Schuldenkrise Europas Sparern droht eine kalte Enteignung

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Notenbanken helfen

EZB Quelle: dapd

„Der Effekt ist der gleiche wie bei einem Schuldenschnitt, nur dass es keine Panik auf den Märkten gibt“, sagt Homburg. Über mehrere Dekaden schmilzt das Vermögen unbemerkt dahin. Es schmerzt nicht so sehr, weil es langsam und geräuschlos geht. Tatsächlich haben die US-Ökonominnen Reinhart und Sbrancia in ihrer Analyse der Entschuldungsmechanismen der Industrie- und Entwicklungsländer im 20. Jahrhundert herausgefunden, dass der Realzins in den Industrieländern in der Hälfte der Jahre zwischen 1945 und 1980 negativ war. Im Schnitt lag er bei minus 1,6 Prozent.

Die den Staat entlastende Wirkung der Zinsmanipulation nimmt noch zu, wenn man sie mit etwas Inflation hebelt. Normalerweise steigt der Nominalzins mit der Inflation, da die Anleger einen Ausgleich für die Geldentwertung fordern, und der Realzins bleibt so konstant. Doch dank staatlich verfügter Zinsobergrenzen und Regulierungen des Anlageverhaltens blieb er in der Vergangenheit konstant. So lag 1981 in den USA die Inflation bei 8,9 Prozent, der regulierte Sparzins dagegen nur bei fünf Prozent und der regulierte Sichteinlagenzins sogar bei null Prozent.

Diagramm: Billig wie nie Quelle: Finanzagentur

Auch heute greift der Staat zu Repressionsmaßnahmen. Allerdings agiert er diskreter als früher. So gibt es Gesetze, die Pensionsfonds und Versicherungen dazu veranlassen, bestimmte Teile ihrer Anlegergelder in Staatspapiere zu investieren. Auch die Zentralbanken spielen am Markt für Staatsanleihen eine immer wichtigere Rolle. In der aktuellen Krise hat allein die EZB seit Mai 2010 für 211 Milliarden Euro Anleihen gekauft und damit für Länder wie Italien, Spanien und Portugal die Zinsen deutlich gedrückt. Aber auch die noch umfangreichen Anleihekäufe der Federal Reserve und Bank of England drücken die Renditen der betreffenden Staatspapiere.

In der Kritik stehen auch die Basel-II-Vorschriften, nach denen die Banken für Staatsanleihen kein Eigenkapital vorhalten müssen, für Unternehmensanleihen aber sehr wohl. „Nach der Erfahrung mit Griechenland halte ich das für absurd“, sagt der Finanzmarktexperte Martin Hellwig. Trotzdem bleibt dieses Refinanzierungsprivileg des Staates nicht nur erhalten, es wird durch die neuen Liquiditätsvorschriften in Basel III sogar noch ausgeweitet. Dafür sorgten nicht die Regulierungsexperten in Basel, sondern die europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

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