Staatsfinanzen Bundesbankpräsident Weidmann gegen zentralgelenkte Fiskalpolitik

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich gegen die Haushaltsüberwachung der Mitgliedsländer durch die EU-Kommission ausgesprochen. Er fordert die Verlagerung dieser Aufgabe an eine unabhängige Institution.

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Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank Quelle: REUTERS

Der Streit zwischen Deutschland und der EU-Kommission über eine Aufweichung der Sparpolitik in Europa verschärft sich. Ähnlich wie zuvor Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich nun auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann dafür aus, der Brüsseler Behörde die Überwachung der staatlichen Haushalte in der Euro-Zone zu entziehen. "Ich glaube nicht, dass eine Kommission, die ihr Mandat derart politisch interpretiert wie die derzeitige, am besten geeignet ist, die Haushaltsüberwachung in Europa sicherzustellen", sagte Weidmann dem "Handelsblatt" vom Freitag. Sinnvoll sei vielmehr eine Institution, die Haushalte anhand transparenter und nachvollziehbarer Regeln analysiere und "nicht den Eindruck erweckt, sie berücksichtige politischen Kuhhandel und Ausreden für Zielverfehlungen".

Schäuble hatte bereits ins Gespräch gebracht, dass der Euro-Rettungsfonds ESM eine stärkere Rolle bei der Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Raum übernehmen könne. "Wolfgang Schäuble und ich, wir sind beide überzeugt, dass diese Aufgabe am besten auf eine unabhängige Institution verlagert werden sollte, die keinem offensichtlichen Interessenkonflikt unterliegt", sagte Weidmann, der als Bundesbank-Präsident selbst eine politisch unabhängige Institution leitet.

Die EU-Länder haben im Stabilitätspakt vereinbart, ihr Budgetdefizit unter drei Prozent und ihre Verschuldungsquote bei maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten. Gegen diese Regeln wird allerdings seit Jahren immer wieder verstoßen. Der ESM ist als Finanzinstitution gegründet worden, um Euro-Ländern bei wirtschaftlichen Krisen finanziell unter die Arme zu greifen. Die Hilfen an Länder wie Griechenland werden dabei unter strikten Auflagen gewährt. Ziel ist es, so die Stabilität der Euro-Zone zu gewährleisten.

Wie zuvor Schäuble wandte sich Weidmann auch gegen Forderungen aus der EU-Kommission nach höheren Staatsausgaben, um das Wachstum in Europa anzukurbeln. Er bezweifle, dass der Euro-Raum angesichts nahezu erreichter Normalauslastung der wirtschaftlichen Kapazitäten ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm brauche, sagte Weidmann. Die Probleme in vielen Ländern seien eher struktureller Natur. Hinter der Forderung verberge sich zudem die Vorstellung, dass Europa eine zentral gelenkte fiskalpolitische Ausrichtung brauche "und dass Länder mit soliden Haushalten Schulden machen sollen, um die Konjunktur in anderen Ländern anzuschieben." Das sei mit dem aktuellen Charakter der Währungsunion unvereinbar.

Schäuble hatte der EU-Kommission vorgeworfen, in dieser Frage ihre Kompetenzen zu überschreiten. Die Kommission hatte dafür plädiert, den Sparkurs in Europa zu lockern und damit mehr für das Wachstum zu tun. Mitgliedsländer mit finanzpolitischem Spielraum sollen demnach mehr investieren. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die Haushaltsüberschüsse erzielen. Die Bundesregierung steht schon seit Jahren auf internationaler Ebene unter Druck, mit einer großzügigeren Ausgabenpolitik die Konjunktur anzuschieben.

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