Staatliche Investitionen

Die lockere Geldpolitik riskiert die Zukunft der EU

Der Anspruch der Europäischen Union, eine "Wertegemeinschaft" zu sein, mag hochtrabend klingen. Ist aber unverzichtbar. Die EU muss mehr als nur eine Zweckgemeinschaft sein. Sonst wird sie von den Bürgern nur noch als eine überflüssige Zwangsjacke wahrgenommen.

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Quelle: dpa

Die europäischen Währungshüter haben inzwischen alle geldpolitischen Register gezogen - aber immer noch nicht bis zum Anschlag. In der März-Sitzung hatten einige Mitglieder des geldpolitischen Rates sogar noch eine stärkere Zinssenkung und noch stärker negative Einlagensätze erwogen. Die Äußerungen von Notenbankchef Draghi auf der letzten Pressekonferenz, wonach der Einlagensatz für geraume Zeit und über das QE-Programm hinaus auf dem jetzigen Niveau verharren wird, sind nicht in Stein gemeißelt. Die Planungsszenarien der EZB sehen vor, dass die Zinsen im Zweifel auch noch einmal gesenkt werden könnten. Der Spielraum der klassischen Geldpolitik ist somit noch nicht vollends aufgebraucht, und im Bereich der "unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen" ist noch Vieles möglich - bis hin zum "Helikoptergeld".

Stefan Bielmeier Quelle: Presse

Doch was soll diese Geldpolitik noch bringen? In Deutschland gibt es dafür zunehmend wenig Verständnis. Aber ist sie vielleicht gut für die Eurozone im Ganzen? Das größte Problem des Euroraums sind die ökonomischen Ungleichgewichte und die daraus resultierenden Fliehkräfte. Bislang war die Europäische Zentralbank in Lage, die Ungleichgewichte durch eine extrem expansive Geldpolitik auszugleichen. Die Hoffnung war dabei, dass der südliche Euro-Raum zur ökonomischen Vernunft kommt und die Phase der niedrigen Zinsen nutzt, um die notwendigen Strukturreformen anzugehen. Bisher hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Vielmehr steigen mit dem Andauern der Niedrigzinspolitik die ökonomischen Kosten. 

Entgegen dem verbreiteten Vorurteil ist es bisher in erster Linie Deutschland, das mit sehr stabilem Wirtschaftswachstum und geringer Arbeitslosigkeit von dieser Politik profitiert. Dadurch werden die Ungleichgewichte in Europa jedoch verstärkt. An den Finanzmärkten werden zunehmend Verwerfungen sichtbar, die auf die niedrigen Zinsen zurückzuführen sind. Zudem dürfte es auch immer mehr zu Fehlallokationen bei den Investitionen kommen: Bei den sehr niedrigen Zinsen werden Geschäftsmodelle lohnend, die in einem normalen Zinsumfeld als unproduktiv gelten würden. Der EZB bleibt aber kaum eine andere Wahl, als mit der derzeitigen Politik fortzufahren, denn ein Zinsanstieg könnte in einigen Ländern zu großen Problemen bei den Staatsfinanzen und im privaten Sektor führen.

Europa steht mit diesen Problemen nicht allein. Die globalen Schuldenberge wachsen unaufhörlich. Die Staatsverschuldung in den G7-Ländern ist seit 2007 von etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung auf rund 120 Prozent gestiegen. Auch Unternehmen und private Haushalte - in den Schwellenländern noch wesentlich stärker als in den Industrieländern - haben neue Schulden aufgebaut. Der Anstieg der Verschuldung, den letztendlich die Notenbanken ermöglicht haben, war für die Stabilisierung der Weltwirtschaft in den Jahren seit der Krise sicherlich hilfreich. Aber bei steigenden Zinsen könnte das zum Problem werden. Strukturell schwächere Schuldner werden dann in Schwierigkeiten kommen. Und wenn die Investoren wieder höhere Risikoprämien verlangen, wird das den Schuldendienst zusätzlich erschweren.

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