Schweden, Polen & Co. Euro – nein, danke!

Die Gemeinschaftswährung wird als Garant für Exporterfolg und Wohlstand verkauft. Doch viele europäische Nachbarn wollen den Euro trotzdem nicht. Warum, zeigt eine Reise durch Schweden, Polen und Kroatien.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
H&M-Chef Karl-Johan Persson orientiert sich mit immer weiter weg von Europa. Zwar ist Deutschland der wichtigste Markt für Hennes & Mauritz, doch die größten Zuwachsraten verbucht der Textilriese längst in Übersee. Quelle: dapd

Die größte Gefahr für H&M ist nicht die Euro-Krise, sondern der Sommer. Regen- und Gewitterwolken hängen nun schon seit Wochen über Deutschland, Skandinavien und Osteuropa. Selbst in Asien ist das Wetter überwiegend mies. Die Folge: Die bunten Tops und kurzen Shorts des zweitgrößten europäischen Textilherstellers finden kaum Abnehmer. Die Bikini-Werbung mit den übermäßig stark gebräunten Models sorgte zwar für Aufregung, aber nicht für steigende Absatzzahlen.

Vor wenigen Wochen noch, im Mai, strahlte der Konzern mit der Sonne um die Wette. Aufgrund der frühen sommerlichen Temperaturen stiegen die Umsätze bei Hennes & Mauritz im zweiten Quartal überraschend um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr, auf 31,7 Milliarden Schwedische Kronen (knapp 3,6 Milliarden Euro) – trotz der Euro-Krise.

Suche nach neuen Partnern

"Wir sind gut in das Jahr gestartet", sagt Geschäftsführer Karl-Johan Persson. "Unsere Frühjahrskollektion wurde sehr gut angenommen und zwar in allen 44 Ländern, in denen wir aktiv sind." Egal ob in den Metropolen oder in Kleinstädten. Und vor allem: "Wir haben sowohl in stark wachsenden Ländern gut abgeschnitten, aber auch in Ländern, deren Volkswirtschaften in Schwierigkeiten sind", so Persson. Es gebe immer wieder Unsicherheiten in der Branche, das Wetter sei eine schwer kalkulierbare Größe. Aber grundsätzlich seien die Risiken für sein Unternehmen gut händelbar. 

Die größten Werbeskandale
H&M Bikini-Werbung Quelle: dpa
Unhate Kampagne Benetton Obama Chavez Quelle: dpa
Bruno Banani Werbung Merkel Dessous Quelle: dpa
Magersucht Werbeplakat Oliviero Toscani Quelle: dpa
Sixt Werbung Angela Merkel Frisur Quelle: AP
Viva Werbung 2000 Quelle: AP
Tyra Banks Werbeposter Quelle: REUTERS

Der Hauptgrund dafür: Hennes & Mauritz sind zunehmend global aufgestellt. Die Schweden kehren Kern-Europa zwar nicht komplett den Rücken, sie schauen sich aber verstärkt nach neuen Partnern um. So wurden die größten Zuwachsraten im ersten Halbjahr 2012 in den USA (+36 Prozent), Südkorea (+56 Prozent), China (+60 Prozent) und Kroatien (+319 Prozent) verzeichnet. Auch, weil die Zahl der Geschäfte dort massiv ausgebaut wurde. In diesem Jahr sollen erstmals H&M-Läden in Bulgarien, Mexiko, Lettland, Malaysia und Thailand eröffnet werden.

Europa hat an Attraktivität verloren

Die Euro-Krise kann dem Geschäft des Textilriesen damit eine Delle verpassen, gefährden kann es den Konzern nicht mehr. Dass die Nachfrage in den Euro-Ländern Niederlande, Luxemburg, Spanien und Portugal mehr oder weniger stagniert, ist für die Schweden verkraftbar. Zumal, wenn der wichtigste Markt, Deutschland, weiter wächst.

Europa hat an Attraktivität verloren, in Schweden hat ein Umdenken stattgefunden. Bei H&M, dessen Unternehmer-Kollegen, aber auch bei der politischen Klasse.

