Strafzins

Negative Zinsen sind Fluch und Segen

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Warum die EZB negative Zinsen berechnet

Damit drängt sich aber die Frage auf, warum die EZB negative Zinsen berechnet? Letztendlich möchte die EZB genau das erreichen, was oben beschrieben wurde. Geldhaltung soll unattraktiv sein, überschüssige Liquidität soll wirtschaftlich genutzt werden.

So sollen Geschäftsbanken einen größeren Anreiz bekommen, mehr Kredite zu vergeben, die Einlagen ihrer Kunden also als Kredite an private Haushalte oder Unternehmen weiterzugeben, was eine ihrer grundlegenden Aufgaben im Wirtschaftssystem darstellt.

Denn die Kreditvergabe im Euroraum ist rückläufig. Diese ungünstige Entwicklung möchte die EZB mit den negativen Zinsen beheben oder zumindest lindern. Das Problem dabei ist jedoch, dass in Deutschland das Kreditangebot der Banken die Kreditnachfrage deutlich übersteigt. Es ist also in der Realität sehr schwer, das Kreditengagement auszuweiten.

Die Rolle der EZB nach dem Maastricht-Vertrag

Gleichzeitig ist im südlichen Währungsraum zwar die Kreditnachfrage sehr hoch, jedoch ist hier das wirtschaftliche Risiko eines Kredites auch um einiges höher, da diese Länder aus einer tiefen Rezession kommen und die Unternehmen teilweise wirtschaftlich auf keinem guten Fundament stehen. Entsprechend sollten hier auch die Kreditraten entsprechend höher sein, was aber wiederum die Kostentragfähigkeit vieler Unternehmen übersteigt.

Paradoxe Situation

Es liegt also die paradoxe Situation vor, dass in Deutschland zu wenig Nachfrage für das Kreditangebot vorliegt und im Süden des Währungsraums die Banken aus risikopolitischen Überlegungen einen Teil der Kreditnachfrage nicht bedienen können. Die Zurückhaltung in diesen Ländern wird zudem auch noch durch das regulatorische Umfeld begünstigt.

Entsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass die negativen Notenbankzinsen die Kreditvergabe im Euroraum bislang nur in einem sehr geringen Ausmaß positiv beeinflusst haben.

Die negativen Einlagezinsen der EZB wirken sich aber auch noch auf andere Felder der Realwirtschaft aus. Naturgemäß sind bei negativen Zinsen die Schuldner die größten Profiteure.

Aktuell sind die Staaten die größten Schuldner im Euroraum. Daher überrascht es kaum, dass die Staatshaushalte der Euro-Länder von der Entwicklung der Notenbankzinsen in den vergangenen Monaten am stärksten profitiert haben.

So sollten die Zinsausgaben von Italien bis 2019 im Vergleich zu einer Phase mit "normalen" Zinsen um rund 43 Milliarden Euro niedriger ausfallen, und in Frankreich beläuft sich die Ersparnis auf rund 20 Milliarden Euro.

Selbst Deutschland kann hier einen nicht unerheblichen Rückgang der Zinsausgaben verzeichnen, der es letztendlich auch ermöglichte, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt für 2015 vorzulegen.

Das Problem dabei ist natürlich, dass sich dieses für die Staaten sehr günstige Umfeld zukünftig auch wieder ändern dürfte. Zwischenzeitlich sinkt jedoch der Konsolidierungsdruck für die betreffenden Länder, und die politischen Entscheidungen für eigentlich notwendige strukturelle Reformen fallen umso schwerer.

Daher mahnt die EZB auch in regelmäßigen Abständen, dass sie den Ländern nur die Zeit geben könne, um strukturelle Reformen anzupacken. Der politische Prozess muss natürlich in den jeweiligen Ländern vorangetrieben werden.

Falls die Länder es versäumen, die ihnen geschenkte Zeit zu nutzen, wird die Phase steigender Zinsen umso schmerzhafter werden. Es könnte dann auch leicht wieder zu einem Verlust des Investorenvertrauens kommen, mit den bekannten Auswirkungen auf die Risikoprämien der entsprechenden Staatsanleihen.

Hierin liegt auch die Gefahr begründet, dass die EZB, vor die Entscheidung gestellt, die Zinsen aus makroökonomischen Gründen wieder anzuheben, zu lange wartet, mit unangenehmen Folgen für die Inflation und den Kapitalmarkt.

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