Und, was folgt daraus? Was sollen diese raunenden Sätze? Nun, sie sollen vor allem raunen, nichts weiter, das heißt, dem Ressentiment einen Raum eröffnen: gegen die Regierungspolitik von Angela Merkel, gegen Brüssel, gegen Europa - und gegen die internationale Verschwörung der sozialstaatlich abgefütterten Herdentiere, versteht sich. Mit der Folge, dass man bei der AfD der Meinung ist, "die Empfindlichkeiten" Russlands doch bitte sehr ernst zu nehmen, die der Israelis dagegen nicht ganz so - und auch nicht die Empfindlichkeiten der Syrer, über deren Sterben, Hungern, Leiden der empfindungsbedürftige Herr Putin ja nun schon seit Jahren seine schützende Hand hält, weshalb man sich seitens "des Westens" bitte unbedingt eines militärischen Eingreifens enthalten möge.
Man kann nur hoffen, dass Linke und AfD bei den Europawahlen (22. bis 25. Mai) die Quittung für ihre außenpolitischen Geisterbahnfahrten erhalten. Außenpolitische Krisen sind für Beobachter Chancen der weltanschaulichen Selbstvergewisserung - angesichts der Beteiligten, die sich vor ihnen fürchten müssen und unter ihnen zu leiden haben. Und solange Putins Gewinne bedeuten, dass sie gleichbedeutend sind mit Verlusten von Freiheit, Demokratie und Liberalismus, gibt es an ihnen nichts zu beschönigen. Auch "der Westen" hat das Völkerrecht gebrochen, sicher. Aber er hatte dafür bessere Gründe als Russland. Nicht seine doppelmoralisch hergeleitete "Legitimität" für "humanitäre Interventionen" entlarvt sich gerade selbst, sondern die machtzynisch hergeleitete "Legitimität" von Russland und China, die sich seit Jahrzehnten auf das Prinzip der "Nichteinmischung in fremde Angelegenheiten" berufen, um sich selbst und ihre befreundeten Machteliten vor den Zumutungen der Demokratie zu bewahren.
Dass "der Westen" dabei jenseits aller weltanschaulichen Klarheit weiterhin Rücksicht auf die Interessen Russlands nimmt und alle diplomatischen "Gesprächskanäle" offen hält; dass Kanzleramt und Außenministerium sich aller Gepflogenheiten der "Realpolitik" bedienen und in enger Abstimmung mit den Verbündeten handeln; dass keiner eine Eskalation des Konflikts mit Russland riskiert und jeder ein Interesse daran hat, die gemäßigten und besonnenen Kräfte in der Ukraine zu fördern, steht dabei selbstverständlich außer Frage.
Vor allem für die Bundesregierung. Die hat die Ukraine zu naiv, zu optimistisch, zu offensiv in Richtung Westeuropa lotsen wollen, mag sein, und vielleicht sogar Putins Reaktion provoziert. Aber das ändert nichts daran, dass "der Westen" den Export von Freiheit und Demokratie stoppen sollte. Im Gegenteil: Nicht die sind zu fürchten, die ihn exportieren. Sondern die, die ihn partout nicht importieren wollen.