutschen werden gerne als Reise-Weltmeister bezeichnet. Zu Recht: Im letzten Jahr reisten rund 49,0 Millionen Deutsche innerhalb Deutschlands und ins Ausland. Hier die "Top 10" der beliebtesten Reiseziele für das kommende Jahr. Quelle: Statista 2011 (mit ADAC) Quelle: AP
Auf Platz 10: Großbritannien. 1,3 Prozent der Deutschen planen im nächsten Jahr dorthin zu fahren. Bei einer London-Besichtigung darf das Regierungsviertel mit Big Ben und Westminster Bridge nicht fehlen. Quelle: REUTERS
Den 9. Platz besetzt Dänemark. Wer nach Kopenhagen fährt sollte sich auch mal den Hafen anschauen. 2012 wollen 1,4 Prozent Urlaub in Dänemark machen. Quelle: Fotolia
Die Top 8: Kroatien. Der Urlaubs-Klassiker "Adria" bleibt auch 2012 beliebt. 1,7 Prozent der Deutschen wollen im nächsten Jahr am adriatischen Meer urlauben. Quelle: dpa
Trotz oder wegen der Krise: 2 Prozent planen einen Urlaub in Griechenland, das damit Platz 7 in der Beliebtheitsliste belegt. Griechenland abseits der Demonstrationen - der Parthenon auf der Akropolis. Quelle: AP
Auf Platz 6: Skandinavien. 2,9 Prozent der Deutschen wollen im nächsten Jahr zu den Fjorden Norwegens und Schwedens - hier ein zugefrorener Fjord bei der Stadt Longyearbyen auf Spitzbergen. Quelle: REUTERS
Den 5. Platz belegt die Türkei. 3,2 Prozent wollen nächstes Jahr dorthin fahren. Beliebt sind die Strände bei Antalya, die auch meist ruhig sind - es sei denn es gibt einen Wirbelwind zu beobachten. Quelle: REUTERS

Der Tourismus trotzt der Krise: Die Zahl der Urlauber, die ihre Ferien im Ausland verbringen, ist im vorigen Jahr weltweit erstmals in der Geschichte über die Marke von einer Milliarde gestiegen. Wie die Welttourismusorganisation (UNWTO) in ihrer vorläufigen Jahresbilanz mitteilte, bedeutete dies im Vergleich zu 2011 eine Zunahme um 4,0 Prozent. Für dieses Jahr sei eine weitere Steigerung um 3,0 bis 4,0 Prozent zu erwarten. Die Staaten Europas lockten 2012 mit insgesamt 535 Millionen mehr als die Hälfte der Touristen in aller Welt an. Der Nahe Osten (minus 4,9 Prozent) war aufgrund der Unruhen in Ägypten 2012 weltweit die einzige Region, in der die Zahl der ausländischen Urlauber zurückging.

Nutznießer Spanien

Die Zahl der Touristen steigt, die Urlauber geben in Spanien mehr Geld aus als je zuvor, und in der kommenden Reisesaison dürfte der Zustrom noch ein wenig anschwellen: Es kommt in letzter Zeit nicht gerade häufig vor, dass Spanien mit positiven Wirtschaftsdaten aufwarten kann. Der Tourismus ist in dem - von Rezession und Rekordarbeitslosigkeit gebeutelten - Euro-Krisenland zum wichtigsten Rettungsanker der Wirtschaft geworden.

Spanien ist weltweit eines der wichtigsten Reiseziele. Es lockte 2012 fast 58 Millionen ausländische Urlauber an, 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Ausgaben der Spanien-Touristen stiegen gar um 5,7 Prozent auf die Rekordsumme von 55,6 Milliarden Euro. Bei den Einnahmen der Branche rangiert Spanien nach Angaben der Welttourismusorganisation (UNWTO) weltweit an zweiter Stelle, hinter den USA.

Der Tourismus ist mit einem Anteil von etwa elf Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit Jahrzehnten der Grundpfeiler der spanischen Wirtschaft. Die Bauwirtschaft schien der Reisebranche zeitweise die führende Position streitig zu machen, aber diese Säule brach nach dem Platzen der „Immobilienblase“ vor fünf Jahren weg. Bislang fand Spanien dafür keinen Ersatz. Die Folge ist ein Anstieg der Arbeitslosenquote auf einen Rekordwert von 26 Prozent.

