Schuldenkrise Griechenlands Wirtschaft nutzt ihre Chancen nicht

Griechenland müsste eigentlich in der Lage sein, qualitativ hochwertiges Olivenöl und exzellenten Wein herzustellen - und zu exportieren. Doch das Land verschleudert sein Talent. Der Deutsche Markus Stolz versucht, gegenzusteuern.

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Griechisches Olivenöl geht Kanister weise ins Ausland, hauptsächlich nach Italien, wo es mit italienischem Olivenöl verschnitten wird. Das Endergebnis landet dann als teures Qualitätsprodukt auf dem Markt – zumeist mit italienischem Etikett. Quelle: dpa

Griechenland hat alles, findet Markus Stolz. Er spricht von Landschaft, Historie und Kultur und "herausausragenden Produkten" – aber auch von Marketingschwächen. Er ist von Griechenlands Potenzial überzeugt, denn er lebt bald ein Jahrzehnt in Athen und ist seit den Neunzigern mit einer Griechin verheiratet. Doch da gibt es dieses große "aber", das die Hellenen an ihrem wirtschaftlichen Erfolg hindere. Genau hier hat Stolz angesetzt – und ist mit seinem Konzept erfolgreich.

Der ehemalige Derivatehändler machte sein Hobby zum Beruf, nachdem er durch die Bankenkrise mit seinem alten Job immer unzufriedener wurde: Er führt heute einen griechischen Weinexporthandel.

Markus Stolz ist in Griechenland angekommen. Wenn er von den Vorzügen des Landes spricht, das er seine Heimat nennt, sieht man die Berge Athens, die Olivenhaine und ein gutes Essen in der Taverne vor sich. Er spricht von Käse, Wein, Früchten und Olivenöl, aber auch von der Kreativität der jungen Griechen.

Früher Banker, heute Wein-Exporteuer. Der Deutsche Markus Stolz ist von Griechenlands Potenzial überzeugt. Quelle: WirtschaftsWoche Online

Doch das Land mache nicht genug aus dem eigenen Potenzial. Es gebe so viel, was die Griechen nützen könnten. "Und was wird gemacht?", fragt Stolz energisch nach seiner schwärmerischen Produktbeschreibung als wäre er griechischer Tourismusbeauftragter. "Nehmen wir das Olivenöl: Griechenland ist der größte Hersteller und ich glaube es ist auch bekannt, das es eine gute Qualität hat, aber es gibt nicht einmal anständige Abfüllanlagen und dann wird es zum Spottpreis nach Italien exportiert."

Es ist ein offenes Geheimnis: Das griechische Öl wird offen verkauft – in großen Kanistern. Damit entgeht den Griechen die Möglichkeit es selbst als Produkt in Flaschen in großer Zahl auf den Markt zu bringen. Stattdessen geht das Olivenöl Kanister weise ins Ausland - hauptsächlich nach Italien, wo es mit italienischem Olivenöl verschnitten wird.

Das Endergebnis landet dann als teures Qualitätsprodukt auf dem Markt – zumeist mit italienischem Etikett. Damit kassieren letztendlich die italienischen Unterhändler und nicht die griechischen Erzeuger das wirklich Geld mit dem Qualitätsprodukt. Besonders paradox: Ein großer Teil des Öls macht sogar den Weg zurück in die griechischen Supermarktregale.

Olivenöl ist repräsentativ für die Probleme der griechischen Wirtschaft: Infrastruktur, Fortschritt und Marketing. Beim Olivenöl mangelt es häufig an Abfüllanlagen, um es in wirtschaftlich wirklich rentablen Mengen zu produzieren. Hinzu kommt, dass es sehr viele Familienproduzenten gibt. "Das ist tolle Qualität, eben wie auch beim Wein. Diese Menschen haben aber oft nicht das nötige Fachwissen, um Dinge zu ändern", sagt Stolz. Weder was die Produktion, noch das richtige Marketing angeht.

