1. Wie wirkt sich der Wahlsieg von Syriza auf die griechische Wirtschaft und die Staatsfinanzen aus?
2014 war für Griechenland ein gutes Jahr. Zwar lag die Wirtschaftsleistung noch um 26 Prozent unter dem Niveau vor der Krise. Doch immerhin legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach sechs Jahren Dauerschrumpfung wieder zu. Auch wenn das Plus mit 0,7 Prozent recht mager ausfiel, so kann es doch als Beweis dienen, dass die harten Reformen, die die wechselnden Regierungen in Athen ihren Bürgern unter dem Druck der Geldgeber verordnet haben, Erfolge zeitigen.
Die Lohnkürzungen und Entlassungen – die Arbeitslosenquote kletterte von rund acht Prozent im Jahr 2007 auf zuletzt rund 26 Prozent – haben den Unternehmen einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit zurückgegeben, die sie in den Jahren zuvor verloren hatten. Das hat dazu geführt, dass die Exporte von Waren und Dienstleistungen im vergangenen Jahr nahezu zweistellig gewachsen sind. Dazu trug auch bei, dass Griechenland bei ausländischen Touristen wieder hoch im Kurs stand. So verzeichnete die Leistungsbilanz im vergangenen Jahr einen Überschuss von 1,6 Prozent in Relation zum BIP. Zum Vergleich: 2007 klaffte dort noch ein Loch von 14 Prozent vom BIP.
Was droht Griechenland und seinen Banken?
Die EZB verleiht Geld nur an Geschäftsbanken, die als Sicherheiten Wertpapiere hinterlegen, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht der Fall. Bislang machten die Währungshüter eine Ausnahme, weil Athen ein EU-Sanierungsprogramm mit harten Reformauflagen durchlief. Diese Grundlage ist nun weggefallen: Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt das EU-Rettungsprogramm ab. Die EZB begründete ihre Entscheidung damit, dass man im Moment nicht davon ausgehen könne, dass Hellas sein Reformprogramm erfolgreich abschließen wird.
Ende Dezember 2014 hatten sich die griechischen Banken rund 56 Milliarden Euro bei der EZB beschafft. Davon entfielen nach Angaben der Commerzbank 47 Milliarden Euro auf kurzfristige Geschäfte, die inzwischen ausgelaufen sein dürften - und die nur wiederholt werden können, wenn die Institute andere Sicherheiten haben als griechische Staatsanleihen. Die übrigen neun Milliarden Euro steckten in Langfristgeschäften. „Das Geld muss zurückbezahlt werden, wenn es in diesem Umfang keine anderen Sicherheiten gibt“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nein. Die Institute können vorerst bei der griechischen Zentralbank ELA-Notkredite nachfragen. Der EZB-Rat hat dafür ein Volumen von bis zu rund 60 Milliarden Euro bewilligt. Damit könnte das Refinanzierungsvolumen griechischer Banken bei der EZB vollständig in eine ELA-Finanzierung überführt werden, schreiben Ökonomen der BayernLB: „Es wäre aber nur wenig Raum vorhanden, um einen weiteren Abfluss von Einlagen zu kompensieren.“ Ein weiterer Haken für die Banken: EZB-Kredite kosten aktuell 0,05 Prozent, ELA-Notkredite 1,55 Prozent. Der Vorteil für die EZB und Europas Steuerzahler: Sie müssen nicht geradestehen, wenn die Kredite ausfallen. Das Risiko liegt bei der Zentralbank in Athen und damit beim Steuerzahler Griechenlands.
Nein. Der EZB-Rat kann diesen Geldhahn mit Zwei-Drittel-Mehrheit zudrehen. ELA darf nur an Institute vergeben werden, die zwar vorübergehende Liquiditätsengpässe haben, aber solvent sind. Das wird ohne ein Hilfsprogramm oder zumindest die begründete Erwartung, dass ein neues Programm schnell in Kraft tritt, unwahrscheinlicher. Die Experten der BayernLB sind daher überzeugt: „Sollte sich Griechenland mit seinen Gläubigern bis Ende Februar nicht zumindest auf eine Brückenfinanzierung einigen, ist damit zu rechnen, dass die EZB griechische Banken von der ELA-Finanzierung ausschließt.“
Dann dürfte den Banken sehr schnell das Geld ausgehen. „Wenn die EZB ELA abklemmt, haben die Institute keinen Zugriff mehr aus EZB-Liquidität. Das wäre der Rausschmiss, Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen“, sagt Commerzbank-Experte Krämer. Daher sei die Entscheidung auch eine politische. Experten der UBS sehen das ähnlich: „In dem Moment, in dem die EZB das ELA-Fenster schließt, müssen die Verhandlungspartner entweder sofort Kompromisse finden, oder Griechenlands Banken kommen nicht mehr an Geld.“ Um einen Bankenkollaps zu verhindern, müsse Athen dann umgehend eine eigene Währung einführen: „Das wäre das Ende Griechenlands im Euroraum und könnte eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“
Denkbar wäre, die Laufzeit der Hilfskredite zu verlängern oder den Schuldendienst vorrübergehend auszusetzen. Krämer erwartet, dass am Ende auch die Bundesregierung einem „faulen Kompromiss“ zustimmen würde: „Denn bei einem Austritt Griechenlands schlitterte das Land ins Chaos und die Bundesregierung müsste ihren Wählern erklären, dass die direkt und indirekt auf Deutschland entfallenen Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 61 Milliarden Euro verloren wären.“
Auch die Lage im Staatshaushalt besserte sich, 2014 lag das Defizit nur noch bei einem Prozent des BIPs. Doch nun ist es mit den positiven Nachrichten vorerst einmal vorbei. Ende vergangenen Jahres, als sich der Wahlsieg von Syriza abzeichnete, ging die Wirtschaft bereits wieder auf Talfahrt. Nach drei Wachstumsquartalen in Folge schrumpfte die gesamtwirtschaftliche Leistung im vierten Quartal 2014 um 0,4 Prozent.
