Spanien Die Regionen treiben Madrid in den Ruin

Die Rendite für spanische Anleihen steigen in den Himmel, weil die spanischen Regionen akuten Finanzbedarf anmelden. Wird das Land komplett unter den Rettungsschirm schlüpfen?  

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Spaniens Baustellen
Spanien hat wie die anderen südeuropäischen Euro-Länder von den niedrigen Zinsen in der Währungsunion profitiert und einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Ähnlich wie in Irland bildete sich eine Immobilienblase, die mit einem lauten Knall platzte: Der Bausektor fiel in sich zusammen, die Arbeitslosigkeit stieg rasant. Quelle: REUTERS
Seit 2008 stieg die Arbeitslosenquote von knapp über zehn auf fast 25 Prozent. Bei den Jugendlichen ist fast jeder Zweite arbeitslos. Hatten bislang vor allem ungelernte Arbeitskräfte in der Bauwirtschaft und im Servicebereich ihren Job verloren, trifft es jetzt auch qualifizierte Kräfte. Nach einem schwachen Wachstum in der ersten Jahreshälfte 2011 befindet sich Spaniens Wirtschaft jetzt wieder in der Rezession. In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,7 Prozent schrumpfen. Quelle: dpa
Das Hauptproblem: Fortbildungsprogramme und Arbeitsvermittlung wurden bislang vernachlässigt, Teilzeitverträge existierten bislang fast gar nicht. Auf Seiten der Arbeitnehmer haben sich zu viele Angestellte in komfortablen Bedingungen eingenistet. Flexibilität und Mobilität bei Stellensuchenden sind so gut wie gar nicht ausgeprägt. Quelle: REUTERS
Ausgerechnet die Hochqualifizierten bewegen sich nun – mit fatalen Folgen für Spanien. Weil Jobs und Perspektiven für Akademiker fehlen, schauen sich junge Iberer zunehmend im Ausland nach Jobs um. In Deutschland könnte sie fündig werden. Die Bundesregierung warb im vergangenen Herbst um spanische Ingenieure. Mit Erfolg. Bis zum Jahresende 2011 bewarben sich mehr als 14.000 junge Iberer um einen Job zwischen Hamburg und München. Spanien droht nun der „brain drain“. Quelle: dpa
Ein weiteres Problem: Spaniens Regierungschef legt ein hohes Reformtempo vor – doch die Kommunal- und Regionalregierungen zeigen keinerlei Sparbereitschaft. Während die Zentraladministration seit 2001 ihr Personal um 22 Prozent reduziert habe, sei die Belegschaft der autonomen Gemeinschaften um 44 Prozent und die der Gemeinden um 39 Prozent gestiegen, rechnete Antonio Beteta vor, der Staatssekretär für öffentliche Verwaltungen. Quelle: REUTERS
Höhere Sozialausgaben und sinkende Steuereinnahmen aufgrund der Rezession und der Abwanderung von Hochqualifizierende führen zwangsläufig zu einem Anstieg der Verschuldung. Die Gesamtverschuldung liegt derzeit mit knapp 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zwar unter dem Schnitt der Eurozone, aber diese Zahl dürfte bis 2014 rasant wachsen. Die Ratingagentur Moody’s geht davon aus, dass die Verschuldung bis Jahresende bei rund 80 Prozent des BIPs liegen wird. Quelle: dpa
Auch die Finanzmärkte sind skeptisch. Zwar haben die großzügigen Geldausleihen der Europäischen Zentralbank (EZB), bei der sich vor allem südeuropäische Banken mit Liquidität versorgt haben, auch die Renditen spanischer Staatsanleihen auf ein erträgliches Niveau gedrückt. Doch die Anleger verlangten von Spanien zuletzt wieder höhere Renditen als für Italien – ein deutliches Zeichen des Misstrauens. Quelle: REUTERS

Spanien gerät zunehmend in den Strudel der Finanzmärkte. Die Risikoaufschläge für spanische Bonds sind am Montag auf ein neues Rekordhoch von 630 Basispunkten geklettert. Damit ist die Rendite für Staatbonds mit einer Laufzeit von zehn Jahren erstmals über 7,4 Prozent gestiegen, auch bei Schuldtiteln mit einer Restlaufzeit von fünf Jahren liegt die Rendite bei dieser kritischen Marke. Anleihen gelten nach allgemeiner Erkenntnis als nicht finanzierbar, wenn die Renditen dauerhaft über sieben Prozent liegen.