Ineffiziente Infrastruktur

Das produzieren die Griechen
Sinkendes BIP, steigende ExporteDas griechische Bruttoinlandprodukt sank 2011 laut Internationalem Währungsfonds zum dritten Jahr in Folge – und jedes Mal wird der Rückgang größer. 2009 sank die Wirtschaftsleistung erstmals um 2,34 Prozent, vergangenes Jahr waren es schon fünf Prozent. Insgesamt trägt die Industrie nur ein Zehntel zur Wirtschaftsleistung bei. Immerhin steigen die Exporte. Lag das Saldo der griechischen Handelsbilanz laut der Welthandelsorganisation vor vier Jahren noch bei -66,2 Milliarden US-Dollar, waren es 2010 nur noch -41,76 Milliarden. Nun veröffentlichte das griechische Statistikamt, das vergangenes Jahr die Exporte um 9,4 Prozent gestiegen seien – ausgelassen haben die Statistiker dabei Mineralölprodukte und Schiffe. Doch was macht die griechische Industrie eigentlich aus? WirtschaftsWoche Online wirft anhand von kürzlich veröffentlichten Zahlen des Deutschen Instituts für Weltwirtschaft (DIW) einen Blick auf die zehn größten verarbeitenden Gewerbe Griechenlands. Quelle: dpa
10. MaschinenMaschinen haben für die griechische Produktion nicht die gleiche Bedeutung, wie in Deutschland. Sie liegen laut DIW lediglich an zehnter Stelle der griechischen Industrien. Ihr Anteil macht gerade mal zwei Prozent an der Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe aus. In der gesamten Europäischen Union beträgt der Anteil 10,9 Prozent. 2010 betrugen die Exporte griechischer Maschinen 1,9 Millionen Euro, gleichzeitig wurden Maschinen im Wert von 11,5 Millionen Euro importiert. Das macht ein Saldo von -9,6 Millionen Euro. Das Bild zeigt einen BMW auf der Automesse in Athen. Quelle: AP
9. Elektrische AusrüstungenElektrische Ausrüstungen liegen für die griechische Industrie an neunter Stelle. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in Griechenland macht 2,5 Prozent aus – in der EU sind es insgesamt 5,4 Prozent. Quelle: dpa
8. Chemie4,3 Prozent der griechischen Produktion sind chemische Erzeugnisse – ausgenommen ist dabei Mineralöl. In der EU beträgt der Produktionsanteil chemischer Waren generell 6,9 Prozent. Die griechischen Chemie-Ausfuhren sind 2010 laut DIW auf 2,4 Milliarden Euro gestiegen. 2009 waren es noch 2,1 Milliarden Euro. Das Handelsbilanzsaldo chemischer Erzeugnisse aus Griechenland sank somit auf -4,9 Milliarden. Quelle: dapd
7. Textilien und LederwarenBei Stoffen, Leder und Bekleidung ist der Anteil an der griechischen Produktion größer als in der Gesamt-EU. Sie stellen 4,7 Prozent der Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes, der Anteil ist generell in der EU nur 4,1 Prozent. Quelle: dpa
6. Medizin Der einzige griechische High-Tech-Zweig, der international mithalten kann, ist die griechische Pharmaindustrie, die sich hauptsächlich rund um Athen befindet und auf Generika spezialisiert ist. Pharmazeutika stellen 5,6 Prozent an der griechischen Produktion, in der EU sind es insgesamt nur 4,6 Prozent. Quelle: dpa
5. Gummi- und Kunststoffwaren, Glas, Keramik, Steine und ErdenAcht Prozent am verarbeitenden Gewerbe in Griechenland macht die Produktgruppe rund um Gummi-, Glas- und Steinprodukte aus. In der EU sind es allgemein neun Prozent. Quelle: dpa/dpaweb

Ungenutztes Potenzial zeigte sich in den vergangenen Jahren aber nicht nur beim weltberühmten Olivenöl. Ein weiteres Traditionsprodukt der Hellen, der Joghurt, ist in den USA seit rund zwei Jahren ein großer Trend. Amerikaner kaufen so viel griechischen Joghurt, das sich das Joghurt-Business zu einem Millionengeschäft entwickelt hat.