Schweden hat sich von Europa emanzipiert

Schwedens Finanzminister Anders Borg will sein Land so unabhängig wie möglich von den Folgen der Euro-Krise machen und bereitet sich auch auf mögliche Austritte aus der Währungsunion vor.

"Europa wird weniger wichtig für uns und wir müssen uns sehr bewusst neu orientieren", sagt Schwedens Finanzminister Anders Borg. Wolle Schweden weiter wachsen, müsse es sich vom Euro-Raum lösen und sich stärker auf die Schwellenländer konzentrieren.

Die Einführung der Gemeinschaftswährung ist in Schweden kein Thema mehr. Vielmehr versuchen die Skandinavier, auf alle Fälle vorbereitet zu sein – auch auf ein Auseinanderbrechen des Euro-Raums. "Natürlich können die Griechen auch Glück haben. Sie können das Tor noch treffen, und alles wird gut. Aber so, wie sie die Lage bisher gehandhabt haben und mit den Schulden kann ich nicht ausschließen, dass das Land am Ende Bankrott geht", sagt Borg.

Rufe der Unternehmer nach dem Euro werden leiser

Seit dem Ausbruch der Schuldenkrise sind auch die Rufe der schwedischen Unternehmer nach dem Euro deutlich leiser geworden. Noch vor einigen Jahren bildeten Konzerne wie Volvo, Ericsson und Electrolux Netzwerke, die für die Gemeinschaftswährung ins Feld zogen. Doch in der Finanzkrise hat die exportabhängige Wirtschaft von der damals schwachen Nationalwährung profitiert. Inzwischen ist die Schwedische Krone an den Euro gekoppelt und hat deutlich angezogen. Das spürt auch die exportabhängige Wirtschaft. Im vergangenen Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt um starke 3,9 Prozent. In diesem Jahr soll die Wirtschaft laut Prognosen aber nur noch leicht wachsen, um 0,4 Prozent. Die Arbeitslosenquote lag Ende 2011 bei 7,5 Prozent.

Wissenswertes über Schweden

Die Regierung versucht, mit einem Wachstumspaket gegenzusteuern. "Wir sind bereit für ein kurzfristiges Konjunkturprogramm", so Finanzminister Borg. Dabei gehe es um ein Paket in Höhe von etwa einem halben Prozentpunkt gemessen an der Wirtschaftsleistung. Damit soll die Infrastruktur gestärkt, die Forschung unterstützt und die Unternehmen steuerlich entlastet werden. Mit einem derartigen Paket hatte die Regierung schon 2008 die Auswirkungen der Finanzkrise erfolgreich abgemildert.

Keine Börsensteuer, keine Eurobonds

Auch das europäische Wachstumspaket begrüßt die schwedische Regierung, Diskussionen über Eurobonds will sie aber nicht führen. Auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer kommt für Schweden nicht infrage, da können die Euro-Finanzminister noch so sehr mahnen und warnen. Schweden hat sich von Europa, insbesondere von der Euro-Zone emanzipiert. Das Land geht seinen eigenen Weg. Schweden kann es sich leisten. Die Staatsschulden betrugen Ende 2011 gerade einmal 38,4 des Bruttoinlandsprodukts.

