Die Statistik ist eindeutig: Alle Euro-Krisenländer, deren Renditen über sieben Prozent schossen, mussten früher oder später unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Bei Griechenland vergingen gerade einmal neun Tage zwischen dem Erreichen der kritischen Marke und dem Hilferuf gen Brüssel, bei Irland 20 Tage und bei Portugal 147 Tage.
In der vergangenen Woche stiegen die Renditen für italienische Staatsanleihen auf bis zu 7,5 Prozent. Für fünfjährige Staatsanleihen mussten die Südeuropäer heute eine Rekord-Rendite von 6,29 Prozent akzeptieren. Derart hohe Zinsen für diese Papiere musste das Land den Anlegern seit Einführung des Euro noch nicht zahlen. Zum Vergleich: Mitte Oktober wurden bei einer vergleichbaren Auktion lediglich 5,3 Prozent fällig. Damit steigt die Angst, Italien könne sich nicht mehr selbst finanzieren. Dadurch wird auch der Ruf nach der Europäischen Zentralbank (EZB) immer lauter. Die Frankfurter sollten verstärkt italienische Anleihen laufen, um die Renditen nach unten zu treiben, riet Nobelpreisträger Paul Krugman. „Bevor das Finanzsystem kollabiert, ist es besser, wenn die EZB unbegrenzt italienische Staatsanleihen aufkauft“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der „Welt am Sonntag“.
Doch ist das wirklich nötig? Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu einem anderen Schluss. Demnach könne sich Italien selbst bei einem zeitweiligen Zinssatz von neun Prozent für zehnjährige Anleihen noch selbst finanzieren.
Denn: Der Wert für alte Schulden ändert sich nicht. Renditeforderungen von sieben Prozent, wie sie der Kapitalmarkt von Italien derzeit verlangt, werden nur für Schulden fällig, die Italien ab sofort aufnimmt.
Bis 2015 muss die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt rund 750 Milliarden Euro an alten Schulden tilgen und durch neue ersetzen. Das gilt – etwa im Vergleich zu Griechenland – als sehr viel. Deshalb werden an den Märkten Bedenken geäußert, das Land könne mit seiner Refinanzierung überfordert sein. Doch laut IW-Ökonom Jürgen Matthes sind diese Bedenken überzogen: „Der Durchschnittszins erhöht sich nur nach und nach. Bis 2015 wird noch nicht einmal die Hälfte des Schuldenstandes von 1,9 Billionen Euro umgewälzt.“
Italien musste schon höhere Zinsen zahlen
In Modellrechnungen zeigt Matthes, dass sich der Durchschnittswert bei einem aktuellen Zinssatz von sieben Prozent bis 2015 gerade einmal auf 5,3 Prozent erhöht. „Italien musste bis zum Jahr 2001 wesentlich höhere Durchschnittszinsen verkraften und konnte das auch“, so Matthes.
Ein vereinfachtes Beispiel zeigt, wie der IW-Experte gerechnet hat:
Der gesamte Schuldenstand beträgt rund 1,9 Billionen Euro, die durchschnittlichen Zinsen darauf liegen laut EU-Kommission im Jahr 2011 bei 4,2 Prozent.
2012 werden rund 300 Milliarden Euro fällig, die annahmegemäß ebenfalls zu 4,2 Prozent im Durchschnitt verzinst sind. In der Modellrechnung verlangen die Investoren für neue Kredite aber sieben Prozent Zinsen. Der neue Durchschnittssatz wird dann aus den 1,6 Billionen Euro an alten Schulden (zu 4,2 Prozent) und den 300 Milliarden Euro an neuen Schulden (zu 7,0 Prozent) berechnet.
Das Ergebnis für diesen Fall wäre dann ein Durchschnittssatz von 4,66 Prozent. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag dieser Wert in Italien noch bei 6,0 Prozent - und das Land konnte seine auch damals immensen Schulden problemlos bedienen.