Die besten Aussichten, auf diesen Zug aufspringen zu können, hatte eigentlich Fage, der größte Produzent von griechischem Joghurt. Seit den Siebzigern exportierte das Unternehmen, das 1912 in Athen gegründet wurde, bereits in die USA. Als die Verkäufe dann vor einigen Jahren anstiegen, entschied man sich neben der heimischen Molkerei einen Standort in Übersee zu bauen. Daraufhin wurde 2008 in Johnston im US-Staat New York die Joghurt-Produktion begonnen.

Allerdings einige Jahre zu spät: Bereits 2005 hatte ein andere Firma begonnen griechischen Joghurt vor Ort zu produzieren und den US-Markt im großen Stil zu erobern: Chobani Greek Yoghurt, heißt der Joghurt Nummer eins, wenn es um das Milchprodukt mit griechischem Stempel geht.

Die Maßnahmen des griechischen Sparpakets

Produziert wird er aber nicht von Griechen: Der Inhaber ist ein türkischer Einwanderer namens Hamid Ulukaya. "Fage hat sein Geschäft dort zwar aufgebaut, aber den Boom dann einfach komplett verschlafen", sagt Stolz. Sein hartes Fazit aus diesen Geschichten: "Griechenland verliert."

Solche klaren Worte fand auch der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz bei seinem Athen-Besuch im Mai dieses Jahres: "Wir müssen einsehen: Die griechische Wirtschaft ist derzeit nicht wettbewerbsfähig. Das sind harte ökonomische Fakten. Die bestehen unabhängig davon, ob Griechenland in der EU und im Euro ist oder nicht."

Diese fehlende Wettbewerbsfähigkeit nahm auch ifo-Präsident Hans-Werner Sinn auf, um Preissenkungen für die Euro-Krisenländer zu fordern: "Wenn Griechenland um 37 Prozent billiger würde, wäre es so teuer wie die Türkei. Die Touristen kämen zurück, und die Griechen würden aufhören, holländische Tomaten und italienisches Olivenöl zu kaufen", schrieb der Ökonom in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche. Jedes Land werde wettbewerbsfähig, wenn es nur billig genug sei.

"Und warum sind griechische Tomaten teurer als holländische?" fragt der Wahl-Grieche Stolz. Seine Antwort: Es bestehe keine effiziente Infrastruktur. "Es ist leider billiger, einen Container Tomaten von Rotterdam nach Piräus zu schicken, als die gleiche Menge griechischer Tomaten vom Land nach Athen zu befördern." Hier müsste angepackt werden, um genau das zu ändern, damit die gleichen Produkte aus dem Inland preisgünstig ans Ziel gebracht werden können.

Konkurrenzdenken funktioniert scheinbar nicht

Die größten Nettoempfänger der EU
Ein bulgarischer Landwirt hält eine Nationalflagge während Protesten in Sofia Quelle: dpa
Eine Frau mit einer Rumänischen Flagge Quelle: dapd
Blitze über Bratislava Quelle: dpa
Die Altstadt von Vilnius Quelle: AP
Blick aus dem Rathausturm in Prag Quelle: dpa
Die Projektion der portugiesischen auf einem historischen Gebäude Quelle: REUTERS
Das ungarische Parlament Quelle: dpa

Ein weiteres Problem der Griechen: Kartelle – oftmals auch aus dem Ausland. "Warum kostet ein Liter Milch oder eine Butter deutlich mehr als im Rest von Europa? Warum ist der IKEA in Griechenland der teuerste in ganz Europa? Warum kostet es dreimal so viel, ein Paket von der griechischen DHL Tochter nach Deutschland zu schicken, als von der deutschen Muttergesellschaft nach Griechenland zu schicken?", fragt Stolz. "Hier spielen doch letztendlich kapitalistische Interessen eine maßgebliche Rolle".

