Tabaksteuer und -werbung Staatliche Einnahmequelle wider die Vernunft

Deutschland hat 2016 mehr als 14 Milliarden Euro mit der Genusssteuer für Tabak verdient. Deswegen werden Tabakwerbeverbote im Bundestag blockiert. Bei den europäischen Nachbarn läuft die Prävention besser.

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Eine Zigarettenschachtel mit Schockbild. Quelle: dpa

Die Tabaksteuer ist nach der Energiesteuer die ertragreichste Steuer Deutschlands. Sie brachte dem deutschen Haushalt im letzten Jahr 14,2 Milliarden Euro ein, berichtet das Statistische Bundesamt. Meist wird das Geld genutzt, um Steuerlöcher zu stopfen- eine speziellen Aufgabe erfüllt es nicht.

Die Steuereinnahmen werden noch gewaltiger, wenn man bedenkt, dass der Tabakkonsum in Deutschland zurückgeht. So sank die Zahl versteuerter Zigaretten nach Angaben des Statistischen Bundesamts von 140 Milliarden Stück im Jahr 2000 auf 75 Milliarden im vergangenen Jahr.

Die deutsche Tabakindustrie reagiert mit massiven Werbeausgaben, um einen weiteren Rückgang zu verhindern. 2015 wurden rund 232 Millionen Euro in Werbung investiert, mehr als in den zehn Jahren davor.

91 Millionen Euro davon flossen in Außenwerbung ausgegeben. „Das Geld für Präventionsmaßnahmen in Schulen ist vergeudet, wenn die Kinder gleich beim Verlassen der Schule die Tabakwerbung an der Bushaltestelle sehen“, sagt Ute Mons, Präventionsexpertin beim deutschen Krebsforschungsinstitut.

Doch auch Politiker wollen etwas gegen die Plakatwerbung der Tabakindustrie machen: Im November 2016 schrieben die CDU/CSU-Politiker Christian Schmidt (Bundesernährungsminister), Hermann Gröhe (Gesundheitsminister) und die Drogenbeauftragte Marlene Mortler einen Brief an ihre Fraktion. Sie warnten, dass „Kinder und Jugendliche der Tabakwerbung auf Plakaten im öffentlichen Raum und im Kino nicht ausweichen könnten.“ Sie forderten ihre Fraktion auf, einer Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes zuzustimmen. Die Änderung sieht vor, bis 2020 Außenwerbung für Tabak zu verbieten und Kinowerbung nur noch vor Filmen ab 18 zu erlauben.

Nur in Deutschland Außenwerbung ohne Limit

Doch der Gesetzentwurf ist gescheitert. Die CDU/CSU-Fraktion und ihr Vorsitzender, Volker Kauder, nahmen den Punkt immer wieder von der Tagesordnung. Jetzt, mit dem Ende der Legislaturperiode, verfällt auch der Gesetzentwurf. In der nächsten Legislaturperiode muss ein neuer Antrag gestellt werden. Und das, obwohl das Gesetz schon durch das Bundeskabinett beschlossen worden war.

Ein Grund für die ständige Verschiebung des Tagesordnungspunkts könnte neben den Steuereinnahmen auch die deutsche Tabaklobby mit ihren Kontakten in die Politik sein. Diese sieht nämlich keine Notwendigkeit eines Außenwerbungsverbots: „Mit dem Jugendschutz kann das Totalwerbeverbot jedenfalls nicht begründet werden. Die Raucherprävalenz der unter 18-Jährigen ist innerhalb von fünfzehn Jahren von 28 auf 7,6 Prozent gesunken“, sagt Jan Mücke, der Geschäftsführer des deutschen Zigarettenverbandes.

Zudem würde ein Verbot der Außenwerbung gegen das Grundgesetz verstoßen, da die Wirtschaftswerbung durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt wird. Zu diesem Entschluss kommt auch der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart: Vor dem Hintergrund bestehender intensiver Regulierung wären weitere Beschränkungen der Tabakwerbung verfassungswidrig. Und somit sei ein Verbot der Außenwerbung durch Bundesgesetz kompetenzwidrig.

Da der Versuch, das neue Gesetz zu verabschieden, gescheitert ist, bleibt Deutschland das letzte europäische Land, das Außenwerbung ohne Einschränkungen erlaubt.

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