Polen wünscht sich mehr Europa – aus Eigennutz

Europas Zahlmeister
Platz 27: PolenAm meisten von den Transferleistungen der EU hat in jüngster Vergangenheit Polen profitiert. 6,2 Milliarden Euro mehr flossen 2009 nach Warschau, als das Land nach Brüssel überwiesen hat. 2010 waren es gar über acht Milliarden Euro. Fast zwei Drittel dieser Summe zahlte die Europäische Union Polen als Subventionen für die Landwirtschaft und Fischerei und für Infrastrukturprojekte. Quelle: dpa
Platz 26: GriechenlandDer Pleitestaat bekam 2009 gut drei Milliarden Euro aus den EU-Töpfen. Pro Kopf waren das 267,20 Euro. „Vergleicht man die Nettopositionen Deutschlands und Griechenlands und ihren jeweiligen Anteil an Nettozahlern und -empfängern, so ergeben sich daraus allein im Jahr 2009 effektive Zahlungen von Deutschland an Griechenland in Höhe von 865 Millionen Euro“, unterstreicht Heinen. Quelle: dpa
Platz 25: UngarnDas osteuropäische Land konnte sich 2009 über Nettozuwendungen aus Brüssel in Höhe von 2,66 Milliarden Euro freuen (265 Euro pro Kopf). Neben den Agrarsubventionen hat Budapest vor allem Geldmittel bekommen, um gegen die Kriminalität vorzugehen und den Justizapparat zu stärken. Knapp 30 Prozent oder 798 Millionen Euro flossen dafür gen Osten. Quelle: dpa
Platz 24: PortugalKräftig subventioniert wurde im Jahr 2009 auch Portugal. Netto flossen knapp über Milliarden Euro ins südwestlichste Land der EU. Umgerechnet zahlte die Staatengemeinschaft 196,40 Euro für jeden portugiesischen Staatsbürger. Quelle: dpa
Platz 23: Rumänien2007 trat Rumänien der Staatengemeinschaft bei. Mit etwa 21 Millionen Einwohnern ist es das sechsgrößte Land der Union. Die Wirtschaft allerdings hinkt der Entwicklung im Euro-Raum hinterher. Um die Strukturen zu reformieren, flossen in den ersten beiden Jahren Milliardenhilfen nach Bukarest. Gut 1,6 Milliarden Euro waren es beispielsweise 2009. Die Zahlungen der Vorjahre hatten zunächst Erfolg: Die Wirtschaft wuchs jährlich zwischen sechs und acht Prozent. Doch dann kam die Finanzkrise, Rumänien geriet in Schwierigkeiten: Der IWF musste dem Land 2009 Kredithilfen in Höhe von 13 Milliarden Euro bereitstellen, die EU-Kommission verlieh dem Land fünf Milliarden Euro aus ihrem Notfallfonds. Quelle: dpa
Platz 22: TschechienTschechien erhielt im gleichen Jahr netto 1,575 Milliarden Euro von der Europäischen Union. Das macht 150,40 Euro pro Staatsbürger. Zwei Drittel der Summe wurden als Subventionen für die Landwirtschaft und Fischerei ausgestellt. Wachstumsfördernd sind diese Mittel nicht, sagt Deutsche-Bank-Analyst Nicolaus Heinen. „Während Mittel der Regionalpolitik etwa über Infrastrukturmaßnahmen wachstumsfördernd wirken können, dienen Maßnahmen der Landwirtschaftspolitik noch immer tendenziell der Abfederung des Strukturwandels: Wirtschaftswachstum schaffen sie nicht.“ Quelle: dpa
Platz 21: LitauenLitauen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union. Finanziell profitierte das Land 2009 vom Beitritt. 1,468 Milliarden netto erhielten die Osteuropäer an Transferleistungen. Rechnet man das Geld auf die Bevölkerungszahl herunter – Litauen hat nur gut 3,2 Millionen Einwohner – landet das Land auf dem zweiten Platz. Stolze 438,20 Euro erhielt Litauen pro Staatsbürger. Quelle: rtr

In Polen sieht das etwas differenzierter aus. Zwar ist kein anderes Land in Europa so gut durch die Finanzkrise gekommen wie das nach der Bevölkerungszahl sechstgrößte Europas. Eine Rezession gab es nicht, die Wirtschaft boomt, das deutsche Nachbarland gilt schon als sicherer Hafen in Osteuropa.

Doch Polen ist von Europa und der Euro-Zone abhängiger als Schweden. Das Schwergewicht des Außenhandels hat sich von Januar bis November 2011 zunehmend auf die EU-Länder verlagert (78 Prozent der Exporte und 59,4 Prozent der Importe), wobei Deutschland als mit Abstand größter Handelspartner Polens eine herausragende Stellung einnimmt. 26 Prozent der polnischen Gesamtausfuhr gehen nach Deutschland und etwa 22 Prozent der Gesamteinfuhr stammen aus dem großen Nachbarland.