Eine Besonderheit der Griechen: Konkurrenzdenken funktioniere scheinbar im Gegensatz zu anderen Ländern nicht. "Die Preise vieler Produkte werden absichtlich ungerecht hoch gehalten", so Stolz. Es sei deshalb ein wichtiger Schritt, hier einschneidende Veränderungen durchzusetzen. Zudem seien viele mittelständische Unternehmen von einem "alten Denken" geprägt: "Die Griechen gehen meist noch davon aus, dass Kontakte zu anderen einflussreichen Griechen der Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen sind. Man versucht also Vorteile durch solche Kontakte zu erzielen, und gibt damit einen Teil der eigenen Unabhängigkeit auf, anstatt sich auf die eigenen Kunden zu konzentrieren."

Zunächst nur Absagen

Bei seinem ganz eigenen Projekt, das er 2009 in Athen anging, bekam er die griechischen Probleme selbst zu spüren. Als er für seinen Weinexporthandel Kontakt zu Weinhändlern und Winzern aufnahm, bekam er zunächst nur Absagen: "Ich musste den Weinhändlern hinterherlaufen, um überhaupt eine Preisliste zu bekommen."

Zu diesem Zeitpunkt war das Geschäft im eigenen Land noch gut und das Interesse daran, Mehraufwand zu machen, um im Ausland Abnehmer zu finden, zu gering. Jetzt, 2012, könne er sich vor Anfragen kaum retten: "Ich bekomme ständig Telefonanrufe und Probeflaschen geschickt. Alle wollen exportieren – etwas machen. Ich meine es gehört mehr dazu, als nur der Wille, aber das hat sich schon geändert."

Marketing – eine große Schwäche der Griechen. "Ich denke immer, um ein Geschäft erfolgreich aufzubauen, muss man im Endeffekt auch eine Beziehung zum Konsumenten herstellen. Man muss präsent sein – und ich glaube das ist etwas, was viele Leute in Griechenland noch nicht ganz verstanden haben." Das wollte er mit seinem Projekt verändern.

Ein weiteres Ziel: die griechischen Abhängigkeiten durchbrechen. Stolz stellte mit seinem Weinhandel "das bestehende Modell auf den Kopf", wie er sagt: "Üblich ist, dass jemand bestimmte Weingüter vertritt, und dann gegen Kommission die Weine dieser Weingüter vermarktet. Damit besteht also ein Geschäftsverhältnis zwischen diesen beiden Parteien, und dadurch bedingt, eine gewisse Abhängigkeit." Das schaffte eine weitere Hürde und Kosten für die Winzer, die dadurch weniger einnehmen. Aber es ist in Griechenland so Tradition. Stolz wollte bewusst unabhängig arbeiten, "keinerlei Verpflichtungen gegenüber der griechischen Weinindustrie haben".

