Schuldenkrise Zeugnistag für Europas Pleitekandidaten

Fünf Länder sind bisher unter den Euro-Rettungsschirm geflüchtet – und haben Reformen und eisernes Sparen versprochen. Wer hat 2012 Wort gehalten? Wir haben den Check gemacht und verteilen Zeugnisse.

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Für die Euro-Zone war 2012 kein gutes Jahr. Erst ließ Mario Draghi die „Dicke Bertha“ zwei Schüsse abfeuern. Und weil die Geldschwemme Ende 2011/Anfang 2012 die Misere der klammen Südländer nicht heilen konnte, legte die Notenbank im Sommer nach: Notfalls wollen die Währungshüter unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenstaaten kaufen. Die Botschaft aus dem Frankfurter Eurotower, verkündet gegen erbitterten Widerstand der Deutschen Bundesbank, erreichte auch die Spekulanten: Der Euro wird gerettet – koste es, was es wolle.

Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und ihre europäischen Kollegen eilen derweil von Krisengipfel zu Krisengipfel. Ende November drehten die internationalen Geldgeber wieder einmal in letzter Minute den Geldhahn für Griechenland auf.

Seit drei Jahren hält die Schuldenkrise den Kontinent in Atem. Fünf von 17 Euroländern sind inzwischen auf Hilfen ihrer Partner angewiesen: Nach Griechenland, Irland und Portugal baten in diesem Juni auch das Schwergewicht Spanien sowie Zypern um Hilfsgelder. Allmählich wird es eng unter den Rettungsschirmen EFSF/ESM. Doch auch Slowenien, Italien und mit Abstrichen Frankreich rutschen immer tiefer in die Krise und gelten (zumindest die beiden Erstgenannten) als potenzielle Kandidaten für den Notfallfonds.

Die Chronik der Schuldenkrise

Im Gegenzug für die Milliardenkredite der internationalen Geldgeber haben die Pleiteländer Reformen versprochen und sich zu ehrgeizigen Sparprogrammen verpflichtet. Diese allerdings wurden allzu oft ignoriert. Wie stehen die Euro-Pleiteländer Ende 2012 da? Wer hat Reformen nicht nur versprochen, sondern auch durchgezogen? Wo gehen die Schuldenberge zurück? WirtschaftsWoche Online hat die Krisenländer unter die Lupe genommen und die Abschlusszeugnisse 2012 verteilt.

Irland

Die Ersten werden die Letzten sein? Nicht so ganz. Irland schlüpfe 2010 als erstes Euro-Land unter den Rettungsschirm. Gut möglich, dass es auch als erste Pleite-Nation wieder auf eigenen Beinen stehen kann.

Rückblick: Im November 2010 schlüpfte Irland unter den Euro-Rettungsschirm, nachdem die Immobilienblase im Land platze und der Bankensektor kollabierte. Die Arbeitslosigkeit stieg bis an die 15-Prozent-Marke, binnen eines Jahres stieg die Risikoprämie, die Anleger für zehnjährige Staatspapiere fordern, von knapp 7,0 auf 10,62 Prozent. Das Haushaltsdefizit schwoll zeitweise um 32 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) an. Europäische Union und Internationaler Währungsfonds (IWF) eilten zur Hilfe und garantierten Kredite in Höhe von 67,5 Milliarden Euro.

Irlands Comeback trotz ungelöster Probleme

Die zehn größten Euro-Lügen
Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dpa
Giorgios Papandreou Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dapd
Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker Quelle: dapd
Angela Merkel mit Draghi Quelle: dapd
Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Aber die Iren kämpften sich zurück: Durch massive Lohn- und Gehaltskürzungen, geringere Lebenshaltungskosten und günstigere Mieten hat das kleine Land seine Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessern können. Die Lohnstückkosten sind seit der Finanzkrise um 6,3 Prozent gefallen – das ist EU-Bestwert – ,in der herstellenden Industrie sogar um 42 Prozent. Die Folge: Irland steigert die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen um 9,5 Prozent gegenüber dem Vorkrisen-Niveau. Vor allem Pharma- und Medizintechnikprodukte sowie Lebensmittel sind international gefragt. In diesem Jahr wächst die Wirtschaft voraussichtlich um knapp 0,5 Prozent, im kommenden Jahr laut Prognose der EU-Kommission um etwa 1,1 Prozent.

Auch die Investoren kehren zurück. Jüngst setzte der große US-Fondsmanager Franklin Templeton voll auf die grüne Insel und kaufte irische Staatsanleihen für mehr als acht Milliarden Euro. Die Zinsen – auf dem Höhepunkt der Krise bis auf 15 Prozent hochgetrieben – rutschen auf rund 4,5 Prozent. „Die Entwicklungen in Irland sind positiv. Trotz großer Schwierigkeiten macht das Land bei seiner Fiskalreform weiter Fortschritte und gilt immer mehr als Vorbild für andere Länder“, erklärte Michael Hasenstab, Fondsmanager und Renten-Experte bei Franklin Templeton.

Irlands Abschlusszeugnis 2012

Doch noch ist Irland nicht aus der Krise. Die Binnenkonjunktur stockt weiter. Viele Iren sind wegen geplatzter Immobilienträume immer noch bis über beide Ohren verschuldet, die Arbeitslosenrate liegt bei über 14 Prozent. Und die Schulden steigen weiter, in diesem Jahr um 8,3 Prozent des BIPs. Kritiker werfen der Regierung vor, Einsparpotenziale bei den Angestellten im Öffentlichen Dienst nicht zu nutzen.

