Terror in Frankreich Was wir über die Anschläge von Paris wissen

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Militärische, politische und wirtschaftliche Folgen

Die politischen Folgen
Das wissen wir
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte ihre bisherige Haltung und sagte am Samstag, neben einer Reaktion der Sicherheitskräfte müsse es auch eine der Bürger geben. „Und die heißt: Wir leben von der Mitmenschlichkeit, von der Nächstenliebe, von der Freude an der Gemeinschaft. Wir glauben an den Respekt vor dem anderen und an die Toleranz. Wir wissen, dass unser freies Leben stärker ist als jeder Terror.“ Vizekanzler Gabriel warnte davor, Flüchtlinge pauschal zu verdächtigen. „Es suchen viele Menschen Schutz und Sicherheit in Europa. Wir dürfen sie nicht darunter leiden lassen, dass sie aus Regionen kommen, aus denen der Terror zu uns in die Welt getragen wird.“
Dennoch setzt genau dieser Mechanismus ein: Konservative und rechte Politiker in nahezu allen europäischen Ländern versuchen seit Freitagabend, eine Verbindung zwischen der Flüchtlingsfrage und den Anschlägen herzustellen.
Die neue polnische Regierung kündigte an, sich nicht mehr an der Verteilung von Flüchtlingen nach EU-Quoten zu beteiligen. Der designierte Europaminister Konrad Szymanski schrieb auf der rechtspopulistischen Internetseite "wPolityce.pl", der Beschluss für die Hotspots samt Verteilung sei zwar de facto europäisches Gesetz. "Aber nach den tragischen Ereignissen von Paris sehen wir nicht die politische Möglichkeit, diesen zu respektieren." Die französische Rechtsextremistin Marine Le Pen äußerte sich ähnlich.

Das wissen wir nicht
Ob die CSU jetzt endgültig nach rechts abdreht. Bayerns Finanzminister Markus Söder jedenfalls läuft seit Samstagmorgen – zwar frei von Beweisen, aber voller Entschlossenheit – zur Höchstform darin auf, die Pariser Attentate mit der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel zu verbinden. Die Attentate „änderten alles“, sagt er der „Welt am Sonntag": "Es wäre gut, wenn Angela Merkel einräumen würde, dass die zeitlich unbefristete Öffnung der Grenzen ein Fehler war. Wir wollten helfen und haben geholfen, aber jetzt sind auch wir überfordert", sagte Söder.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer forderte einen besseren Schutz der deutschen Grenzen. „Wir müssen sehr, sehr schnell festlegen, wie das mit den Grenzkontrollen in Europa und an unseren Binnengrenzen weitergeht.“ Das müsse „in Tagen“ geschehen. Es sei wichtig, „dass wir uns Klarheit verschaffen, wer im Land ist und wer durch unser Land fährt“. Wenn die EU-Außengrenzen nicht gesichert werden könnten, müsse Deutschland seine Grenze selbst sichern.

Die militärischen Folgen
Das wissen wir
Frankreich steht im Krieg gegen „die terroristische Armee des ,Islamischen Staates‘“. Das sagte Präsident François Hollande, nachdem der Verteidigungsrat („Conseil de Défense“) im Elysée-Palast getagt hatte. Der Präsident, dem die Verfassung den Rang des obersten Armeechefs zuschreibt, spricht von „Kriegshandlungen“ („actes de guerre“). Dementsprechend verschärfen die beteiligten westlichen Staaten ihr militärisches Vorgehen gegen den IS.
Frankreichs Premier Manuel Valls sagte: "Wir werden diesen Krieg gewinnen." Frankreich gehört zu den Gründungsmitgliedern der US-geführten Koalition gegen den IS und hat sich von Anfang an an Luftangriffen gegen die radikalislamische Miliz in Syrien beteiligt. Der IS bezeichnete die Anschläge als Vergeltung für die französischen Luftangriffe gegen sich im Irak und in Syrien.

Die USA haben nach eigenen Angaben den Chef der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen, Abu Nabil, getötet worden. Der Angriff mit F-15-Bombern sei in der Nacht zum Samstag geflogen worden, teilte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Peter Cook, in Washington mit. Der erste US-Angriff auf einen führenden IS-Vertreter in Libyen zeige, dass die USA die Miliz "überall" verfolgten.
Immerhin tut sich politisch etwas in Sachen Krieg gegen den IS: Die internationale Syrien-Konferenz in Wien hat einen "Fahrplan" zur Überwindung des Bürgerkriegs beschlossen. Wie US-Außenminister John Kerry und sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier (SPD) mitteilten, sollen innerhalb von 18 Monaten eine Übergangsregierung gebildet und Wahlen abgehalten werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach nach den Beratungen, an denen Vertreter von 20 Staaten und Organisationen teilnahmen, von einer "guten" Konferenz. Ein Frieden in Syrien gilt als Schlüsselfrage im Kampf gegen den IS, der dort eine der maßgeblich kriegsführenden Parteien ist.

Das wissen wir nicht
Wie das Militärbündnis Nato sich verhält. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001, zu denen US-Präsident Obama am Freitagabend eine Parallele zog, hatte das Bündnis den Verteidigungsfall ausgerufen. Ob dies nun auch geschieht, hängt maßgeblich von Frankreich ab. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat nach der Anschlagsserie in Paris davor gewarnt, von einem Religionskrieg zu sprechen. "Dies ist kein Kampf zwischen der islamischen Welt und dem Westen. Es ist ein Kampf von Extremisten und Kriminellen gegen Menschen, die an grundlegende Werte wie Freiheit und die Achtung der Menschenrechte glauben.“ Stoltenberg ergänzte: "Alle Nato-Verbündeten sind vereint im Kampf gegen Terrorismus und stehen solidarisch an der Seite Frankreichs." Welche konkreten Folgen das hat, ist derzeit unklar.

Die wirtschaftlichen Folgen

Das wissen wir
Die Börse in Paris wird am Montag normal geöffnet. Dies teilte eine Sprecherin des Betreibers Euronext der Nachrichtenagentur Bloomberg mit. Die Börse befindet sich mehrere Kilometer von den Anschlagsorten entfernt.

Das wissen wir nicht
Mit der verheerenden Anschlagsserie müssen sich die Aktienanleger wohl auf eine Handelswoche mit ungewissem Ausgang einstellen. Die Attentate dürften für Nervosität an den Börsen sorgen, die sich auch in fallenden Kursen niederschlagen könnte. Die Futures auf die wichtigen US-Indizes hatten am Freitagabend nach US-Börsenschluss in Reaktion auf die Anschläge bereits nachgegeben. Alles was die weltpolitischen Risiken wieder ins Bewusstsein bringe, werde die Märkte belasten, die derzeit ohnehin anfällig seien, sagte ein Börsianer. "Gerade weil es in den vergangenen Wochen so deutlich nach oben gegangen ist."
Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Aktienmarkt um zwei bis drei Prozent falle, sagte Yogi Dewan von der britischen Investmentfirma Hassium Asset Management der Nachrichtenagentur. Die Versicherungsbranche sowie Aktien von Reiseveranstaltern würden wohl auf die Terroranschläge reagieren.

Mit Agenturmaterial

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