Schlechtes Marketing zeigt sich in vielen Projekten

Was aus den Rettungsplänen wurde
GeuroEs war eine Idee des früheren Deutsche-Bank-Chefvolkswirts Thomas Mayer: Griechenland führt eine Parallelwährung ein, den Geuro, der neben dem Euro im Land zirkuliert. Unternehmen könnten dann ihre Beschäftigten mit dem Geuro bezahlen, diese sich  dafür Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter kaufen. Da sich die neue Parallelwährung gegenüber dem Euro schnell abwerten würde, wären griechische Produkte und Dienstleistungen – hier vor allem der Tourismus – schnell wieder wettbewerbsfähig. Nach außen hin könnte das Land weiter in Euro rechnen. Es blieb eine Idee. Quelle: dapd
Striktes SparprogrammGriechenland spart sich gesund. Der Plan sieht vor, dass Griechenland 2013 und 2014 gut 11,5 Milliarden Euro einspart – durch Kürzung der Gehältern der Staatsbediensteten sowie der Renten, des Verteidigungsetat und so weiter. Dass Griechenland seine Sparpläne einhält, glaubt kaum noch jemand. Die Prüfungskommission Troika wurde bisher bitter enttäuscht. Auch Regierungschef Antonis Samaras trägt nicht zum Vertrauen in die Sparbemühungen bei, wenn er wie Ende August geschehen bei den Schuldnerländern um einen Aufschub bis 2016 bittet. In wenigen Wochen wird die Troika ihren neuen Bericht vorlegen, dann wird man sehen, was Griechenland bisher erreicht hat. Quelle: dpa
'Grexit" - Zurück zur DrachmeDas Land erklärt sich bankrott, steigt aus der Europäischen Währungsunion aus und kehrt zur Drachme zurück. Jahrelang warnten Euro-Politiker vor Ansteckungseffekte einer Griechenland-Pleite. Spanien, Italien oder Portugal würden dann ebenfalls in den Abgrund getrieben, hieß es einstimmig aus Brüssel. Doch die Stimmung hat sich gedreht. Das Risiko eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion wird in den Ländern der Euro-Zone mittlerweile für beherrschbar gehalten. Das "Grexit-Szenario" bleibt eine Option, sollte Griechenland seine Sparpläne nicht in die Tat umsetzen. Quelle: dpa
Konzept "Südo"Die Teilung des Euro in eine Gemeinschaftswährung der Südländer (Südo) und der Nordländer (Nordo) käme zwar vor allem Griechenland, aber auch Italien, Spanien und Portugal zugute. Da eine Abwertung des  Südo gegenüber dem Nordo die unmittelbare Folge einer solchen Teilung wäre, würde sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Euro-Krisenländer entsprechend verbessern. Mit einer solchen Aufteilung wäre die Währungsunion langfristig ökonomisch stabil. Doch die Politik stellt sich quer – das Festhalten an der Einheitswährung ist europäische Staatsräson. Quelle: dapd
Projekt EurekaEs war eine geniale Idee der Unternehmensberatung Roland Berger: Der griechische Staat verkauft große Teile seines Staatsbesitzes – an Kulturgüter wie die Akropolis war dabei allerdings nicht gedacht – an eine europäische Treuhandanstalt. Mit dem Erlös hätte Griechenland seine Auslandsschulden abtragen können. Die Treuhand hätte dann rund 30 Jahre Zeit gehabt,  die griechischen Staatsunternehmen zu sanieren und zu verkaufen. Deutsche und griechische Politiker hatten durchaus Sympathien für diesen Plan mit dem Namen „Eureka“. Doch es wurde nichts daraus. Quelle: dapd
Konzept "Fixit"Um den Griechen das Leben in der Europäischen Währungsunion zu erleichtern, könnten auch finanziell starke und hoch wettbewerbsfähige Länder die Euro-Zone verlassen. So haben etwa die Finnen angekündigt, sie könnten auch ohne Euro leben. Würden die Finnen tatsächlich austreten (Fixit) und machen die Niederlande, Estland und vor allem Deutschland diesen Schritt mit, würde das Griechenland die fällige Anpassung erleichtern. Vom Tisch ist diese Option noch nicht – der Schlüssel dazu liegt bei der Regierung in Helsinki. Quelle: dpa
Geld druckenEs ist der bequemste aller Auswege – und damit der wahrscheinlichste. Die Europäische Zentralbank (EZB) wirft die Notenpresse an. Und das geht so: Die Regierung in Athen gibt Staatsanleihen aus, griechische Banken kaufen die Titel auf und hinterlegen sie bei der EZB. Dafür bekommen sie frisches Zentralbankgeld. Darüber hinaus denkt die EZB darüber nach, wie sie weitere Staatsanleihen der Krisenländer vom Markt nehmen kann. Die Deutsche Bundesbank ist mit ihrem Widerstand gegen dieses Programm isoliert. 'Not kennt kein Gebot', lautet das Motto von EZB-Präsident Mario Draghi – und so ist der Staatsfinanzierung durch die Notenbank Tür und Tor geöffnet.    Quelle: dpa

Er begann in einem Blog Geschichten über griechische Weine und Weingüter zu erzählen, um Interesse zu wecken, nutzte soziale Netzwerke. Alles mit einem Gewissen Risiko, denn das finanzierte Stolz aus eigener Tasche. Der Mut lohnte sich aber: "Nach und nach erhielt ich den Ruf des griechischen Weinexperten. Radiointerviews und Zeitungsartikel folgten nach und nach". Ein Auftritt in einer Fernsehshow über Wein öffnete dem Ökonomen schließlich die Türen in die USA. Seitdem wächst Stolz' Geschäft in den USA.