Gleichzeitig herrscht in Politik und Gesellschaft Uneinigkeit, ob der Sparkurs fortgesetzt werden soll. 30 Milliarden Euro sollen bis 2014 eingespart werden, die Wirtschaft sorgt sich. „Wir sind der Ansicht, dass die Einkaufsstraße genauso wichtig ist wie die Wall Street“, betont Danny McCoy, Generalsekretär des irischen Unternehmerverbandes IBEC. Die Etat-Kürzungen dürften angesichts der schwachen Binnennachfrage nicht höher ausfallen als die bereits in Aussicht gestellten 3,6 Milliarden Euro, fordert der IBEC. Auch Gewerkschaftschef Begg warnt davor, die wacklige Konjunkturerholung abzuwürgen, und verlangt, die Einsparungen über einen längeren Zeitraum zu strecken.

Trotz der Unruhe: Im Juli 2012 erfolgte die Rückkehr an die Finanzmärkte. Das Land gab Anleihen mit einer Laufzeit von drei Monaten im Wert von 500 Millionen Euro aus und zahlte für das Geld 1,8 Prozent Zinsen. Kein Befreiungsschlag, aber ein erster Schritt.

 

Spaniens Reformeifer ist zu gering

Spanien

„2013 wird besser sein.“ Dies jedenfalls hofft der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy. Mit dieser Einschätzung steht die Madrider Regierung jedoch ziemlich allein da. Die Zentralbank stellte fest, dass eine Besserung der Wirtschaftslage im Euro-Krisenland nicht absehbar sei. Die EU-Kommission und die OECD zeichnen ein düsteres Bild. Nach ihren Prognosen wird die Wirtschaftskraft auch im nächsten Jahr um 1,4 Prozent schrumpfen, fast dreimal so viel wie von der Regierung erwartet.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt dramatisch. Die EU und die OECD gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote von derzeit 25 Prozent auf über 26 Prozent steigen wird. Von den jungen Leuten zwischen 16 und 24 Jahren sind in Spanien 52 Prozent ohne Job. Spanien, das vor Beginn der Krise Millionen von Zuwanderern aufgenommen hatte, ist wieder ein Auswanderungsland. Seit Anfang 2011 kehrten 810.000 Ausländer in ihre Heimat zurück, 120.000 Spanier suchten ihr Glück in der Fremde. Rajoy reagiert nur zögerlich. Die Reform des Arbeitsmarktes kommt nur schleppend voran.

Für die Sanierung maroder spanischer Banken wurden Ende November zunächst 37 Milliarden Euro freigegeben. Eine umfassende Rettungsoperation wollte Madrid bisher nicht beantragen – zu groß ist die Furcht vor dem strengen Blick der Troika-Augen und harten Reformauflagen. Zwar setzte Rajoy ein Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst durch, erhöhte die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte und kreierte eine Benzinsteuer, die 2,3 Milliarden Euro einbringen soll. Doch das reicht nicht.

Spaniens Abschlusszeugnis 2012

Nach einer EU-Prognose wird Spanien 2014 bei der Höhe des Budgetdefizits alle anderen EU-Staaten - einschließlich Griechenland - übertreffen.

Die Exportwirtschaft ist der einzige Bereich, in dem eine Besserung auszumachen ist. Aufgrund gesunkener Löhne steigerte Spanien seine Wettbewerbsfähigkeit und erzielte erstmals seit 1998 einen Handelsüberschuss. Dabei spielt allerdings auch eine Rolle, dass die Spanier weniger Güter aus dem Ausland importieren. Die Bauwirtschaft, deren Zusammenbruch vor gut vier Jahren die Krise auslöste, liegt nach wie vor am Boden.

“Spanien hängt zu 100 Prozent von der Wahrnehmung ab, dass es im Falle des Falles staatliche Unterstützung erhält”, sagte Russel Matthews, Fondsmanager bei BlueBay Asset Management Ltd. in London laut der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Die Fundamentaldaten sind so schlecht geworden, dass der Glaube an Spaniens Fähigkeit, auf eigenen Füßen zu stehen, verschwunden ist“, stellte er fest. Ohne die EZB habe Spanien die schwierige Wahl zwischen einem vollen Rettungsantrag oder dem Ausscheiden aus dem Euro.

Zypern verweigert jede Reform

 

Zypern

Lange Zeit war der Inselstaat mit seinen 800.000 Einwohnern und seinem Bruttoinlandsprodukt von 18 Milliarden Euro zu klein, als dass sich in der EU jemand ernsthaft mit Zypern beschäftigt hätte. Doch das hat sich geändert, seitdem Euro-Partner und Zypern über Milliarden-Rettungspakete diskutieren müssen.

