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Coco-Mat: Gutes Marketing

Kostas Maltezos Quelle: Nikos Pilos für WirtschaftsWoche

Noch gibt es zu wenige Firmen dieses Kalibers, und noch sind sie zu klein, um ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen. Aber die folgenden Beispiele zeigen, was möglich ist, wenn Unternehmen die Stärken des Standorts nutzen. Das Gastgewerbe, aber auch Nahrungsmittelhersteller und die Naturkosmetikbranche etwa profitieren von der unverbrauchten Natur. Allen Unternehmen kommt das hohe Ausbildungsniveau zugute: Viele Griechen haben im Ausland studiert, kehren mit internationaler Erfahrung zurück in ihre Heimat. Mitarbeiter des US-Giganten General Electric etwa, die ihren Zulieferer Raycap auf Kinderarbeit überprüften, waren überrascht vom Know-how der Ingenieure.

Gleichzeitig sind griechische Unternehmen nicht fixiert auf Diplome und fördern ungewöhnliche Karrieren. So lässt Coco-Mat-Gründer Pavlos Evmorfidis, der sein Verkaufstalent erstmals bei einem Nebenjob in der Athener Altstadt Plaka trainierte, sein Unternehmen heute von einem ehemaligen Vertreter führen, der sein Berufsleben in einem Andenkenladen begann.

Das Geschäft mit Luxusliegeflächen

Der Reißverschluss war die Lösung. Ausländische Kunden würden einem griechischen Produkt misstrauen, befürchtete Evmorfidis, als er den Matratzenhersteller 1989 gründete. Folglich sollte jeder sehen können, woraus seine Ware im Inneren besteht: ausschließlich aus natürlichen Materialien wie Latex, Wolle und Kokosfasern.

„Als wir anfingen, haben sich alle über uns lustig gemacht“, erinnert sich Evmorfidis, ursprünglich Sportlehrer. In seinem Zweitjob als Verkäufer in einem Juwelierladen in Athens Altstadt hatte ein Kunde ihn gefragt, wo er Matratzen kaufen könnte. Evmorfidis entdeckte eine Marktlücke und recherchierte, wie die Menschen in Griechenland früher geschlafen hatten. Er stieß auf Sokrates, den griechischen Philosophen, der sich auf Seetang bettete. Also verarbeitet auch er Seetang in seinen Matratzen, die in der einfachsten Ausführung 1600 Euro kosten. Die Edelversion, ein vierlagiges Bett, kostet 7000 Euro. Es kommt ohne Besucherritze aus, bietet aber denselben Schlafkomfort wie getrennte Matratzen.

Einen Markt für die Luxusliegeflächen gibt es sichtlich. Allein in China eröffnete Coco-Mat 2011 fünf neue Geschäfte zusätzlich zu den vier bereits bestehenden. In den USA sollen in den kommenden drei Jahren 20 hinzukommen. Seit 2009 ist Coco-Mat in Hamburg mit einem Laden vertreten, in diesem Jahr wird Berlin folgen.

Mit rund 220 Mitarbeitern erzielte Coco-Mat 2011 einen Umsatz von 63 Millionen Euro. Produziert wird fast ausschließlich im nordgriechischen Xanthi. Eine Fabrik in China stellt Daunendecken und Bettwäsche her, die auch zum Sortiment gehören.

Keine Werbung nötig

Coco-Mat hebt sich durch sein Marketing von der internationalen Konkurrenz ab. Das Unternehmen macht kaum Werbung, sondern vermarktet seine Produkte stark über Hotels, die 30 Prozent Nachlass bekommen. Auslöser war das positive Echo im Hotel Sofitel am Flughafen Athen, wo Gäste nach einer gut gebetteten Nacht häufig nach den Matratzen fragten und sie sich bis nach Australien und Alaska liefern ließen. Mittlerweile schlafen Gäste in mehr als 1500 Hotels auf Matratzen von Coco-Mat.

Das Unternehmen gehört der Familie Evmorfidis und einem Geschäftspartner. Auf Banken ist es nicht angewiesen: „Wir verzichten bewusst auf Darlehen, was unsere Arbeit erheblich entspannt“, sagt Geschäftsführer Maltezos, an den der Firmengründer das Tagesgeschäft abgegeben hat.

Der drahtige Evmorfidis sprudelt allerdings immer noch vor Ideen, wie Coco-Mat verändert werden kann. Seinen Mitarbeitern zahlt er fünf Prozent mehr Gehalt, wenn sie aufhören zu rauchen. Wer mit dem Fahrrad ins Büro kommt, bekommt drei Prozent mehr. Im Sommer will er mit wechselnden Beifahrern und einem Anhänger von Athen nach Berlin radeln. Höchstpersönlich will er Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Matratze aus seiner Produktion liefern: „Damit sie sieht, dass wir Griechen auch produzieren können.“ Evmorfidis versteht etwas von Marketing.

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