Streitgespräch "Bei Spanien müssen wir höllisch aufpassen"

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Über die Vorteile, Mitglied der SPD zu sein

Wagenknecht, Sarrazin und WirtschaftsWoche-Chefredakteur Roland Tichy Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Glauben Sie, dass Griechenland noch in diesem Jahr die Euro-Zone verlässt?

Wagenknecht: Wenn alles so weitergeht wie bisher, ist das zu befürchten.

Sarrazin: Mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit ist Griechenland am Ende des Jahres nicht mehr dabei.

Grafik Anleihe-Renditen

Und dann? Wird der Euro dann untergehen?

Wagenknecht: Das Problem in Spanien und Italien dürfte sich zuspitzen, es wird massive Spekulation auf den Austritt des nächsten Landes geben.

Sarrazin: Was auch immer mit Griechenland passiert, kann sich die Euro-Zone leisten. Bei Spanien ist das anders. Da müssen wir höllisch aufpassen.

Wagenknecht: Deshalb muss der Wahnsinn endlich gestoppt werden. Unter dem Druck der Europäer senken die Spanier die Löhne, kürzen Sozialleistungen, streichen öffentliche Ausgaben und Investitionen: Durch eine solche Politik ist schon Griechenland in den Abgrund getaumelt. Wenn sich das in Spanien wiederholt, bekommt man erneut diesen explosiven Mix aus schrumpfender Wirtschaft und extrem hohen Zinsen, das ist der direkte Weg in die Zahlungsunfähigkeit. Auch Spanien bräuchte EZB-Direktkredite, um die Abhängigkeit von den Finanzmärkten zu überwinden.

Nach dem „free lunch“ für Banken nun der „free lunch“ für Staaten, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Ist der Moral Hazard da nicht programmiert?

Wagenknecht: Wenn man das begrenzt macht: Nein. Wenn man es unbegrenzt tut: Ja. Aber davon spricht ja niemand.

Sarrazin: Spanien braucht kein Geld. Spanien muss den sehr regulierten Arbeitsmarkt radikal reformieren, denn sonst leidet besonders die Jugend.

Spanien hat nicht nur Probleme auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch mit maroden Banken. Bankia etwa, die viertgrößte spanische Bank, braucht angeblich 23 Milliarden Euro...

Sarrazin: ...aber doch nicht von der EZB oder aus dem Rettungsschirm! Die Spanier haben keine Cash-Ausfälle, sondern nur Bewertungsverluste. Der spanische Staat könnte Garantien geben, die die Haushalte nicht direkt belasten würden.

Wagenknecht: Nein, über staatliche Garantien würde man die Verluste der Banken wieder sozialisieren. Und die Wirtschaftskrise führt inzwischen auch zu handfesten Ausfällen. Das ist Voraussetzung jeder funktionierenden Wirtschaft: Wer den Nutzen hat, soll auch den Schaden tragen.

Herr Sarrazin, in Deutschland wollen die Freien Wähler mit Anti-Euro-Thesen in den Wahlkampf ziehen. Sind Sie dabei?

Sarrazin: Ich komme für ein Engagement bei den Freien Wählern nicht infrage. Ich bin ja immer noch Mitglied der SPD. Das hat manchmal auch seine Vorteile.

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