Die größten Sorgen bereiten die Banken des Landes. Sie haben durch Fehlinvestitionen riesige Kapitallücken angehäuft. Rund ein Viertel ihrer ausgereichten Kredite gingen an Griechen, zudem halten die zypriotischen Geldinstitute in hoher Zahl griechische Staatsanleihen. Der IWF schätzt die Außenstände der zypriotischen Banken gegenüber griechischen Schuldnern – dem Staat wie privaten Kreditnehmern – Ende letzten Jahres auf 29 Milliarden Euro. Das ist gut das Eineinhalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung. Ob ein Großteil der Kredite jemals zurückgezahlt werden kann, ist mehr als fraglich. Die ersten Banken wackeln schon jetzt. Experten sprechen von bis zu zehn Milliarden Euro, die Zypern für die Rekapitalisierung seiner Banken braucht.

Für Zypern ist der Schuldige damit klar: Griechenland. „Wäre dieses Problem nicht, bräuchten wir gar keine Hilfe“, sagt der Sprecher des zyprischen Finanzministeriums Michalis Papadopoulos. Doch die Wahrheit ist: Die enge Verknüpfung hat das Land bewusst gewählt. Darüber hinaus verweigert es jede Reform und sucht den Schulterschluss zu Russland, anstatt  sich zu westeuropäischen Standards zu bekennen.

Zyperns Abschlusszeugnis 2012

Zypern  hat sich bislang 2,5 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von 4,5 Prozent von Russland geliehen. Gleichzeitig deuten Daten der russischen Notenbank deuten darauf hin, dass Russen den Inselstaat in großem Stil für die Geldwäsche und Steuerhinterziehung nutzen. Ein zweites Beispiel: Frankreichs Energiekonzern Total erhielt Ende Oktober Lizenzen, um ein vielversprechendes Gasvorkommen vor der zypriotischen Küste zu erkunden. Seitdem kämpfen Frankreichs Präsident Francois Hollande und Zyperns Präsident Christofias gemeinsam dafür, Gelder aus dem ESM möglichst schnell den Banken zur Verfügung zu stellen.

Ans Sparen denkt der kommunistische Präsident nicht – auch wenn das Haushaltsdefizit in diesem Jahr bei 5,3 Prozent des BIPs liegen wird. Die Staatsschulden werden in diesem Jahr wohl auf über 13,5 Milliarden Euro steigen, das sind 76,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dennoch sprach sich Christofias wiederholt und mit deutlichen Worten gegen eine strenge Sparpolitik aus. „Diese Politik, die uns aus der Krise führen sollte, hat unsere Probleme nicht gelöst, im Gegenteil, sie hat sie noch verschärft“, so der Präsident.

Zyperns Staatsdiener werden damit auch weiterhin mit durchschnittlich 46.700 Euro im Jahr fast doppelt so gut entlohnt wie die Angestellten in der Privatwirtschaft. Die Personalkosten sind seit der Einführung des Euro 2008 im Staatssektor allein um 25 Prozent gestiegen. Und: Wie im Nachbarland Griechenland ist der öffentliche Dienst auf der Mittelmeer-Insel hoffnungslos aufgebläht.

Im jüngsten Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) heißt es, die Lage der Insel sei „verwundbar und beängstigend“.