Die Talfahrt dürfte sich im ersten Quartal dieses Jahres fortgesetzt haben. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie, ein viel beachteter Frühindikator für die Konjunktur, lag im Februar bei 48,4 Punkten. Damit unterschritt er die neutrale Marke von 50 deutlich. Die Unsicherheit über den Ausgang des Kräftemessens zwischen der Regierung von Alexis Tsipras und den europäischen Geldgebern hat sich wie Mehltau auf die Stimmung der Unternehmen und Investoren gelegt.
Die Folge zeigt sich bei den Steuereinnahmen: Im Januar kamen statt erwarteter 4,5 Milliarden Euro nur knapp 3,5 Milliarden in die Kassen, im Februar lag das Aufkommen 1,5 Milliarden Euro unter Plan. Dazu trug bei, dass Tsipras den Bürgern im Wahlkampf versprochen hatte, die Steuern zu senken. Viele Griechen nahmen das zum Anlass, ihre Zahlungen an den Fiskus gleich ganz einzustellen. So blieben die Einnahmen aus den direkten Steuern im Januar um 36 Prozent hinter den Planungen zurück. „Selten hat eine neue Regierung in so kurzer Zeit so viel Schaden angerichtet“, urteilt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. „Binnen weniger Wochen nach der Machtergreifung haben die Populisten in Athen das Land an den Rand der Abgrunds getrieben“, so Schmieding.
Von Grexit bis Graccident - die wichtigsten Begriffe zur Schuldenkrise
Der Kunstbegriff wurde aus den englischen Worten für „Griechenland“ (Greece) und „Ausstieg“ (Exit) gebildet - gemeint ist ein Ausstieg oder Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone. So etwas ist in den EU-Verträgen allerdings gar nicht vorgesehen. Die Idee: Würde Griechenland statt des „harten“ Euro wieder eine „weiche“ Drachme einführen, könnte die griechische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte viel günstiger anbieten.
Neuerdings wird auch vor einem unbeabsichtigten Euro-Aus der Griechen gewarnt. Das Kunstwort dafür besteht aus Greece und dem englischen Wort für „Unfall“ (Accident) - wobei das Wort im Englischen auch für „Zufall“ stehen kann. Gemeint ist ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, den eigentlich niemand will - der aber unvermeidbar ist, weil Athen das Geld ausgeht. Mittlerweile taucht die Wortschöpfung auch als „Grexident“ auf.
Staaten brauchen Geld. Weil Steuereinnahmen meist nicht ausreichen, leihen sie sich zusätzlich etwas. Das geschieht am Kapitalmarkt, wo Staaten sogenannte Anleihen an Investoren verkaufen. Eine Anleihe ist also eine Art Schuldschein. Darauf steht, wann der Staat das Geld zurückzahlt und wie viel Zinsen er zahlen muss.
Im Grunde handelt es sich ebenfalls um Anleihen - allerdings mit deutlich kürzerer Laufzeit. Während Anleihen für Zeiträume von fünf oder zehn oder noch mehr Jahren ausgegeben werden, geht es bei T-Bills um kurzfristige Finanzierungen. Die Laufzeit solcher Papiere beträgt in der Regel nur einige Monate.
Manchmal hat ein Staat so viel Schulden, dass er sie nicht zurückzahlen kann und auch das Geld für Zinszahlungen fehlt. Dann versucht er zu erreichen, dass seine Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das nennt man Schuldenschnitt. Dieser schafft finanzielle Spielräume. Allerdings wächst auch das Misstrauen, dem Staat künftig noch einmal Geld zu leihen.
Seit 2010 hatten immer mehr Staaten wegen hoher Schulden das Vertrauen bei Geldgebern verloren. Für sie spannten die Europartner einen Rettungsschirm auf. Er hieß zuerst EFSF, wurde später vom ESM abgelöst. Faktisch handelt es sich um einen Fonds, aus dem klamme Staaten Kredithilfen zu geringen Zinsen bekommen können.
In der Euro-Schuldenkrise wurde der Begriff für das Trio aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gebraucht. Sie kontrollieren die verlangten Reformfortschritte. Im Euro-Krisenland Griechenland ist die Troika deswegen zum Feindbild geworden. In seinem Schreiben an die Eurogruppe spricht Athen nun von „Institutionen“. Auch die Europartner wollen das Wort „Troika“ nicht mehr verwenden. In offiziellen Dokumenten war ohnehin nie die Rede von der „Troika“.
Die Unsicherheit über die Zukunft des Landes bremst die Investitionen, den wichtigsten Motor für das Wachstum der Wirtschaft. Schrumpft die Wirtschaftsleistung, steigt die Schuldenquote, und der Staatsbankrott rückt näher. Das wiederum dürfte noch mehr Unternehmen abschrecken, in Griechenland zu investieren. Die Ökonomen des Finanzdienstleisters IHS warnen daher: „Bleiben die nötigen Reformen und damit die Hilfszahlungen aus, wird die griechische Wirtschaft 2015 erneut schrumpfen.“