Für die Euro-Zone war 2012 kein gutes Jahr. Erst ließ Mario Draghi die „Dicke Bertha“ zwei Schüsse abfeuern. Und weil die Geldschwemme Ende 2011/Anfang 2012 die Misere der klammen Südländer nicht heilen konnte, legte die Notenbank im Sommer nach: Notfalls wollen die Währungshüter unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenstaaten kaufen. Die Botschaft aus dem Frankfurter Eurotower, verkündet gegen erbitterten Widerstand der Deutschen Bundesbank, erreichte auch die Spekulanten: Der Euro wird gerettet – koste es, was es wolle.
Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und ihre europäischen Kollegen eilen derweil von Krisengipfel zu Krisengipfel. Ende November drehten die internationalen Geldgeber wieder einmal in letzter Minute den Geldhahn für Griechenland auf.
Seit drei Jahren hält die Schuldenkrise den Kontinent in Atem. Fünf von 17 Euroländern sind inzwischen auf Hilfen ihrer Partner angewiesen: Nach Griechenland, Irland und Portugal baten in diesem Juni auch das Schwergewicht Spanien sowie Zypern um Hilfsgelder. Allmählich wird es eng unter den Rettungsschirmen EFSF/ESM. Doch auch Slowenien, Italien und mit Abstrichen Frankreich rutschen immer tiefer in die Krise und gelten (zumindest die beiden Erstgenannten) als potenzielle Kandidaten für den Notfallfonds.
Die Chronik der Schuldenkrise
Um die Schuldenkrise einzudämmen, spannen die Finanzminister und der IWF einen Rettungsschirm (EFSF) für pleitebedrohte Euro-Mitglieder. Insgesamt 750 Milliarden Euro sollen im Notfall fließen. Der damalige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière resümiert, jetzt komme „Ruhe in den Karton“.
Als erstes EU-Land schlüpft Irland unter den EFSF. Europäer und IWF schnüren ein Hilfspaket von 85 Milliarden Euro. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hält Sorgen vor einem Überschwappen auf Portugal für unbegründet: „Gerede über eine Ansteckung hat keine wirtschaftliche oder rationelle Grundlage.“
Nach einem Hilferuf aus Lissabon setzt die EU ein Rettungspaket für Portugal in Gang. Höhe: Rund 80 Milliarden Euro. Schäuble sieht die Gefahr einer Ausbreitung der Krise zunächst als gebannt an: „Die Ansteckungsgefahr ist geringer geworden.“
Die EU-Finanzminister beschließen eine Ausweitung des EFSF. Deutschlands Anteil steigt von 123 auf 211 Milliarden Euro. Damit bis zu 440 Milliarden Euro an Krediten gezahlt werden können, müssen die Euro-Länder ihre Garantien auf 780 Milliarden Euro erhöhen. Merkel verteidigt das: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“
Athen beantragt ein zweites Hilfspaket. Es beläuft sich schließlich auf 159 Milliarden Euro. Erstmals beteiligen sich auch private Gläubiger Athens, ihr Anteil beträgt rund 50 Milliarden Euro.
Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft nun auch Staatsanleihen von Italien und Spanien auf, um beide Länder zu stützen.
Nach einem Doppelgipfel beschließen die Euro-Länder das bislang dickste Paket zur Eindämmung der Krise: Griechenlands Schulden werden um 50 Prozent gekappt. Das im Juli beschlossene 109-Milliarden-Programm wird modifiziert: Nun soll es zusätzliche öffentliche Hilfen von 100 Milliarden Euro geben, sowie Garantien von 30 Milliarden Euro, mit denen der Schuldenschnitt begleitet wird. Die Schlagkraft der EFSF soll auf rund eine Billion Euro erhöht werden. Zudem müssen Europas Banken ihr Kapital um mehr als 100 Milliarden Euro aufstocken. „Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen“, bilanziert Merkel. Und Frankreichs Finanzminister François Baroin sagt erleichtert: „Es gab ein Explosionsrisiko. Das Abkommen von heute Nacht ist eine freundschaftliche, globale und glaubwürdige Antwort.“
Silvio Berlusconi steht vor dem Aus. Bei der Abstimmung über den Rechenschaftsbericht 2010 verfehlt er im italienischen Parlament die absolute Mehrheit. Am Abend kündigt er seinen Rücktritt an. Zuvor sollen aber noch die Brüssel zugesagten Reformen beschlossen werden.
Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou kündigt in Athen seinen Rücktritt an.
Nahezu alle Mitgliedstaaten einigen sich beim EU-Gipfel in Brüssel nach zähen Verhandlungen auf eine Fiskalunion. Großbritannien steht im Abseits. Eine Spaltung der EU wird abgewendet.
Die Eurogruppe gibt ein zweites Griechenland-Paket frei. Der IWF beteiligt sich daran mit 28 Milliarden Euro.
Spaniens Regierung kündigt an, zur Sanierung der maroden Banken ein Rettungspaket "light" zu beantragen. Die Eurogruppe sagt Madrid bis zu 100 Milliarden Euro zu.
Nach langem Zögern flüchten Spanien und auch Zypern unter den Euro-Rettungsschirm. Der Finanzierungsbedarf beider Länder zur Rekapitalisierung ihres Bankensektors ist noch unklar.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe genehmigt den ESM-Rettungsschirm unter Vorbehalten. Die Bedingung: Es müsse sichergestellt werden, dass die Haftung Deutschlands auf die vereinbarten 190 Milliarden Euro beschränkt bleibe. Ohne erneute Zustimmung Deutschlands - und damit des Bundestags - dürfen keine höheren Zahlungsverpflichtungen begründet werden. Damit kann Deutschland dem permanenten Euro-Rettungsschirm ESM beitreten. Bis zur Entscheidung aus Karlsruhe hatte Deutschland bislang als einziges Euro-Land den Vertrag über den „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ ESM noch nicht ratifiziert. Erst mit der Beteiligung des größten Mitgliedsstaats kann der Rettungsschirm in Kraft treten.
Im Gegenzug für die Milliardenkredite der internationalen Geldgeber haben die Pleiteländer Reformen versprochen und sich zu ehrgeizigen Sparprogrammen verpflichtet. Diese allerdings wurden allzu oft ignoriert. Wie stehen die Euro-Pleiteländer Ende 2012 da? Wer hat Reformen nicht nur versprochen, sondern auch durchgezogen? Wo gehen die Schuldenberge zurück? WirtschaftsWoche Online hat die Krisenländer unter die Lupe genommen und die Abschlusszeugnisse 2012 verteilt.
Irland
Die Ersten werden die Letzten sein? Nicht so ganz. Irland schlüpfe 2010 als erstes Euro-Land unter den Rettungsschirm. Gut möglich, dass es auch als erste Pleite-Nation wieder auf eigenen Beinen stehen kann.
Rückblick: Im November 2010 schlüpfte Irland unter den Euro-Rettungsschirm, nachdem die Immobilienblase im Land platze und der Bankensektor kollabierte. Die Arbeitslosigkeit stieg bis an die 15-Prozent-Marke, binnen eines Jahres stieg die Risikoprämie, die Anleger für zehnjährige Staatspapiere fordern, von knapp 7,0 auf 10,62 Prozent. Das Haushaltsdefizit schwoll zeitweise um 32 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) an. Europäische Union und Internationaler Währungsfonds (IWF) eilten zur Hilfe und garantierten Kredite in Höhe von 67,5 Milliarden Euro.