Griechenland steckt fest

Wo die Schuldenländer schon Erfolge erzielen
Griechenland: Die Lohnstückkosten sinkenStillstand in Griechenland? Nicht ganz. Bei der Sanierung der Staatsfinanzen hat Athen durchaus Erfolge vorzuweisen: Um sechs Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt wurde das Haushaltssaldo in nur zwei Jahren verbessert. Eine solche Konsolidierungsleistung hat kein anderes Euro-Land geschafft. Und im ersten Halbjahr liegt Griechenland beim Defizitabbau sogar vor dem Plan. Auch dem Ziel, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, kommt das Land näher: Die Lohnstückkosten sind seit 2009 rückläufig. Aber bei den Strukturreformen, die für eine international konkurrenzfähige Wirtschaft zumindest ebenso bedeutend sind, bleibt noch viel zu tun.
Zwar hat das griechische Parlament seit 2010 Dutzende von Reformgesetzen verabschiedet. Aber es hapert bei der Umsetzung, weil die zuständigen Ministerien die notwendigen Durchführungsbestimmungen schuldig bleiben. Das geschieht weniger aus Nachlässigkeit als gezielt, um die Reformen zu hintertreiben. Denn die Politiker scheuen immer noch die Konfrontation mit den Kartellen, Gewerkschaften und Zünften, die sich gegen eine Deregulierung der Wirtschaft sträuben, weil sie sich dann dem Wettbewerb stellen müssten. Ein Beispiel: Die Öffnung der "geschlossenen Berufe", Hunderter Tätigkeiten, deren Ausübung strikt reglementiert ist, wie der Rechtsanwaltsberuf. Weil die Anwälte im Parlament stark vertreten sind konnten sie die Liberalisierung für ihren Berufsstand bisher verhindern. Manche Reformen ist Griechenland seit über einem Jahr schuldig geblieben. Die Wahlen vom Frühsommer haben das Land weiter in Verzug gebracht. Umso energischer drängen jetzt die Delegationschefs der Troika in Athen darauf, bei den Reformen endlich Gas zu geben.Text: Gerd Höhler, Athen
Italien: Die Erfolge sind sichtbarDie Technokraten-Regierung von Mario Monti hat in Italien innerhalb von neun Monaten mehr Reformen durchgesetzt als Silvio Berlusconi in allen seinen Legislaturperioden zusammen. Gleich nach seinem Amtsantritt im November hatte Monti noch vor Weihnachten das Maßnahmenpaket "Salva Italia" (Rette Italien) durchgepaukt, das jährlich Mehreinnahmen von 26 Milliarden Euro bringen soll. Zudem beschloss das Kabinett innerhalb kürzester Zeit eine Rentenreform, die das früher sehr großzügig ausgestaltete Rentensystem für die kommenden Jahrzehnte auf sichere Beine stellen soll. Es folgten zaghafte Liberalisierungen einiger Berufsstände und schließlich die große Arbeitsmarktreform im Frühsommer: Sie setzt auf mehr Flexibilität bei Einstellungen, ermöglicht aber auch ein leichteres Kündigen.
In Italien, wo die Arbeitslosigkeit im Juni mit 10,8 Prozent auf ein neues Rekordhoch seit 2004 stieg, ist der Arbeitsmarkt bislang zweigeteilt: Während sich ältere Angestellte meist über fast unkündbare Arbeitsverhältnisse freuen können, hangeln sich viele junge Menschen oft von einem befristeten Vertrag zum nächsten. Diese befristeten Verträge liefen in der Krise einfach aus. Diese Zweiteilung soll durch die Reform überwunden werden. Um die ausufernden Staatsausgaben zu drosseln, hat Monti (rechts) eigens den Parmalat-Sanierer Enrico Bondi als Spar-Kommissar an Bord geholt. Er sollte alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Das Ergebnis: 26 Milliarden Euro sollen innerhalb von drei Jahren eingespart werden. Die Ausgabenkürzungen sind wichtig, da die Regierung nicht ohne Grund in der Kritik steht, bisher vor allem durch Steuererhöhungen den Haushalt saniert zu haben.Text: Katharina Kort, Mailand Quelle: dpa
Portugal: Auf dem rechten WegPortugal macht alles richtig - aber die Euro-Schuldenkrise und die Abhängigkeit von Spanien bergen weiter Risiken. So begründete die Ratingagentur Standard & Poor's den negativen Ausblick für das Land. Ähnlich war der Tenor im Juli bei der vierten Überprüfung des Kreditprogramms durch die Troika. Die portugiesische Regierung unter Premier Pedro Passos Coelho hat in einem Jahr enorm viel erreicht. Steigende Exporte und fallende Einfuhren brachten das Handelsdefizit fast ins Gleichgewicht, das Haushaltsdefizit schrumpfte von fast zehn auf 4,2 Prozent Ende 2011. Auch 2012 sei ein Defizit von 4,5 Prozent machbar, meint die Troika.
Die Arbeitsgesetzgebung wurde reformiert, Arbeitszeit und Löhne wurden flexibilisiert, die Kündigungskosten gesenkt. Nun soll die Regierung auf Geheiß der Troika eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge prüfen, um die Beschäftigung zu beleben. Bis September muss Premier Passos Coelho (im Bild zu sehen) zudem die Lohnverhandlungen weiter flexibilisieren. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie wurde teilweise umgesetzt, ein neues Wettbewerbsrecht verabschiedet, diverse Berufe wurden liberalisiert. Der Mietmarkt mit extrem niedrigen fixen Mieten und entsprechend verfallenen Gebäuden wurde dereguliert, eine Reform des teuren, trägen Rechtssystems ist angeschoben. "Wir glauben, dass all diese mikroökonomischen Reformen dazu beitragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Produktivität statt durch sinkende Löhne verbessert wird", urteilt S&P. Immerhin lag der durchschnittliche Stundenlohn in Portugal mit 12,10 Euro Ende 2011 bereits 41 Prozent unter Spanien.Text: Anne Grüttner, Madrid
Spanien: Das Sparpaket ausgeweitetSpaniens Premier Mariano Rajoy gönnt sich derzeit ein paar Tage Urlaub in seiner Heimat Galizien. Kurz zuvor brach er ein bis dahin geltendes Tabu. Auf die stets eisern verneinte Frage, ob er den EU-Rettungsfonds in irgendeiner Weise anzuzapfen gedenke, antwortete Rajoy nun: "Ich habe keine Entscheidung getroffen, ich werde tun, was im allgemeinen und im spanischen Interesse ist." Er wolle zunächst alle Bedingungen kennen. Rajoy gab damit den Ball an EZB-Chef Mario Draghi zurück, der klargemacht hatte, die bedrängten Südländer müssten zunächst die Anleihekäufe des EFSF aktivieren, bevor die EZB den Rettungsfonds mit eigenen Maßnahmen unterstützen könne.

Griechenland

Die griechische Tragödie wurde 2012 um gleich mehrere Akte reicher. Zwei Mal mussten die Bürger des Euro-Pleitestaates in diesem Jahr zur Wahl antreten. Zwischenzeitlich drohte die Machtübernahme des linksradikalen „Syriza“-Bündnisses, das sämtlichen Sparversprechen aufkündigen wollte. Schließlich erhielt aber der Konservative Antonis Samaras die meisten Stimmen, Griechenland versprach, den Reformkurs fortzusetzen.

Zum Teil stimmt das. Um sechs Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt wurde das Haushaltssaldo in nur zwei Jahren verbessert. Auch bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gibt es Fortschritte: Die Lohnstückkosten sind seit 2009 rückläufig. Zum Lohn halten die internationalen Geldgeber dem Land weiterhin die Treue. Ende November wurde verabredet, die nächsten Tranchen des Rettungspakets auszuzahlen.

