Schuldenkrise Zehn Fragen und Antworten zum griechischen Drama

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Die Vorhaben der Syriza-Partei

8. Wird die Syriza-Partei ihre unrealistischen Wahlversprechen brechen?

In dieser wichtigen Frage, die nicht nur über die Zukunft der Regierung, sondern auch über das Schicksal des ganzen Landes entscheidet, ist Syriza tief gespalten. Man darf nicht vergessen: Es handelt sich nicht um eine organisch gewachsene politische Partei, die auf der Basis eines gemeinsam erarbeiteten Programms steht. Das „Bündnis der radikalen Linken“, so der offizielle Name, ist Sammelbecken für ein Dutzend ideologisch ganz unterschiedlicher Gruppen und Grüppchen. Das Spektrum reicht von ehemaligen moskautreuen Kommunisten über Neomarxisten, Trotzkisten und Maoisten bis hin zu Linkssozialisten. Alexis Tsipras, der Syriza seit 2008 führt, scheute bisher die programmatische Klärung. Das wird nun zu einem Problem. Denn der linksextreme, europafeindliche Flügel, der etwa ein Drittel der Partei ausmacht, pocht darauf, dass die Regierung ihre Wahlversprechen eins zu eins umsetzt. Dass dies zum Staatsbankrott führen und Griechenland aus dem Euro und letztlich auch aus der EU katapultieren würde, stört die Linksextremisten nicht – es ist sogar ihr Ziel.

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9. Steht die griechische Bevölkerung hinter dem Konfrontationskurs der Syriza-Regierung gegenüber den Geldgebern?

Obwohl es in der Athener Regierung bisher alles andere als rundläuft und die Beziehungen zu den europäischen Partnern äußerst gespannt sind, steht die große Mehrheit der Griechen hinter Alexis Tsipras. In einer repräsentativen Meinungsumfrage, die eine Woche nach der Wahl durchgeführt wurde, erklärten 70 Prozent der Befragten, Tsipras mache seine Sache gut. In einer weiteren Erhebung Mitte Februar kam der Links-Premier sogar auf eine Zustimmungsquote von fast 80 Prozent – der höchste Wert, der in Griechenland jemals für einen amtierenden Regierungschef gemessen wurde. Auf die Frage, welche Gefühle sie mit der neuen Regierung verbinden, nennen 52 Prozent „Hoffnung“ und 25 Prozent „Stolz“. Nur zwölf Prozent der Befragten schämen sich für die Tsipras-Regierung. Auch für seine Entscheidung, eine Koalition mit der ultranationalen, rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen zu bilden, bekommt Tsipras viel Applaus: sechs von zehn Befragten billigen das Bündnis. Die Meinungsumfragen geben aber zugleich ein widersprüchliches Bild: So befürworten etwa sieben von zehn Griechen den harten Kurs der Regierung gegenüber den Geldgebern. Andererseits wollen ebenso viele am Euro festhalten – und zwar „um jeden Preis“. Immerhin jeder zweite Grieche hält, den Demoskopen zufolge, den Staatsbankrott für eine „reale Gefahr“.

10. Wie ernst ist die Drohung mit Neuwahlen, und was wäre das wahrscheinliche Ergebnis?

Syriza hat einen beispiellosen Aufstieg hinter sich: von 4,6 Prozent bei den Wahlen von 2009 über fast 27 Prozent im Jahr 2012 auf mehr als 36 Prozent bei dem Urnengang Ende Januar. Die Krise bescherte Syriza einen gewaltigen Zulauf, vor allem von enttäuschten Wählern der sozialistischen Pasok. Auch wenn die Regierung jetzt öffentlich mit dem Gedanken an Neuwahlen spielt: Ein weiterer Wahlkampf würde das Land politisch und ökonomisch auf Wochen hinaus lähmen und mit großer Sicherheit zu einem Zahlungsausfall führen. Die Versuchung, die Wähler zu den Urnen zu rufen, wenn die Gläubiger hart bleiben und keine neuen Kredite herausrücken, ist für Tsipras dennoch groß. Denn aktuelle Umfragen lassen erwarten, dass er seinen Vorsprung ausbauen könnte: Nach 36,3 Prozent bei der Wahl Ende Januar liegt Syriza in einer Anfang März veröffentlichten Umfrage bei 41,3 Prozent. Damit könnte er ohne Koalitionspartner regieren. Selbst wenn es zu einem Bruch mit der EU kommen sollte, würden viele Griechen das nicht ihrer Regierung anlasten – sondern den Europäern.

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