In Spanien fallen Felbers Vorstellungen offenbar auf besonders fruchtbaren Boden. Die Protestbewegung "15M" von 2011 propagierte ähnliche Ziele wie Felber. Aus ihr ging auch die neue Partei Podemos hervor, die allerdings mittlerweile in einem Prozess der Selbstzerfleischung befangen ist. "Ihre Programme waren nicht nachhaltig und ihre Vertreter zu eitel”, sagt der spanische Buchautor und politische Aktivist León Arsenal, der Podemos für tot erklärt. Doch das Bedürfnis vieler Spanier nach einer grundlegenden und dauerhaften Veränderung der Wirtschaftsordnung hat sich damit noch nicht erledigt: Spanien leidet weiter unter einer sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit und im Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern niedrigen Löhnen. Vor allem aber ist das politische Leben immer noch zersetzt von Korruption. Viele Spanier müssen den Eindruck haben, dass ihre Steuer vielerorts verschwendet und falsch investiert werden. Prozesse gegen ehemalige Regierungsmitglieder wie Rodrigo Rato, die wegen Korruption Politiker angeklagt werden, und die illegale Parteienfinanzierung der regierenden Volkspartei PP dominieren die öffentliche Debatte. “Die Spanier haben angesichts dieses gesellschaftlichen Betrugs ein dringendes Bedürfnis nach mehr Mitbestimmung und Gerechtigkeit, vor allem nach den Krise-Jahren, welche viele Familien in die Armut getrieben haben”, sagt Felber.
In den vergangenen Jahren sind viele Bewegungen gescheitert, die die Wirtschaft neu und besser erfinden zu können glaubten. In Venezuela haben sie ein ökonomisches Trümmerfeld hinterlassen. Felber und andere Verkünder neuer Wirtschaftsordnungen müssen sich wegen ihrer antikapitalistischen Haltung Kritik gefallen lassen. Börsenexperte Álvarez in Valencia glaubt jedoch, dass in seinem Fall bei der praktischen Umsetzung Ideologie gar keine Rolle spielt: “Es geht hier nicht um Kommunismus oder Anti-Kapitalismus. Natürlich können wir nicht mehr an den maximalen Gewinn für Unternehmen denken, wenn wir ein Gemeinwohl anstreben. Aber der Unternehmer muss Gewinn machen, um investieren zu können und Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist ein langsamer Wandel, kein politisch motivierter radikaler Wandel wie er in vielen Ländern aus Eitelkeit der Leitfiguren der verschiedenen Bewegungen erfolglos initiiert wurde.”
Seine Zuversicht begründet er auch damit, dass Gemeinwohl-Ökonomie keine abstrakte Ideologie ist. “Felber ist keine Ideologe. Er hat auch nichts Neues erfunden. Er hat nur den vielen im Verlauf der Geschichte der Menschheit entstandenen Gemeinwohl-Bewegungen eine Ordnung gegeben.” Er will den Wandel langsam vollziehen und nicht gleichzeitig auf allen Ebenen. "Gemeinwohlökonomie muss bei den Unternehmen und in den Gemeinden und Regionen beginnen,” sagt Álvarez.
Auch Antonio Biondini ist des Antikapitalismus oder Kommunismus unverdächtig. Der Europa-Chef der amerikanischen Bank Lafise lebt seit vielen Jahren in Spanien. Er hat sowohl in Italien als auch in Spanien Korruption aus nächster Nähe selbst erfahren. Seine angeheiratete Unternehmer-Familie Ruiz Mateos ist in viele Skandale verstrickt, einige seiner Schwager sitzen im Gefängnis. Er und seine Frau haben sich von diesem Teil der Familie komplett distanziert: “Ich habe hautnah erlebt, dass wilde Gier den schlimmsten Schaden in einer Gesellschaft und in der eigenen Familie anrichtet. Spanien fängt an zu kapieren, dass es so nicht weitergehen kann, deswegen der Erfolg von Bewegungen wie der GWÖ.”