Doch an der misslichen Lage Griechenlands hat sich nichts geändert. Die hellenische Wirtschaft ist binnen fünf Jahren um mehr als 20 Prozent geschrumpft. Für 2013 wird mit einem weiteren Minus zwischen 4,2 bis 4,5 Prozent gerechnet. Die Arbeitslosenquote liegt auf einem Rekordstand von 25,4 Prozent. Die Stimmung ist explosiv. Gewerkschaften und „Syriza“ rufen zu Massenprotesten und einen Kurswechsel auf. Die Regierung genießt kaum öffentlichen Rückhalt, die Koalition nicht per se krisenfest.

Griechenlands Abschlusszeugnis 2012

Auch bei der Umsetzung von Strukturreformen bleibt noch viel zu tun. Ein Beispiel sind die "geschlossenen Berufe". Die Zahl der Ärzte, Apotheker, Architekten, Taxifahrer und Rechtsanwälte ist streng reglementiert. Der Staat bestimmt im Dialog mit den Berufsverbänden, wer eine Tätigkeit ausüben darf, wo dies geschieht und welche Tarife verlangt werden dürfen. In über 80 Berufen gibt es in Griechenland keinen Wettbewerb.

Die Weltbank stuft Griechenland in der Rangliste der Wirtschaftsfreundlichkeit 2011 auf Platz 100 ein, weit hinter den weiteren Euro-Krisenländern Spanien und Italien und nur einen Platz vor Papua-Neuguinea. Die Weltbank kritisiert: Die Ausstellung von Baugenehmigungen dauert zu lange, Firmengründungen sind kompliziert und die Kreditvergabe intransparent.

Und: Klientelpolitik bestimmt den politischen Alltag. Im Parlament verhindern Anwälte und Notare eine Liberalisierung ihres Berufszweigs, auf regionaler oder kommunaler Ebene werden Posten in der öffentlichen Verwaltung nach der Farbe des Parteibuchs vergeben. Die Qualität der Mitarbeiter ist zweitrangig. Griechenland hat mit knapp 25 Prozent den europaweit höchsten Anteil von Staatsbediensteten an der Gesamterwerbsbevölkerung. An einen Stellenabbau denkt kaum einer.

Das Land sitzt nach Angaben des Finanzministeriums kurz vor Jahresende auf einem Schuldenberg von 340,6 Milliarden Euro. Das sind fast 170 Prozent der Wirtschaftsleistung - Tendenz steigend.

Portugal wehrt sich mit Kräften

Marode Staatshaushalte und Krisenbanken
frau auf einem Balkon mit portugiesischer Flagge Quelle: dapd
SpanienNotleidende Kredite: 10,7 Prozent der Gesamtkredite (Stand: September 2012) Sparer ziehen Einlagen ab, marode Immobilien bringen die Banken ins Wanken Quelle: dpa
Bank of Ireland Quelle: dpa
Bank Societé Générale Quelle: REUTERS
Gebäude der Dexia-Bank Quelle: dpa
Eine niederländische Flagge und Gebäude der ING Quelle: dapd
Rettungsring und Banken Quelle: AP

Portugal

Das südwestlichste Land der Euro-Zone zeigt von allen Ländern unter dem Rettungsschirm den größten Reformeifer. Unter Premierminister Pedro Passos Coelho wurden die Löhne und Arbeitszeiten flexibilisiert, wurde der Kündigungsschutz gelockert – und das Haushaltsdefizit reduziert. Dank steigender Exporte und fallender Importe brachte die Regierung das Handelsdefizit nahezu ins Gleichgewicht. Das Haushaltsminus schrumpfte von knapp zehn Prozent des BIP im Jahr 2010 auf 4,4 (2011) und 5,0 Prozent (2012).

Zudem wurde ein neues Wettbewerbsrecht verabschiedet und diverse Berufe liberalisiert. Auch auf dem Mietmarkt griff Coelho durch. Der Markt mit extrem niedrigen Mieten und entsprechend maroden Gebäuden wurde dereguliert. Die Lohnstückkosten wurden nach unten gedrückt. Der durchschnittliche Stundenlohn in Portugal liegt mit 12,10 Euro rund 40 Prozent unter dem Wert Spaniens. Troika, Ratingagenturen und EU-Kommission loben Portugal.

Portugals Zeugnis 2012

Allein: Die Konjunktur zieht nicht an. Portugiesische Unternehmen leiden unter schrumpfenden Absätzen im Inland, im Hauptabnehmerland Spanien und in der Euro-Zone. Nach Schätzung der Notenbank in Lissabon wird die portugiesische Wirtschaft in diesem Jahr um drei und 2013 um weitere 1,6 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosenquote erreichte zuletzt den Rekord von 15,9 Prozent und soll 2013 weiter auf 16,4 Prozent wachsen. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt bereits sogar 40 Prozent.

Anders als in Spanien oder Griechenland ist die Regierung stabil, die Bürger reagieren gelassen auf die Krise. Gewalttätige Demonstrationen blieben die Ausnahme. Statt auf die Straße, gehen die Bürger immer öfter ins Ausland. Amtliche Zahlen gibt es nicht, Experten schätzen aber, dass 2011 und 2012 insgesamt 200.000 bis 250.000 Menschen ausgewandert sind. In den meisten Fällen sind es die Gut- und Hochqualifizierten, die gehen. Portugal droht der „brain drain“.