Die Kommission für Stolz zahlt der Importeur. Mit diesem Geschäftsmodell behält er seine Unabhängigkeit gegenüber der griechischen Weinindustrie. "Ich brauche niemanden Gefallen zu tun, oder Weine anzubieten, weil ich irgendwelche Verpflichtungen habe. Das Geschäftsverhältnis liegt zwischen mir und dem Importeur, nicht dem Weingut", so Stolz.

Griechischer Wein habe aber vor allem noch ein Imageproblem: "Die Weine, die in den letzten 10, 15 Jahren exportiert wurden, waren nicht die besten Weine. Es sind vor allem nach Deutschland Weine verkauft worden, die keine gute Qualität hatten und die in Deutschland unten auf den Boden zum Bücken gestellt wurden." Retsina sei das beste Beispiel dafür.

Fragt man Deutsche nach einem griechischen Wein, so ist es meist dieser weiße, trockene mit Hartz versetzte Tafelwein, der genannt wird. Über Jahrzehnte war es der "Billig-Fusel" den die Jüngsten kauften. Oder die, denen egal war, wie es schmeckt. Griechenlandurlauber kehren zudem besonders gerne in der traditionellen Taverne ein, für ein gutes griechisches Essen. Aber auch für griechischen Wein? Meistens nichts für Feinschmecker. Denn in der süßen kleinen Taverne Griechenlands werden zumeist offene Hausweine serviert. Der Wein stammt dann häufig von den eigenen Reben oder denen des Hobbywinzers von nebenan. Qualitätsprodukte können Touristen hier somit zumeist nicht erwarten.

Dadurch wurde griechischer Wein vielerorts Synonym für schlecht schmeckenden Wein. Kein Wunder also, dass griechische Weine im Ausland ein recht schlechtes Image hat. Stolz' Erklärung: "Die griechische Weinwirtschaft hat viele Jahre versäumt, gute Marketingaktivitäten im Ausland zu machen."

Zukunftsszenarien für Griechenland

Schlechtes Marketing, wie beim Wein, zeige sich in vielen Projekten: "Ich überlege jeden Tag, wie man auch andere griechische Produkte im Ausland vertreiben kann." Stolz arbeitet deshalb mit verschiedenen Unternehmen zusammen, um sie zu unterstützen und neue Geschäftskonzepte in Griechenland zu etablieren, die wirtschaftlich sind.

Denn nicht nur Markus Stolz' Weinexport ist ein Beispiel für Potenzial und Wirtschaftlichkeit in Griechenland. "Griechenland muss dieses Potential nutzen und beispielsweise mit seinen Häfen eine zentrale Rolle im Handel spielen", sagte Schulz in Athen und sprach damit genau solch ein weiteres Beispiel an: Vor rund zwei Jahren mietete sich in Griechenlands drittgrößten Hafen in Piräus das chinesische Logistikunternehmen Cosco ein und übernahm einen großen Teil der Hafenanlage. Nach zahlreichen Investitionen konnte Cosco das umgesetzte Volumen verdreifachen.

"Jetzt müssen die Griechen den Schritt zu Neuem wagen"

