Spanien Region Valencia führt Gemeinwohl-Ökonomie ein

Ausgerechnet Spaniens Korruptionshochburg Valencia bekennt sich zum Gemeinwohl-Konzept des Alternativ-Ökonomen Christian Felber. Umsetzen soll es ein Mann, der unverdächtig ist, ein linker Ideologe zu sein.

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Viele Gemeinden in Deutschland und Spanien nennen sich inzwischen “Gemeinwohl Gemeinde”. Sie stehen für ein alternatives Wirtschaftssystem, das auf Kooperation und Solidarität beruht. Quelle: fotolia

In seiner österreichischen Heimat wird Christian Felber sehr viel weniger geschätzt als im fernen Spanien. Während österreichische Regierungspolitiker dem bekanntesten Theoretiker der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) nach dessen eigener Aussage "wenig Verständnis" entgegenbringen, gilt der 45jährige Buchautor ("Die Gemeinwohl-Ökonomie", 2014) und ATTAC-Mitgründer in Spanien als Schöpfer eines neuen wirtschaftlichen Leitbildes.

Ausgerechnet Valencia, eine der Pleite-Regionen Spaniens und besonders berüchtigt für seine korrupte Verwaltung, hat einen Plan gesetzlich verankert, nach dem Tourismus, Finanzwesen und Landwirtschaft am Gemeinwohl auszurichten sind. Im Februar diesen Jahres verabschiedete die Regional-Regierung einen Erlass, der die Anwendung des Gemeinwohls in der regionalen Gesetzgebung verankert. Die Universität von Valencia hat einen eigenen Lehrstuhl zu dieser alternativen Wirtschaftsweise eingerichtet.

Basis des GWÖ-Modells nach Felber ist die unternehmerische Gemeinwohl-Bilanz. In dieser wird unternehmerischer Erfolg nicht mehr als monetärer Gewinn gemessen wie in konventionellen Unternehmensbilanzen, sondern als Beitrag zum Gemeinwohl.

Was zeichnet die Gemeinwohl-Ökonomie aus?

Felber hat mit seinem Buch zwar unter Ökonomen erhebliche Kritik hervorgerufen, aber den Zeitgeist getroffen, auch in Deutschland: Eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung Ende 2016 ergab, dass fast 90 Prozent der Befragten eine neue Wirtschaftsordnung wollen, “in der Umweltschutz einen höheren Stellenwert hat als bisher und die den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft anstrebt.” 341 Unternehmen, darunter zum Beispiel der Öko-Versorger Polarstern und der Bergsport-Ausrüster VauDe, haben bereits nach Felbers Prinzipien bilanziert. Es gibt 150 Regionalgruppen, 23 lokale, regionale und nationale Vereine, die die Ziele der Gemeinwohlökonomie vertreten. Und nicht zuletzt hat die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: „Die Koalitionspartner begrüßen neue Formen des Wirtschaftens wie Gemeinwohlökonomien, weil sie als soziale Innovationen die Bürgergesellschaft stärken können.“

Weltweiter Vorreiter Valencia

In Valencia übernimmt die Umsetzung ein Mann, der kein linksradikaler Freak oder Populist ist, sondern weiß, was falsch läuft am Finanzmarkt. Der 70-jährige parteilose Francisco Álvarez hat nicht nur Bücher über Ethik und Finanzen geschrieben, sondern war selbst Broker, zweiter Mann der Pariser Börse und Leiter der Börse in Valencia. Er ist, wie er betont, für diese Aufgabe extra aus dem Ruhestand zurückgekommen, um die Leitung der Wirtschaftsabteilung der autonomen Region übernommen. “In Valencia haben wir jetzt erstmals ein Register der Firmen ins Leben gerufen, die nach Gemeinwohl-Prinzipien bilanzieren”, sagt Álvarez. Die regionale Regierung von Valencia verpflichtet sich, für Auftragsarbeiten nur noch Firmen aus diesem Register unter Vertrag zu nehmen. “Desto mehr sich die Gesellschaft sensibilisiert, je mehr Unternehmen werden dem Beispiel folgen, weil sie sehen, dass das gute Image für den Umsatz fördernd ist,” hofft Álvarez.

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