Mit der Überweisung der nächsten Tranche in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wird Portugal im Januar insgesamt 64 Milliarden Euro oder gut 80 Prozent des 2011 von der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds gewährten 78-Milliarden-Hilfspakets erhalten haben. Viele Beobachter meinen jedoch, dass das Land zur endgültigen Sanierung der Finanzen mehr Zeit und mehr Geld benötigen wird. Die Mehrheit der Euro-Länder ist dazu bereit – wenn Portugal seinen Reformweg weiterführt.

 

Italien und Frankreich vor dem Absturz?

Italiens größte Steuer-Eskapaden
Busfahrer in PalermoDie Hauptstadt der Autonomen Region Sizilien plante 2011 eine Serviceoffensive. 110 neue Busfahrer wurden eingestellt. Das Problem: Nicht einer von ihnen hatte einen Busführerschein. Die Stadt sprang ein und spendierte die Ausbildung. Als die Fahrer bereit waren, stellte die Stadt fest, dass es weder genug Busse, noch genug Busrouten für die ganzen Fahrer gab. Die Hälfte der neuen Angestellten sitzt nun in der Verwaltung. Einen Führerschein brauchen sie da nicht. Quelle: AP
Milch von PhantomkühenIn Italien wurde über Jahre die Milch von 300.000 Kühen verkauft, obwohl sie uralt – oder längst tot sind. In der Regel werden Kühe aussortiert und geschlachtet, wenn sie etwa acht Jahre alt sind. Sie geben dann kaum noch Milch, und viel älter würden sie ohnehin nicht. Anders in Italien. Dort stehen nach offiziellen Angaben etwa 300.000 Kühe in den Ställen und werden gemolken, berichtete der „Spiegel“. Manche müssten demnach auch mit 83 Jahren noch Milch wie zu ihren besten Zeiten produzieren. Klarer Fall von Betrug. 1,2 Milliarden Liter Milch kamen zusammen, von denen bislang niemand weiß, woher sie stammen. Den Schaden hat der Steuerzahler: Weil die nach Brüssel gemeldeten Milchmengen von italienischen Kühen regelmäßig die dem Land zugeteilte Gesamtquote überschritten, musste Rom deftige Strafen zahlen. Über die Jahre summierten sich diese angeblich auf rund vier Milliarden Euro. Quelle: dpa
Brücke nach SizilienTrotz aller Haushaltsprobleme fehlt es der Politik nicht an Visionen. Silvio Berlusconi setzt sich seit 2005 für den Bau einer Brücke über die Straße von Messina ein. Kostenpunkt: 3,9 Milliarden Euro. Mehrere regionale Politiker, aber auch die Regierung Romano Prodis, stuften das Projekt als unsinnig und umweltschädigend ein und ließen es ruhen. Berlusconi, der 2008 wieder ins Amt stürmte, nahm zurück an der Macht das Projekt wieder auf. Der Kostenplan sah inzwischen Investitionen von fast 8,5 Milliarden Euro vor. Das war Nachfolger Mario Monti zu viel. Er wollte auf den Brückenbau verzichten, fasste aber keinen Beschluss zum Baustopp, weil ansonsten eine Konventionalstrafe in Höhe von 300 Millionen Euro fällig geworden wäre. Nun soll ein chinesischer Investor das Projekt weiterführen. Quelle: dpa
Autobahn A3400 Millionen Euro an EU-Fördergelder flossen bereits in den Ausbau und die Verbesserung der Autobahn 3 in Süditalien, von Neapel nach Reggio Calabria. Wofür das Geld verwendet wurde, weiß keiner. Fest steht nur: Die Autobahn befindet sich in einem desolaten Zustand. Schlaglöcher, fehlende Fahrbahnmarkierungen und unbeleuchtete Tunnel: zeitweise durfte auf einigen Abschnitten nur mit maximal 40 Stundenkilometer über die Autobahn gefahren werden. Quelle: AP
Kirchenimmobilie in Italien Quelle: dpa
Rote Ferraris in einer Reihe Quelle: rtr
Satellitenaufnahme vom Oktoberfest Quelle: dpa

Bislang haben es Italien, Slowenien und Frankreich geschafft, sich mit eigenen Kräften gegen die Krise zu stemmen. Doch zum Jahresende 2012 stehen alle drei genannten Länder mit dem Rücken zur Wand. Wie haben sich die Länder im ablaufenden Jahr geschlagen – und droht die Flucht unter den Rettungsschirm?

Italien

Mario Monti hat Italien auf den rechten Weg gebracht. Ab 2014 soll eine Schuldenbremse ausgeglichene Haushalte garantieren, die Mehrwertsteuer wurde angehoben, Steuererleichterungen abgeschafft. Eine Reichen- und Immobiliensteuer soll zehn Milliarden Euro in die Kasse spülen, Privatisierungen weitere 15 Milliarden Euro. 