Wo die Schuldenländer schon Erfolge erzielen
Griechenland: Die Lohnstückkosten sinkenStillstand in Griechenland? Nicht ganz. Bei der Sanierung der Staatsfinanzen hat Athen durchaus Erfolge vorzuweisen: Um sechs Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt wurde das Haushaltssaldo in nur zwei Jahren verbessert. Eine solche Konsolidierungsleistung hat kein anderes Euro-Land geschafft. Und im ersten Halbjahr liegt Griechenland beim Defizitabbau sogar vor dem Plan. Auch dem Ziel, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, kommt das Land näher: Die Lohnstückkosten sind seit 2009 rückläufig. Aber bei den Strukturreformen, die für eine international konkurrenzfähige Wirtschaft zumindest ebenso bedeutend sind, bleibt noch viel zu tun.
Zwar hat das griechische Parlament seit 2010 Dutzende von Reformgesetzen verabschiedet. Aber es hapert bei der Umsetzung, weil die zuständigen Ministerien die notwendigen Durchführungsbestimmungen schuldig bleiben. Das geschieht weniger aus Nachlässigkeit als gezielt, um die Reformen zu hintertreiben. Denn die Politiker scheuen immer noch die Konfrontation mit den Kartellen, Gewerkschaften und Zünften, die sich gegen eine Deregulierung der Wirtschaft sträuben, weil sie sich dann dem Wettbewerb stellen müssten. Ein Beispiel: Die Öffnung der "geschlossenen Berufe", Hunderter Tätigkeiten, deren Ausübung strikt reglementiert ist, wie der Rechtsanwaltsberuf. Weil die Anwälte im Parlament stark vertreten sind konnten sie die Liberalisierung für ihren Berufsstand bisher verhindern. Manche Reformen ist Griechenland seit über einem Jahr schuldig geblieben. Die Wahlen vom Frühsommer haben das Land weiter in Verzug gebracht. Umso energischer drängen jetzt die Delegationschefs der Troika in Athen darauf, bei den Reformen endlich Gas zu geben.Text: Gerd Höhler, Athen
Italien: Die Erfolge sind sichtbarDie Technokraten-Regierung von Mario Monti hat in Italien innerhalb von neun Monaten mehr Reformen durchgesetzt als Silvio Berlusconi in allen seinen Legislaturperioden zusammen. Gleich nach seinem Amtsantritt im November hatte Monti noch vor Weihnachten das Maßnahmenpaket "Salva Italia" (Rette Italien) durchgepaukt, das jährlich Mehreinnahmen von 26 Milliarden Euro bringen soll. Zudem beschloss das Kabinett innerhalb kürzester Zeit eine Rentenreform, die das früher sehr großzügig ausgestaltete Rentensystem für die kommenden Jahrzehnte auf sichere Beine stellen soll. Es folgten zaghafte Liberalisierungen einiger Berufsstände und schließlich die große Arbeitsmarktreform im Frühsommer: Sie setzt auf mehr Flexibilität bei Einstellungen, ermöglicht aber auch ein leichteres Kündigen.
In Italien, wo die Arbeitslosigkeit im Juni mit 10,8 Prozent auf ein neues Rekordhoch seit 2004 stieg, ist der Arbeitsmarkt bislang zweigeteilt: Während sich ältere Angestellte meist über fast unkündbare Arbeitsverhältnisse freuen können, hangeln sich viele junge Menschen oft von einem befristeten Vertrag zum nächsten. Diese befristeten Verträge liefen in der Krise einfach aus. Diese Zweiteilung soll durch die Reform überwunden werden. Um die ausufernden Staatsausgaben zu drosseln, hat Monti (rechts) eigens den Parmalat-Sanierer Enrico Bondi als Spar-Kommissar an Bord geholt. Er sollte alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Das Ergebnis: 26 Milliarden Euro sollen innerhalb von drei Jahren eingespart werden. Die Ausgabenkürzungen sind wichtig, da die Regierung nicht ohne Grund in der Kritik steht, bisher vor allem durch Steuererhöhungen den Haushalt saniert zu haben.Text: Katharina Kort, Mailand Quelle: dpa
Portugal: Auf dem rechten WegPortugal macht alles richtig - aber die Euro-Schuldenkrise und die Abhängigkeit von Spanien bergen weiter Risiken. So begründete die Ratingagentur Standard & Poor's den negativen Ausblick für das Land. Ähnlich war der Tenor im Juli bei der vierten Überprüfung des Kreditprogramms durch die Troika. Die portugiesische Regierung unter Premier Pedro Passos Coelho hat in einem Jahr enorm viel erreicht. Steigende Exporte und fallende Einfuhren brachten das Handelsdefizit fast ins Gleichgewicht, das Haushaltsdefizit schrumpfte von fast zehn auf 4,2 Prozent Ende 2011. Auch 2012 sei ein Defizit von 4,5 Prozent machbar, meint die Troika.
Die Arbeitsgesetzgebung wurde reformiert, Arbeitszeit und Löhne wurden flexibilisiert, die Kündigungskosten gesenkt. Nun soll die Regierung auf Geheiß der Troika eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge prüfen, um die Beschäftigung zu beleben. Bis September muss Premier Passos Coelho (im Bild zu sehen) zudem die Lohnverhandlungen weiter flexibilisieren. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie wurde teilweise umgesetzt, ein neues Wettbewerbsrecht verabschiedet, diverse Berufe wurden liberalisiert. Der Mietmarkt mit extrem niedrigen fixen Mieten und entsprechend verfallenen Gebäuden wurde dereguliert, eine Reform des teuren, trägen Rechtssystems ist angeschoben. "Wir glauben, dass all diese mikroökonomischen Reformen dazu beitragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Produktivität statt durch sinkende Löhne verbessert wird", urteilt S&P. Immerhin lag der durchschnittliche Stundenlohn in Portugal mit 12,10 Euro Ende 2011 bereits 41 Prozent unter Spanien.Text: Anne Grüttner, Madrid
Spanien: Das Sparpaket ausgeweitetSpaniens Premier Mariano Rajoy gönnt sich derzeit ein paar Tage Urlaub in seiner Heimat Galizien. Kurz zuvor brach er ein bis dahin geltendes Tabu. Auf die stets eisern verneinte Frage, ob er den EU-Rettungsfonds in irgendeiner Weise anzuzapfen gedenke, antwortete Rajoy nun: "Ich habe keine Entscheidung getroffen, ich werde tun, was im allgemeinen und im spanischen Interesse ist." Er wolle zunächst alle Bedingungen kennen. Rajoy gab damit den Ball an EZB-Chef Mario Draghi zurück, der klargemacht hatte, die bedrängten Südländer müssten zunächst die Anleihekäufe des EFSF aktivieren, bevor die EZB den Rettungsfonds mit eigenen Maßnahmen unterstützen könne.