Größter Nettoempfänger von EU-Geldern

Hinzu kommt: Polen profitiert wie kein zweites Land von der EU-Mitgliedschaft. Die Osteuropäer sind der größte Nettoempfänger europäischer Hilfsgelder. 8,4 Milliarden Euro flossen 2010 aus den EU-Töpfen nach Polen. 2009 waren es 6,4 Milliarden.

Wissenswertes über Polen

Polen wünscht sich daher – mehr aus Eigennutz, denn aus Überzeugung – mehr Europa. "Entweder nehmen wir heute den Kampf auf für das geeinte Europa oder wir werden es morgen nicht aufrechterhalten können", warnt Ministerpräsident Donald Tusk. Daher bedauere er, dass es zunehmend eine Abkoppelung der Euro-Zone von der Europäischen Union gebe und dass etwa Großbritannien "wieder eine Insel geworden ist".

Euro-Beitritt ist vorerst kein Thema

Ein Beitritt zum Euro-Raum ist für Polen dennoch vorerst kein Thema. Zwar gibt es mit Jacek Dominik einen eigenen Spitzenbeamten, der den Beitritt des Landes zur Währungsunion vorbereiten soll. Doch Dominik selbst tritt inzwischen kräftig auf die Bremse. "Wir haben klar gemacht, dass wir unseren Zeitplan zum Euro-Beitritt um ein weiteres Kriterium erweitern: Die Stabilisierung des Euro-Raums." Sprich: Solange sich die Gemeinschaft von Krise zu Krise hangelt, hat das Land kein Interesse an einer Einführung der Gemeinschaftswährung.

Dass Polen mit seiner Beobachterrolle derzeit bestens bedient ist, zeigt der Blick auf die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen. Im zweiten Quartal 2012 forderten Investoren durchschnittlich 5,45 Prozent Zinsen für ihr Geld – und damit deutlich weniger als von den Euro-Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland.

Polens Wirtschaft boomt

Zehn attraktive Anleihen

Zudem hat die Warschauer Notenbank mit seiner eigenständigen Geldpolitik das Land gut durch die Krise bugsiert. Als 2009 internationale Investoren ihre Milliarden aus Polen abzogen, wertete der Zloty um ein Viertel ab. Die Folge: Polnische Unternehmen konnten auf dem Weltmarkt ihre Produkte billiger anbieten.

Einer der Profiteure ist Solaris. Der drittgrößte europäischer Bushersteller konnte seine Marktanteile bis heute stetig ausbauen. 2011 verkaufte das polnische Familienunternehmen erstmals über 1200 Busse im Jahr, acht Prozent mehr als im Vorjahr. Der Umsatz von Solaris kletterte um 17 Prozent auf 370 Millionen Euro. Inzwischen fahren Niederflur-, Hybrid- und Elektrobusse in 24 Ländern Europas, darunter auch Deutschland.

Kampf gegen Vorurteile

Auch der traditionelle polnische Schokoladenhersteller E. Wedel oder der polnische Software-Spezialist Comarch behaupten sich im internationalen Wettbewerb. Die polnische Antwort auf SAP, wie das Unternehmen mit Sitz in Krakau genannt wird, hat mit Coca Cola, Aral oder BNP Paribas namhafte Kunden vorzuweisen. 2008 übernahmen die Polen die Mehrheit an der Münchner Softwarefirma SoftM, um auf dem deutschen Markt seine Marktanteile auszubauen. "Als rein polnische Firma wären wir nicht in der Lage, so viele potenzielle Kunden anzusprechen", erklärt Konzernchef Janusz Filipiak.

Vorurteile also gibt es noch in Europa, doch polnischen Unternehmen und Regierungen arbeiten mit Hochdruck daran, sich Respekt und weitere Marktanteile zu erarbeiten. Bestes Beispiel: Ministerpräsident Donald Tusk hält trotz der hohen Wachstumsrate von 4,3 Prozent im vergangenen Jahr an seinem Reformprogramm fest. Im Mai beschloss das Parlament, das Renteneintrittsalter stufenweisen anzuheben. Künftig sollen die Polen bis zum 67. Lebensjahr arbeiten.