Auch das Renteneintrittsalter wurde angehoben, der Kündigungsschutz wurde gelockert. Der Lohn der Bemühungen: Das Geld kommt zurück ins Land. Zwischen Juli und September wurden im Schnitt 11,5 Milliarden Euro pro Monat ins Land gebracht. In der Folge mussten sich Italiens Banken weniger Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen.

Italiens Abschlusszeugnis 2012

Doch Mitte Dezember der Schock: Mario Monti tritt nach Querelen mit den italienischen Parteien, die ihn dulden noch in diesem Jahr zurück. Noch im Februar soll neu gewählt werden, Silvio Berlusconi, der das Land kaputt wirtschaftete, arbeitet an seinem Comeback. Die Märkte reagierten besorgt, die Renditen für italienische Anleihen schossen in die Höhe, die EU warnt, Italien dürfe sein Reformweg nicht verlassen.

Frankreich

Moody’s entzog Frankreich Ende November sein „AAA“-Rating. Überraschend ist das nicht: Das Land ignoriert die Herausforderungen der Globalisierung, ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist sich sicher: „Kein Land in Europa ist dem Sozialismus näher als Frankreich.“

Frankreichs Staatsverschuldung liegt inzwischen bei über 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – Tendenz steigend. Über drei Millionen Franzosen sind inzwischen arbeitslos, das sind mehr als zehn Prozent aller Bürger im erwerbsfähigen Alter. Bei den Jung-Erwachsenen ist gar jeder vierte ohne Job. Noch wächst die französische Volkswirtschaft minimal, doch schon im neuen Jahr könnte damit Schluss sein. Glaubt man den Prognosen, steuert das Land geradewegs auf eine Rezession zu.

Frankreichs Abschlusszeugnis 2012

Die Gründe sind vielfältig: Während das Land zum Zeitpunkt der Euro-Einführung 1999 bei den Lohnstückkosten noch hinter Deutschland lag, ist es nun fast 25 Prozent teurer als der große Nachbar im Osten. Der gesetzliche Mindestlohn wurde kontinuierlich angehoben, auf derzeit 9,19 Euro pro Stunde oder 1.400 Euro im Monat. Mit den Sätzen liegt Frankreich im weltweiten Vergleich im Spitzenfeld.

Das üppige französische Sozialsystem oder der Arbeitsmarkt, auf dem beinharter Kündigungsschutz, 35-Stunden-Woche und bis zu neun Wochen Urlaub regieren, sind für Hollande heilige Kühe. Trotzdem haben sich seine Wähler von ihm abgewandt. Umfragen sehen große Gewinne für die extremen Parteien am linken und rechten Rand.

Wann schlüpft Slowenien unter den Euro-Rettungsschirm?

Wie in Zentralbanken hineinregiert wird
Europäische Zentralbank (EZB)"Das vorrangige Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten", heißt es in Artikel 105 des Maastricht-Vertrags. Zwar soll die EZB auch für Stabilität an den Märkten sorgen und die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Das allerdings nur, wenn dadurch das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird. Diese klare Abgrenzung hat anfangs funktioniert. Seit der Euro-Krise jedoch ist die Geldpolitik Teil der EU-Wirtschaftspolitik. Die EZB begründet ihre Eingriffe mit ihrem Mandat der Marktstabilität und behauptet, dass hierdurch die Geldwertstabilität nicht gefährdet sei. Quelle: dapd
Europäische Zentralbank (EZB)Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi früher bei Goldman Sachs arbeitete, besitzen private Banken bei der Zentralbank keine direkte Mitsprache. Das EZB-Kapital von 5,76 Milliarden Euro liegt bei den 27 Notenbanken der EU, die sich – bis auf ein paar Anteile der österreichischen Nationalbank – in öffentlichem Besitz befinden. Die Euro-Finanzminister wählen die Mitglieder des sechsköpfigen Direktoriums per Mehrheitsentscheid, die Regierungschefs bestätigen die Wahl. Auch das EU-Parlament darf mitreden. Vergangene Woche lehnten die Abgeordneten die Nominierung des angesehenen Luxemburger Nationalbankpräsidenten Yves Mersch für einen Sitz im EZB-Direktorium ab. Einziger Grund: sein Geschlecht. Sharon Bowles, Vorsitzende des Währungsausschusses: "Wir sind dagegen, dass die mächtigste Institution der EU ausschließlich von Männern geleitet wird." Quelle: dapd
Bank of England (BoE)Die "Old Lady" von der Londoner Threadneedle Street ist die älteste Notenbank der Welt. Doch erst 1997 wurde sie nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank in eine – relative – politische Unabhängigkeit entlassen. Der Einfluss der Politik ist geblieben: Der britische Schatzkanzler gibt der Notenbank ein konkretes Inflationsziel von 2,0 Prozent vor. Wird dieses Ziel verfehlt, muss der Notenbankchef dies gegenüber der Regierung rechtfertigen. Quelle: REUTERS
Bank of England (BoE)Am meisten leidet die Unabhängigkeit der BoE aber dadurch, dass sie mit Aufgaben zugeschüttet wird. Die BoE muss sich nicht nur um eine stabile Währung, sondern auch um die Konjunktur und Stabilität des Finanzsektors kümmern, im nächsten Jahr kommt die Bankenaufsicht hinzu. Zudem ist die persönliche Unabhängigkeit mancher Mitglieder im Zentralbankrat fraglich: Ben Broadbent etwa arbeitete vor seiner Zeit bei der BoE jahrelang für Goldman Sachs. Zuvor war schon sein Kollege David Robert Walton, Chefökonom von Goldman Sachs in Europa, Mitglied im Zentralbankrat geworden. Bis Ende August 2012 saß dort zudem mit Adam Posen ein Geldpolitiker, der enge Verbindungen zu Starinvestor George Soros pflegt. Quelle: dpa
Federal Reserve System (Fed)Die amerikanische Fed – ein Hort politischer Unabhängigkeit? Mitnichten. Die unter einem Dach zusammengeschlossenen zwölf regionalen US-Zentralbanken gehören 3000 privaten Instituten, darunter Großbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley. Die Geldhäuser können direkt bei der Geldpolitik mitmischen, denn sie bestimmen die Direktoren der regionalen Fed-Ableger. Die Direktoren sind an der Wahl der regionalen Fed-Präsidenten beteiligt – und von diesen wiederum sitzen einige im Offenmarktausschuss, dem wichtigsten Gremium der Notenbank, das über die Geldpolitik der USA entscheidet. Der amerikanische Kongress hat der Zentralbank drei Ziele gesetzt, die nicht unbedingt miteinander harmonieren: Die Fed soll die Preise stabil halten, so viele Arbeitsplätze wie möglich garantieren und die Zinsen möglichst niedrig halten. Quelle: REUTERS
Federal Reserve System (Fed)Die Regierung darf den Währungshütern zwar nicht ins Tagesgeschäft hineinreden, aber Zentralbankpräsident Ben Bernanke muss dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort stehen. Sollte es anhaltende Konflikte zwischen Fed und Politik geben, kann der Kongress die Unabhängigkeit der Fed beschneiden. Jüngste Debatten ließen darauf schließen, "dass es breite Unterstützung für Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Fed-Politik nicht zufrieden ist", warnt der renommierte US-Ökonom Martin Feldstein. Die Notenbank stehe vor einem Dilemma: "Strafft sie die Geldpolitik, um die Inflation einzudämmen, riskiert sie Gegenmaßnahmen des Kongresses, die ihr die künftige Inflationsbekämpfung erschweren." Quelle: dapd
Bank of Japan (BoJ)Auf dem Papier ist die BoJ unabhängig, aber der politische Druck steigt. Mittlerweile ist es zur Regel geworden, dass ranghohe japanische Politiker offen drohen, das Notenbankgesetz zu ändern, falls die BoJ ihre Geldpolitik nicht noch stärker lockert. Was die Ankäufe von Fremdwährungen betrifft, um den Auftrieb des Yen abzumildern, handelt die Notenbank bereits im Auftrag der Regierung. Quelle: REUTERS