Aus Sicht der Händler erklärt sich die Zuspitzung an den Anleihenmärkten mit den finanziellen Problemen der spanischen Regionen. Die autonome Region Valencia hatte am Freitag einen Antrag gestellt, um unter den nationalen Rettungsschirm zu schlüpfen.

Am Sonntag ist die Region Murcia dazugekommen, nachdem der Präsident dieser Region in einem Interview durchblicken ließ, zwischen 200 und 300 Millionen Euro des 18-Milliarden-Euro schweren Rettungsfonds anzufordern. Die Regionen Katalonien sowie Kastilien-La Mancha sollen nach spanischen Medieninformationen auch vor diesem Schritt stehen.

Überblick: Spaniens Rettungspaket

Die Wirtschaftskrise hat zu einem Rückgang der regionalen Einnahmen geführt, dabei sind die Sozialausgaben wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit gestiegen. Die spanischen Regionen sind nicht nur deshalb in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Zusätzlich dazu haben sie an den Finanzmärkte ihre Anleihen nur gegen hohe Renditen platzieren können. Darauf hat die Regierung in Madrid mit der Einrichtung eines nationalen Rettungsschirms reagiert.

Ähnlich wie der EFSF-Rettungsschirm sieht dieser vor, dass den geholfenen Ländern strikte Sparanstrengungen diktiert werden und das Budget unter verschärfter Aufsicht gestellt wird. Zudem soll die Neuverschuldung der einzelnen Region in diesem Jahr nicht mehr als 1,1 Prozent und im nächsten Jahr dann 0,7 Prozent wachsen. Katalonien ist mit 42 Milliarden Euro die am höchsten verschuldete Region Spaniens.

Sparmaßnahmen drücken das Land in die Rezession

Dass sich die Situation in so kurzer Zeit verschärfen würde, darauf schien Madrid nicht vorbereitet zu sein. Nach Medienberichten gingen bis vor vergangener Woche führende Politiker in der spanischen Hauptstadt davon aus, dass die vorhandene Liquidität das Land noch über den Sommer gebracht hätte.

Erst im Herbst, so die Tageszeitung „EL Pais“, hätte man eine komplette Rettung durch die internationalen Rettungsmechanismen in Erwägung gezogen. Mit dem Druck an den Finanzmärkten, so wie den autonomen Regionen, die ihre Finanznot anmelden, sei dieses Szenario nun nicht mehr aufrecht zu erhalten. In der Öffentlichkeit möchte die Regierung in Madrid trotzdem nicht davon sprechen.

Auch der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos hält sich an diese Regelung fest. Auf die Frage, ob Spanien möglicherweise ganz unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen könnte, sagte Guindos am Montag: „Absolut nicht.“

Um dieses Schicksal abzuwenden, hat die spanische Regierung erst kürzlich ihre Sparanstrengungen weiter intensiviert. Das Parlament verabschiedet Mitte vergangener Woche ein 65-Milliarden schweres Sparpaket. Und gleich am Freitag mussten die verdutzten Politiker mit ansehen, dass die Anleihemärkte ihre Anstrengungen nicht honorierten.

Schäuble: Spanien nicht mit Griechenland vergleichen

Zumal die härteste Sparmaßnahmen in der Geschichte der spanischen Demokratie das Land im zweiten Quartal tiefer in die Rezession gedrückt hat. Die spanische Zentralbank hat am Montag in ihrem Monatsbericht mitgeteilt, dass die Wirtschaft um 0,4 Prozent im Quartalsvergleich geschrumpft ist. Spanien steht damit vor dem dritten Quartalsminus in Folge: In den beiden vorherigen Berichtsperioden ging die Wirtschaftsleistung um jeweils 0,3 Prozent zurück. Für 2012 erwartet die Regierung der viergrößten Volkswirtschaft der EU bislang einen Einbruch der Wirtschaftsleistung von 1,5 Prozent.

Wird Spanien das neue Griechenland? Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble möchte von solchen Vergleichen nichts wissen. „Das Land wird schnell wieder vorankommen“, sagte er der „Bild“-Zeitung vom Montag. Mit Hilfe des jüngst beschlossenen europäischen Hilfsprogramm für die spanischen Banken von maximal 100 Milliarden Euro werde das Bankensystem des Landes wieder stabiler und widerstandsfähiger, die Sparanstrengungen der spanischen Regierung werden nach Überzeugung Schäubles Früchte tragen.

Schäuble wird mit seinem spanischen Amtskollegen Luis de Guindos die Lage am Dienstag besprechen. Der spanische Minister kommt dann nach Berlin. Es ist ein Treffen, das nach Angaben der spanischen Regierung bereits seit geraumer Zeit geplant ist.

mit Material von dpa und Reuters

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