Polen braucht den Euro nicht

Das Haushaltsdefizit, das im vergangenen Jahr bei 5,1 Prozent lag, will Tusk bis 2013 unter die Drei-Prozent-Grenze drücken. Dabei lagen die Schulden der öffentlichen Hand zum Ende des Jahres 2011 bei moderaten 56,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: In der Euro-Zone beliefen sich die Schulden 2011 im Durchschnitt auf rund 88 Prozent.

Brüssel hat mit der Öffnung der europäischen Märkte und den hohen Subventionszahlungen Polen assistiert. Das Land hat sich, anders als viele Euro-Pleitekandidaten im Süden, auf den Hilfszahlungen aber nicht ausgeruht. Die Folge: Das Land braucht Europa (als Absatzmarkt), den Euro braucht es nicht.

Kroatien hofft auf europäisches Geld

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und seine kroatische Amtskollegin Vesna Pusic hoffen, dass Kroatiens Wirtschaft von der EU-Mitgliedschaft, die am 1. Juli 2013 beginnt, profitiert. Quelle: dpa

Vom Euro-Beitritt ist Kroatien derzeit so weit entfernt wie Griechenland von soliden Finanzen. Das Land tritt zum 1. Juli 2013 in einem ersten Schritt immerhin der Europäischen Union bei. Politik und Wirtschaft erhoffen sich einen dringend benötigten Wachstumsschub.

Zwar konnte Kroatien bis 2008 ein langjähriges stabiles Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 4,2 Prozent aufweisen, doch die Finanzkrise schickte die Volkswirtschaft auf Sturzflug. Um 6,0 Prozent nahm das Bruttoinlandsprodukt 2009 ab, 2010 wurde ein Minus von 1,2 Prozent verzeichnet und auch in diesem Jahr soll die Wirtschaft – nach einer Mini-Erholung 2011 – wieder in die Rezession rutschen. In einer Wirtschaftsumfrage der deutsch-kroatischen Industrie- und Handelskammer beurteilt nur jedes fünfte Unternehmen die eigene Geschäftslage als gut.

Hohe Löhne, ineffiziente Verwaltung

Die Ursachen sind vielfältig: Wichtigster Handelspartner Kroatiens ist das Euro-Krisenland Italien, die Infrastruktur sowie die technische Ausrüstung der Betriebe ist vielerorts mangelhaft und die Produktionskosten sind sehr hoch. "Die durchschnittlichen Lohn- und Lohnnebenkosten sind in Kroatien höher als in vielen anderen Transformationsländern beziehungsweise Ländern der Region", sagt Peter Presber, Geschäftsführer der deutsch-kroatischen Industrie- und Handelskammer. Insbesondere in der Hauptstadt Zagreb sei das Lohnniveau sehr hoch. Zudem würde die steuerliche Belastung sowie die ineffiziente Verwaltung von den Unternehmen regelmäßig kritisiert werden. "Verwaltungsverfahren werden leider nur selten zügig abgeschlossen", weiß Presber.

Wissenswertes über Kroatien

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union soll nun alles besser werden. Kroatien hofft auf Unterstützung bei der Belebung der Wirtschaft von Brüssel. Sowohl von fachlicher Seite, etwa bei der Schulung von öffentlichen Angestellten und dem Umbau der Verwaltung sowie beim Kampf gegen die Kriminalität und der Korruption. Vor allem aber aus finanzieller Sicht. Kroatien kann mit Fördermitteln in Milliardenhöhe rechnen. Geld, das die Regierung dringend braucht, aber selbst nicht hat, um Steuerreformen umzusetzen, die Verwaltung umzubauen und in die Infrastruktur zu investieren. Die Auslandsverschuldung des Staates, des Bankensystems, der Wirtschaft sowie der privaten Haushalte lag Ende 2010 bei 46,5 Milliarden Euro (101,3 Prozent des BIP).