 

Slowenien

Korruption in den Kommunen, ein Premier im Visier der internationalen Ermittler und unfähige Oppositionspolitiker: Slowenien steht sich selbst im Weg. Dabei wäre entschiedenes Handeln wichtig.

Der Bankensektor ist noch immer nicht stabilisiert, dabei sollen rund 18 Prozent aller Bankkredite vom Ausfall bedroht sein. Im eingebrochenen Bausektor sind es sogar 50 Prozent. Moody's schätzt, dass das marode Bankensystem, wo auch der Staat den Ton angibt, bis zu drei Milliarden Euro Sanierungskosten benötigt. Der slowenische Wirtschaftsprofessor Joze Damijan bezifferte den Bedarf an frischem Geld zur Aufstockung des Kapitals und zur Ablösung fauler Kredite auf bis zu acht Milliarden Euro.

Sloweniens Abschlusszeugnis 2012

Auch der Arbeitsmarkt und das Rentensystem müssen dringend reformieren muss. Slowenien erlaubt es sich, seine Bürger schon mit 58 Jahren in den Ruhestand zu schicken, viele gehen bereits mit 57 Jahren. Kein anderes Industrieland hat ein derart geringes, offizielles Renteneintrittsalter.

Mehrere Regierungen versuchten schon eine schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf bis zu 65 Jahre. Doch bisher sind noch alle Reformversuche – und gleichzeitig ganze Regierungen – an dem Widerstand der "Demokratischen Rentnerpartei Sloweniens" (DeSUS) gescheitert. Sie ist sehr populär und die einzige Konstante im politischen System. Die Rentnerpartei ist seit Jahren an allen Regierungskoalitionen beteiligt – auch an der derzeitigen Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Janša, die aus fünf Parteien besteht.

"Ich sehe nicht, dass Slowenien zeitnah aus der Krise kommt. Die Bürger resignieren, Unternehmer wandern ab und die Politik beschränkt sich auf Grabenkämpfe", so Klaus Schuster, ehemaliger Bank-Vorstand und erfolgreicher Managementbuch-Autor, der 2006 sein Beratungsunternehmen in Ljubljana gründete und dem er heute vorsteht. "Es wäre gescheit, wenn wir eine Technokraten-Regierung wie in Italien bekommen würden. Wir brauchen Leute, die es verstehen, ein Unternehmen oder einen Staat ausgabenseitig zu stabilisieren und einnahmeseitig zu sanieren.“ Mit einer neuen Führung sollte das Land dann unter den Euro-Rettungsschirm flüchten, schlägt Schuster vor. (mit Material von dpa)

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