"Das griechische Business hat einen schlechten Ruf", sagt Stolz. "Das liegt an dem, was vor allem in den vergangenen Jahren passiert ist." Unzuverlässigkeit, Misstrauen vor falschen Angaben, schlechte Infrastruktur, veraltete Geschäftsmodelle… Um das zu bewältigen, muss in Griechenland einiges passieren.

 "Wir müssen dagegen angehen", so Stolz. Dieses Image könne nur durch Kommunikation verbessert werden. "Man muss die Menschen ins Land bringen. Für Gespräche und um zu sehen, welches Potential es hier gibt."

Auch Stolz spricht von einer deprimierenden Stimmung im Land, von Freunden, die nicht wissen wie es weiter gehen soll. "Meine Frau wird jeden Morgen wach und weiß nicht, ob sie noch einen Job hat. Wir haben vier Kinder, die gehen auf eine Schule, die muss bezahlt werden, und ich glaube da ist jede einzelne Person in Griechenland betroffen außer vielleicht die ganz reiche Schicht."

Trotzdem setzt er auf das Prinzip Hoffnung: "Es gibt viele Menschen, die sagen, dass es anders laufen muss, und sie haben häufig gute Ideen, aber sie müssen sie auch umsetzen. Sie sagen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist. 'Nach der Krise', höre ich dann häufig, aber das ist genau falsch."

Jetzt sei die Zeit, in der neue Geschäftsmodelle Sinn machten. "Die Konkurrenz ist dünn geworden, ausländische Firmen investieren im Moment nicht, solange nicht klar ist, ob Griechenland in der Eurozone bleibt und den Euro beibehält." Die Griechen selbst müssen jetzt anpacken und etwas verändern.

"Hier ist sehr viel kollabiert, aber junge Leute bringen neue Ansichten, neue Wege, wie Geschäft gemacht wird." Jetzt müssen die Griechen den Schritt zu Neuem wagen, sagt Stolz. Sonst ändere sich nämlich auch nichts. 

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