Spanier sparen bei Reisen im eigenen Land

Spaniens Baustellen
Spanien hat wie die anderen südeuropäischen Euro-Länder von den niedrigen Zinsen in der Währungsunion profitiert und einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Ähnlich wie in Irland bildete sich eine Immobilienblase, die mit einem lauten Knall platzte: Der Bausektor fiel in sich zusammen, die Arbeitslosigkeit stieg rasant. Quelle: REUTERS
Seit 2008 stieg die Arbeitslosenquote von knapp über zehn auf fast 25 Prozent. Bei den Jugendlichen ist fast jeder Zweite arbeitslos. Hatten bislang vor allem ungelernte Arbeitskräfte in der Bauwirtschaft und im Servicebereich ihren Job verloren, trifft es jetzt auch qualifizierte Kräfte. Nach einem schwachen Wachstum in der ersten Jahreshälfte 2011 befindet sich Spaniens Wirtschaft jetzt wieder in der Rezession. In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,7 Prozent schrumpfen. Quelle: dpa
Das Hauptproblem: Fortbildungsprogramme und Arbeitsvermittlung wurden bislang vernachlässigt, Teilzeitverträge existierten bislang fast gar nicht. Auf Seiten der Arbeitnehmer haben sich zu viele Angestellte in komfortablen Bedingungen eingenistet. Flexibilität und Mobilität bei Stellensuchenden sind so gut wie gar nicht ausgeprägt. Quelle: REUTERS
Ausgerechnet die Hochqualifizierten bewegen sich nun – mit fatalen Folgen für Spanien. Weil Jobs und Perspektiven für Akademiker fehlen, schauen sich junge Iberer zunehmend im Ausland nach Jobs um. In Deutschland könnte sie fündig werden. Die Bundesregierung warb im vergangenen Herbst um spanische Ingenieure. Mit Erfolg. Bis zum Jahresende 2011 bewarben sich mehr als 14.000 junge Iberer um einen Job zwischen Hamburg und München. Spanien droht nun der „brain drain“. Quelle: dpa
Ein weiteres Problem: Spaniens Regierungschef legt ein hohes Reformtempo vor – doch die Kommunal- und Regionalregierungen zeigen keinerlei Sparbereitschaft. Während die Zentraladministration seit 2001 ihr Personal um 22 Prozent reduziert habe, sei die Belegschaft der autonomen Gemeinschaften um 44 Prozent und die der Gemeinden um 39 Prozent gestiegen, rechnete Antonio Beteta vor, der Staatssekretär für öffentliche Verwaltungen. Quelle: REUTERS
Höhere Sozialausgaben und sinkende Steuereinnahmen aufgrund der Rezession und der Abwanderung von Hochqualifizierende führen zwangsläufig zu einem Anstieg der Verschuldung. Die Gesamtverschuldung liegt derzeit mit knapp 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zwar unter dem Schnitt der Eurozone, aber diese Zahl dürfte bis 2014 rasant wachsen. Die Ratingagentur Moody’s geht davon aus, dass die Verschuldung bis Jahresende bei rund 80 Prozent des BIPs liegen wird. Quelle: dpa
Auch die Finanzmärkte sind skeptisch. Zwar haben die großzügigen Geldausleihen der Europäischen Zentralbank (EZB), bei der sich vor allem südeuropäische Banken mit Liquidität versorgt haben, auch die Renditen spanischer Staatsanleihen auf ein erträgliches Niveau gedrückt. Doch die Anleger verlangten von Spanien zuletzt wieder höhere Renditen als für Italien – ein deutliches Zeichen des Misstrauens. Quelle: REUTERS

Allerdings kommt auch der Tourismus in der Krise nicht ganz ungeschoren davon. Die Wirtschaftsleistung der Branche ging 2012 um 1,6 Prozent zurück. Hotels und Reiseunternehmen tragen nicht zur Schaffung der so dringend benötigten Arbeitsplätze bei. Im Gegenteil: Auch im Tourismussektor werden Jobs gestrichen; nach Angaben des Branchenverbands Exceltur ging 2012 die Zahl der Beschäftigten um 23.000 zurück.

Umsatzeinbußen von mehr als zehn Prozent

Der Rückgang hat seine Ursache darin, dass die Spanier bei Reisen im eigenen Land drastisch sparen. Viele Familien können sich Ferien im Hotel nicht mehr leisten und sehen zu, dass sie im Urlaub bei Freunden oder Verwandten unterkommen. Das Wegbleiben der spanischen Feriengäste bekommen vor allem die Städte im Innern des Landes und das „grüne Spanien“ entlang der Atlantikküste zu spüren. Hotels an den - von Einheimischen bevorzugten - Reisezielen beklagen Umsatzeinbußen von mehr als zehn Prozent.

Der Ansturm von Touristen aus dem Ausland konnte den Einbruch des Inlandsmarkts nicht wettmachen. Allerdings bestätigte er die Formel von „sol y playa“ (Sonne und Strand) als Markenzeichen des spanischen Tourismus: Die Hotels in den klassischen Strandregionen auf Mallorca, den Kanaren oder an der Costa Brava waren 2012 am besten ausgelastet.

"Russisches Wunder"

Allerdings zeichnet sich bei den Auslandstouristen ein neuer Trend ab. Spanien ist dabei, sich aus der Abhängigkeit von den traditionellen Märkten in Großbritannien und Deutschland zu befreien, die mit Abstand das Gros der Urlauber stellen. Man spricht gar von einem „russischen Wunder“: Die Zahl der Touristen aus Russland verdoppelte sich innerhalb von zwei Jahren und überstieg im vorigen Jahr erstmals die Millionengrenze.

Russische Urlauber geben sich auch spendierfreudiger als andere Spanien-Touristen. Sie geben nach Angaben von Branchenverbänden pro Kopf im Durchschnitt 1600 Euro für einen Spanien-Urlaub aus, fast 600 Euro mehr als die Deutschen. „Spanien sollte verstärkt Touristen aus aufstrebenden Staaten wie China, Indien, Brasilien oder Mexiko anlocken, um die traditionelle Dominanz der Briten und der Deutschen zu brechen“, sagte Exceltur-Chef Amancio López der Zeitung „El País“. Urlauber aus diesen Ländern könnten das Wegbleiben spanischer Feriengäste wettmachen.

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