Portugal
Das südwestlichste Land der Euro-Zone zeigt von allen Ländern unter dem Rettungsschirm den größten Reformeifer. Unter Premierminister Pedro Passos Coelho wurden die Löhne und Arbeitszeiten flexibilisiert, wurde der Kündigungsschutz gelockert – und das Haushaltsdefizit reduziert. Dank steigender Exporte und fallender Importe brachte die Regierung das Handelsdefizit nahezu ins Gleichgewicht. Das Haushaltsminus schrumpfte von knapp zehn Prozent des BIP im Jahr 2010 auf 4,4 (2011) und 5,0 Prozent (2012).
Zudem wurde ein neues Wettbewerbsrecht verabschiedet und diverse Berufe liberalisiert. Auch auf dem Mietmarkt griff Coelho durch. Der Markt mit extrem niedrigen Mieten und entsprechend maroden Gebäuden wurde dereguliert. Die Lohnstückkosten wurden nach unten gedrückt. Der durchschnittliche Stundenlohn in Portugal liegt mit 12,10 Euro rund 40 Prozent unter dem Wert Spaniens. Troika, Ratingagenturen und EU-Kommission loben Portugal.
Portugals Zeugnis 2012
Coelhos Zweier-Koalition macht einen stabilen Eindruck. Auch in der Bevölkerung genießt der Premier das Vertrauen. Je länger die Krise aber andauert, desto schwerer wird es für ihn, sich gegen die aufkeimende Wut der Gewerkschaften und Angestellten zu wehren.
Note: 3
Lob von allen Seiten und das – anders als im Fall Griechenland – zu Recht: Portugal hat seine Arbeits- und Rentenmarkt in weiten Teilen neu gestaltet und sich so fit für die Zukunft gemacht. Trotz aller Schmerzen während der Übergangszeit.
Note: 2
2010 lag das Haushaltsdefizit noch bei 9,8 Prozent. Inzwischen wurde es fast halbiert. 2013 rechnet die EU-Kommission mit einem Minus von 4,5 Prozent. Dass es nicht besser läuft, liegt an der Rezession in Südeuropa (allen voran in Spanien). Viel mehr sparen kann Portugal nicht.
Note: 2
Portugal hat 2012 vieles richtig gemacht. Neben Irland ist das Land der einzige Lichtblick unter den Hilfsgeldempfängern Europas. Doch die Abhängigkeit von Spanien macht eine schnelle Genesung unmöglich. Portugal wird noch Zeit brauchen.
Note: 2
Allein: Die Konjunktur zieht nicht an. Portugiesische Unternehmen leiden unter schrumpfenden Absätzen im Inland, im Hauptabnehmerland Spanien und in der Euro-Zone. Nach Schätzung der Notenbank in Lissabon wird die portugiesische Wirtschaft in diesem Jahr um drei und 2013 um weitere 1,6 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosenquote erreichte zuletzt den Rekord von 15,9 Prozent und soll 2013 weiter auf 16,4 Prozent wachsen. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt bereits sogar 40 Prozent.
Anders als in Spanien oder Griechenland ist die Regierung stabil, die Bürger reagieren gelassen auf die Krise. Gewalttätige Demonstrationen blieben die Ausnahme. Statt auf die Straße, gehen die Bürger immer öfter ins Ausland. Amtliche Zahlen gibt es nicht, Experten schätzen aber, dass 2011 und 2012 insgesamt 200.000 bis 250.000 Menschen ausgewandert sind. In den meisten Fällen sind es die Gut- und Hochqualifizierten, die gehen. Portugal droht der „brain drain“.
Mit der Überweisung der nächsten Tranche in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wird Portugal im Januar insgesamt 64 Milliarden Euro oder gut 80 Prozent des 2011 von der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds gewährten 78-Milliarden-Hilfspakets erhalten haben. Viele Beobachter meinen jedoch, dass das Land zur endgültigen Sanierung der Finanzen mehr Zeit und mehr Geld benötigen wird. Die Mehrheit der Euro-Länder ist dazu bereit – wenn Portugal seinen Reformweg weiterführt.