Auch von privater Seite sollen ab dem kommenden Jahr reichlich Euros nach Zagreb fließen. "Mit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages ist Kroatien als Investitionsstandort für viele Unternehmen interessanter geworden, weil die Entwicklungsrichtung klar ist", sagt Presber. Für deutsche Unternehmen seien insbesondere Investitionen im Bereich der Erneuerbaren Energien und in der Logistik interessant. "Die erwartete Investitionsbelebung sowie der Nachhol- und Modernisierungsbedarf in verschiedenen Branchen bieten deutschen Ausrüstungsherstellern wieder bessere Lieferchancen", so Presber.

Bislang konzentrierte sich das deutsche Engagement in Kroatien vor allem auf dem Einzelhandel. Sowohl die Metro, als auch Lidl, Kaufland und dm sind zwischen Istrien und Dalmatien mit Filialen vertreten und machen der größten einheimischen Einzelhandelskette Konzum Konkurrenz.

Wenig Begeisterung für Europa

Knapp zwölf Millionen Touristen besuchten im vergangenen Jahr Kroatien, vor allem die Küstengebieten der 70 Kilometer langen kroatischen Riviera (im Bild: die Stadt Makarska, zwischen Split und Dubrovnik). Die Osteuropäer fürchten, bei einer Einführung des Euro ihren Preisvorteil und damit Touristen Richtung Türkei zu verlieren. Quelle: ZB

Mit dem Wegfall der Zollgrenze im Juli 2013 werden auch andere Branchen den Konkurrenzkampf mit europäischen Wettbewerbern aufnehmen müssen. "Den kroatischen Unternehmern ist bewusst, dass sie sich auf den europäischen Markt vorbereiten müssen", sagt der Geschäftsführer der deutsch-kroatischen Handelskammer Peter Presber. Die bilaterale Kammer könne die Firmen dabei unterstützen. Doch die klein- und mittelständischen Unternehmen, sowie die Produzenten für den Heimatmarkt hoffen eher auf die kroatische Währung, die Kuna, als auf die Expertise der deutschen Fachleute. So lange es die Kroatische Kuna gibt, kann die Notenbank schließlich flexibel reagieren und den Preisdruck auf die heimische Wirtschaft abmildern.

Zwar hat sich Kroatien im EU-Beitrittsvertrag zur Einführung des Euro bei Erfüllung der Maastricht-Kriterien verpflichtet. Doch in Zagreb verspürt niemand Eile, die Ziele zeitnah zu erfüllen. Ursprünglich wollte die Regierung innerhalb von zwei Jahren Euro-tauglich sein. Doch inzwischen geht keiner in dem osteuropäischen Land davon aus, vor 2017 über den Euro zu spekulieren. "Es besteht bereits jetzt besteht eine enge Bindung der Kuna an den Euro", stellt Presber ohne einen Hauch von Euro-Begeisterung fest.

Angst ums Urlauber-Geschäft

Insbesondere im Tourismussektor haben die Kroaten Angst davor, ähnlich wie Griechenland, ihren Preisvorteil zu verlieren und vor allem deutsche Urlauber an Nicht-Euro-Länder wie die Türkei zu verlieren. Das Urlauber-Geschäft wächst bislang konstant und trägt inzwischen ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt bei. 2010 haben laut dem Auswärtigen Amt rund 10,6 Millionen Touristen Kroatien besucht, 3,2 Prozent mehr als 2009. Im vergangenen Jahr konnte mit knapp zwölf Millionen Touristen gar ein neues Rekordergebnis verbucht werden. Ohne die Einnahmen aus dem Tourismus würde das Handelsdefizit, das 2010 von -5,1 Prozent auf -1,1 Prozent gesenkt werden konnte, sofort wieder in die Höhe schießen.

