„Sì o No“ Daumen hoch oder runter für Italiens Regierungschef

Nach wochenlangem Wahlkampfgetöse ist es soweit. Italien stimmt über seine Verfassung ab - aber auch über die Regierung von Matteo Renzi. Das Ergebnis muss zeigen, ob es in dem Land endlich vorwärts geht.

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Italien macht sich bereit für die Abstimmung. Quelle: dpa

Schauspieler und Köche haben sich eingeschaltet, Fußballer, Wirtschaftsbosse, US-Präsident Barack Obama sowie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Es ist schon einmalig, dass die Änderung der italienischen Verfassung auf einmal weltweit interessiert. Im Mittelpunkt steht Regierungschef Matteo Renzi, der - zu seinem eigenen Ärger - die Abstimmung am Sonntag zu einem Votum über sich selbst gemacht hat. Scheitert die Reform, die das Regieren einfacher machen soll, so werden der Sozialdemokrat und seine Mannen wohl abtreten müssen. Nach Brexit und Trump-Wahl befürchten viele dann neue Unsicherheiten für Europa.

Umfragen deuten auf ein „Nein“ hin. Aber die Befürworter setzten alle Hoffnungen darauf, dass die Forschungsinstitute - so wie zuletzt bei der Wahl von Donald Trump in den USA - irren. Ausgeschlossen ist nichts, der Ausgang ist völlig offen. Wir setzen auf die Unentschiedenen, rief Renzi seinen Unterstützern bei der Abschlusskundgebung der Kampagne in Florenz noch einmal zu. Nichts weniger als die Zukunft des Landes hänge von dem Referendum ab.

Renzis wichtigste Reformprojekte

Man kann wohl nur in dem derzeitigen europäischen Krisenmodus so leidenschaftlich über trockenes Paragrafenitalienisch diskutieren. Kernpunkt ist, den Senat zu verkleinern und die Gesetzgebung zu beschleunigen. Aber die Folgen, sollte Renzi zurücktreten, wären über Italiens Grenzen hinaus spürbar. Viele würden darin lesen, dass die Populisten von der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung oder der rechten Lega Nord weiter Zulauf bekommen - ein ungemütliches Szenario für die EU, aber auch für die Bundesregierung von Angela Merkel, die ein gutes Verhältnis zum EU-Freund Renzi pflegt.

Aber die Abstimmung ist auch ein sehr innenpolitisches Thema. Der zähe Wahlkampf erzählt viel über das Land, das in 70 Jahren 63 Regierungen gesehen hat. Es sind nicht nur die „Abgehängten“, von denen nach der Trump-Wahl überall die Rede ist, oder die „Wutbürger“, die gegen die Globalisierung und die Eliten stimmen wollen. Es sind viele gut situierte, gebildete Leute, die gegen die Reform sind. Und gerade bei den jungen Leuten gibt es laut Umfragen viele Nein-Sager, bei ihnen kommt der selbst erst 41 Jahre alte Renzi nicht gut an.

„Man kann so eine Reform vielleicht in Schweden oder in Deutschland machen - aber nicht in Italien, wo es so viele korrupte Politiker gibt“, sagt die Rechtsanwältin Giovanna Rossi. „Wenn Gesetze nicht mehr von zwei Kammern abgesegnet werden, ist die Tür für Kriminelle doch noch viel weiter offen.“

Vielen Wählern geht es wirklich um die Reform und nicht um Renzis Schicksal und schon gar nicht um das Europas oder das von Angela Merkel. „Ihr im Ausland seht das vielleicht anders. Hier ist es doch egal, welche Regierung wir haben, sie sind eh alle gleich“, meint Giovanna.

Politikverdrossenheit gehört in Italien zum guten Ton. Vor Regierungskrisen fürchten sich wenige. Es ging ja doch immer weiter, mal schlechter, mal besser, aber es ging weiter.

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