Irland setzt bei seiner Agrarexpansion aber auch auf neue Märkte in den Schwellenländern und in Afrika. Der Irish Dairy Board (IDB), die Vermarktungsorganisation irischer Molkereigenossenschaften und Molkereien, hat bereits Auslandsbüros in Peking und Shanghai eröffnet. Als der stellvertretende chinesische Staatspräsident Xi Jinping im Februar drei Tage nach Irland kam, besuchte er einen Bauernhof, wo ein neugeborenes Kalb nach ihm benannt wurde. Im April bereiste Landwirtschaftsminister Coveney mit einer Delegation von Agrarunternehmern die Volksrepublik auf der Suche nach künftigen Großkunden.
Auch in Afrika sucht Irland nach neuen Absatzmärkten. Die Regierung stellt zwei Millionen Euro für einen afrikanischen Agrarfonds zur Verfügung, der Partnerschaften mitfördern soll. „Irlands Lebensmittelunternehmen sind gut positioniert, um beim zunehmenden Nahrungsmittelbedarf des Schwarzen Kontinents eine führende Rolle zu spielen“, sagt Außenminister Eamon Gilmore.
Marktführer Kerrygold
Eine Schlüsselrolle spielt dabei die irische Marke Kerrygold. Unter diesem Label vertreibt der IDB irische Milchprodukte weltweit. Kerrygold-Produkte gibt es mittlerweile in 14 afrikanischen Staaten, insgesamt verkauft Kerrygold Butter, Käse und Milchpulver in mehr als 60 Länder. In Deutschland ist die Marke mit einem wertmäßigen Anteil von 14,1 Prozent bei Butter sogar der Marktführer. 2011 stieg der Absatz von Kerrygold-Produkten in Deutschland um fast 20 Prozent auf mehr als 150 Millionen Euro. Das Besondere an der irischen Butter ist deren gelbe Färbung, die daraus resultiert, dass irische Kühe überwiegend frisches Gras fressen, das mehr Carotin enthält als das Kraftfutter, das Stallkühe erhalten.
Vorsichtiges Abwarten
Doch taugt die Agrarwirtschaft wirklich als Wachstumstreiber? Wenn das klappen soll, braucht die Regierung viele Leute wie Kevin Kiersey. Der Landwirt beackert im Landkreis Waterford mit seinem Bruder John einen Hof, der mit 250 Hektar Fläche zu den größeren des Landes zählt. Die Kierseys halten 200 Milchkühe, John hat das Haus der Eltern übernommen, Kevin ein schmuckes Eigenheim gebaut, er fährt BMW. Als Vorsitzender des Milchausschusses im irischen Bauernverband wird er nach dem geplanten Wegfall der EU-Milchquoten im Jahr 2015 eine Schlüsselstellung bei der angepeilten 50-prozentigen Erhöhung des irischen Milchproduktion einnehmen. „Für diesen Anstieg dürften Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro erforderlich sein“, sagt er – durchaus sorgenvoll.
Denn ob es tatsächlich zur offiziell gewünschten Expansion kommt, hängt auch davon ab, ob die klammen irischen Banken genügend Kredite an die Bauern vergeben. Auch wollen viele Landwirte erst einmal abwarten, wie sich die Preise entwickeln, bevor sie sich mehr Land und Kühe anschaffen, zusätzliche Ställe bauen und Geräte kaufen. „Die Milchquoten bestehen schon seit 1984, die Mentalität einer ganzen Generation von Bauern ist von den Quoten geprägt“, sagt Kiersey. Auf seinem Hof kann er derzeit 5000 Hektoliter im Jahr erzeugen, möglich wären ohne große Investitionen 6500 Hektoliter im Jahr. Er will nun zunächst abwarten, welche zusätzlichen Mengen seine Molkereigenossenschaft überhaupt abnehmen kann – sie hat signalisiert, dass bis 2020 maximal ein Plus von 40 Prozent möglich sei.
Wichtiger noch dürfte sein, dass er sich mit seinem Bruder John einigt, der einer Expansion skeptisch gegenübersteht. „Stellen Sie sich vor, wenn wir 600 Kühe hätten – der Charakter unseres Hofes wäre dann ein ganz anderer.“ Er warnt vor tief greifenden Veränderungen in Irland, wenn die Quoten fallen. „Ich fürchte, dass dann viele landwirtschaftliche Großbetriebe versuchen, Land aufzukaufen.“
Den Preis des Wachstums würden am Ende die Kleinbauern zahlen.