Griechenland
Die griechische Tragödie wurde 2012 um gleich mehrere Akte reicher. Zwei Mal mussten die Bürger des Euro-Pleitestaates in diesem Jahr zur Wahl antreten. Zwischenzeitlich drohte die Machtübernahme des linksradikalen „Syriza“-Bündnisses, das sämtlichen Sparversprechen aufkündigen wollte. Schließlich erhielt aber der Konservative Antonis Samaras die meisten Stimmen, Griechenland versprach, den Reformkurs fortzusetzen.
Zum Teil stimmt das. Um sechs Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt wurde das Haushaltssaldo in nur zwei Jahren verbessert. Auch bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gibt es Fortschritte: Die Lohnstückkosten sind seit 2009 rückläufig. Zum Lohn halten die internationalen Geldgeber dem Land weiterhin die Treue. Ende November wurde verabredet, die nächsten Tranchen des Rettungspakets auszuzahlen.
Doch an der misslichen Lage Griechenlands hat sich nichts geändert. Die hellenische Wirtschaft ist binnen fünf Jahren um mehr als 20 Prozent geschrumpft. Für 2013 wird mit einem weiteren Minus zwischen 4,2 bis 4,5 Prozent gerechnet. Die Arbeitslosenquote liegt auf einem Rekordstand von 25,4 Prozent. Die Stimmung ist explosiv. Gewerkschaften und „Syriza“ rufen zu Massenprotesten und einen Kurswechsel auf. Die Regierung genießt kaum öffentlichen Rückhalt, die Koalition nicht per se krisenfest.
Griechenlands Abschlusszeugnis 2012
Präsident Samaras konnte im Sommer erst im zweiten Versuch eine Koalition bilden. Laut Umfragen ist die Mehrheit inzwischen gegen den Konservativen. Die Gewerkschaften rufen immer wieder zu Massendemonstrationen auf.
Note: 4
Auch wenn die Troika den Griechen ein positives Zeugnis ausstellt: Wirklich vorangekommen ist Athen erneut nicht. Die Öffnung der geschlossenen Berufe kommt nicht voran, Investoren meiden das Land weiter.
Note: 5
Das Defizit wird bei knapp sieben Prozent in diesem Jahr liegen. Dennoch leistet sich das Land den Kauf von Rüstungsgütern. Auch bei der Privatisierung von öffentlichen Unternehmen und Grundstücken kommt das Land nicht voran.
Note: 5
Griechenland bleibt das Euro-Sorgenkind Nummer 1. Fortschritte sind erkennbar, keine Frage. Doch angesichts der dramatischen Finanzlage sind die Verbesserungen zu gering und kommen zu langsam.
Note: 5
Auch bei der Umsetzung von Strukturreformen bleibt noch viel zu tun. Ein Beispiel sind die "geschlossenen Berufe". Die Zahl der Ärzte, Apotheker, Architekten, Taxifahrer und Rechtsanwälte ist streng reglementiert. Der Staat bestimmt im Dialog mit den Berufsverbänden, wer eine Tätigkeit ausüben darf, wo dies geschieht und welche Tarife verlangt werden dürfen. In über 80 Berufen gibt es in Griechenland keinen Wettbewerb.
Die Weltbank stuft Griechenland in der Rangliste der Wirtschaftsfreundlichkeit 2011 auf Platz 100 ein, weit hinter den weiteren Euro-Krisenländern Spanien und Italien und nur einen Platz vor Papua-Neuguinea. Die Weltbank kritisiert: Die Ausstellung von Baugenehmigungen dauert zu lange, Firmengründungen sind kompliziert und die Kreditvergabe intransparent.
Und: Klientelpolitik bestimmt den politischen Alltag. Im Parlament verhindern Anwälte und Notare eine Liberalisierung ihres Berufszweigs, auf regionaler oder kommunaler Ebene werden Posten in der öffentlichen Verwaltung nach der Farbe des Parteibuchs vergeben. Die Qualität der Mitarbeiter ist zweitrangig. Griechenland hat mit knapp 25 Prozent den europaweit höchsten Anteil von Staatsbediensteten an der Gesamterwerbsbevölkerung. An einen Stellenabbau denkt kaum einer.
Das Land sitzt nach Angaben des Finanzministeriums kurz vor Jahresende auf einem Schuldenberg von 340,6 Milliarden Euro. Das sind fast 170 Prozent der Wirtschaftsleistung - Tendenz steigend.