Wie Sie im Urlaub richtig sparen
Flugzeuge fliegen in Frankfurt am Main die neue Landebahn Nordwest des Frankfurter Flughafens an Quelle: dapd
Ein auf den Boden gemaltes Hinweis-Schild warnt am Freitag (17.02.2012) auf dem Flughafen in Frankfurt am Main vor Flugzeug-Verkehr. Quelle: dpa
Ein chinesischer Bankangestellter zählt US Dollar hinter einem Bündel chinesischer Banknoten in einer Bankfiliale der Huaxia Bank in Shenyang Quelle: dpa
Eine Frau geht am Montag (26.09.2005) in Düsseldorf an einem Reisebüro vorbei, das einen Flug nach New York für 189 Euro anbietet. Quelle: dpa/dpaweb
Im Internet-Auktionshaus ebay werden am Donnerstag (19.05.2005) die bei der Discounterkette Lidl angebotenen Billig-Tickets der Deutschen Bahn (DB) versteigert. Quelle: dpa/dpaweb
Transocean Tours eine Kreuzfahrt um die Welt Quelle: obs
Models posieren am Montag, 16. Januar 2006, auf der Internationalen Moebelmesse "imm Cologne 2006" in Koeln auf der beweglichen Couch 370 der Firma Benz Quelle: AP

Von Europa-Begeisterung in Kroatien kann aus diesem Grund keine Rede sein. Trotz der Aussicht auf einen Geldregen aus Brüssel und den EU-Mitgliedsstaaten haben zwar zwei Drittel der Kroaten in einer Volksabstimmung dem Beitritt zugestimmt. Das Interesse an der Wahl war allerdings erschreckend gering. Die Wahlbeteiligung lag bei gerade einmal 43,6 Prozent.

Die Lasten bleiben an Deutschland hängen

Quelle: dpa

Welche Erkenntnis also bleibt nach dem Blick auf die Euro-Nachbarn? Einerseits, dass die Europäische Union und der Europäische Binnenmarkt für die Länder Europas nicht wegzudenken ist. Auch Länder wie Kroatien oder Serbien, die noch nicht zur EU gehören, streben nach einer Mitgliedschaft in dem Staatenverbund. Kroatien etwa erhofft sich Stabilität und Wachstumsschübe und jede Menge Geld durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Große Begeisterung für Europa gibt es im Land trotzdem nicht. Für den Euro erst recht nicht.

Die Gemeinschaftswährung ist derzeit offenbar nur für Staaten interessant, die selbständig kaum auf eigenen Beinen stehen können. So wie Island. Der Inselstaat im Nordatlantik ist nach dem Kollaps seiner Banken auf der Suche nach stabilen Verhältnissen. Gerne hätte man bei der Rettung der maroden Banken – wie Spanien – Hilfe der Euro-Partner angenommen.

Die Chronik der Schuldenkrise

In den Ländern aber, die wirtschaftlich stark und für die Zukunft gut aufgestellt sind, hat Europa und insbesondere der Euro an Attraktivität verloren. Staaten wie Schweden, aber auch Dänemark oder die Schweiz, die den Euro stützen könnten, fühlen sich durch den Ausbruch der Krise in ihrer Euro-Ablehnung bestätigt. Die Angst, wie Deutschland, Österreich oder Finnland zur Kasse gebeten zu werden, ist größter als die Furcht, politischen Einfluss in Europa zu verlieren.

Europa koppelt sich von der Eurozone ab

Eine exorbitante Aufwertung der eigenen Währung (Schweiz) lässt sich mit einer Koppelung an den Euro entgegenwirken. Mit der währungspolitischen Flexibilität dank der eigenen Währung (Polen) und die Erschließung neuer Märkte (Schweden) lassen sich wegbrechende Marktanteile im kriselnden Euro-Land egalisieren.

Für Europa bedeutet es, dass das Ziel, ein gewichtiges Wort in der Welt zu behalten, in die Ferne rückt. Je mehr sich die Europäische Union von der Euro-Zone abkoppelt, desto weniger Einfluss haben die 17 Euro-Staaten. Die Gemeinschaftswährung kann darüber hinaus nicht hoffen, dass durch das Hinzukommen neuer, wirtschaftlich starker Länder die Euro-Zone stabilisiert werden kann. Die Lasten bleiben auch in Zukunft auf den Schultern der vier verbliebenen Top-Schuldner der Euro-Zone, darunter Deutschland, hängen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%