Thomas Jorberg "Geld ist nicht der Grund der Arbeit"

Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte die nicht mehr funktionierende Verteilung der Güter verbessern, glaubt Thomas Jorberg, Vorstand der GLS-Bank.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Jorberg, Sie zählen zu den Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens. Wenn wir allen Menschen das Gleiche zahlen, egal ob sie arbeiten oder nicht, ist das nicht unfair?
Thomas Jorberg: Dahinter steckt folgende Annahme: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. So zu denken ist überhaupt nicht mehr angebracht in der heutigen Zeit, denn wir leben doch längst im Überfluss. Aus meiner Sicht ist es eine Selbstverständlichkeit, dass hier jeder Nahrung, Kleidung und eine Wohnung haben soll.

Konzepte zur Förderung eines bedingungslosen Grundeinkommens

Das stellt der Staat im Notfall doch über Transferleistung sicher.
Allerdings müssen die Menschen dafür viel über sich ergehen lassen. Alles nur, damit sie existieren können. Wir bringen die Menschen in eine Bittstellerhaltung und verteilen dann Almosen. Einrichtungen wie die Tafeln sind eine wunderbare Sache, aber aus meiner Sicht ist es ein Skandal dass es sie geben muss.

Wie meinen Sie das?
Eine dermaßen schlechte Allokation der Ressourcen ist eigentlich ein Unding. Wir schmeißen die Hälfte unserer Lebensmittel auf den Müll und können gleichzeitig die weltweite Ernährung nicht sicherstellen. Wir verbrauchen die Natur, als ob es sie im Überfluss gäbe. Wir haben alles im Überfluss und trotzdem gibt es Armut. Wir sind mittlerweile mit unserem Wirtschaftssystem an einer Grenze, wo es nicht mehr fähig ist, Güter und Wohlstand sinnvoll zu verteilen. Ein Grundeinkommen wäre der erste Schritt, das besser zu organisieren.

Doch wenn einige arbeiten damit andere nicht arbeiten müssen - sehen Sie da kein Risiko des Neids und des sozialen Unfriedens?
Es wäre ja nicht so, dass sich Arbeit dann nicht mehr lohnt. Wenn jemand mehr leistet, bekommt er mehr Geld. Diejenigen, die nichts tun, werden in unserer Gesellschaft doch nicht beneidet. Es werden doch immer die beneidet, die viele Termine und viel Geld haben.

Sie glauben also, dass die meisten Menschen genau so weiter arbeiten würden.
Nicht genauso, der Unterschied ist: Sie würden es absolut frei entscheiden können. Und außerdem leisten viele Menschen bereits jetzt etwas für die Gesellschaft, ohne dass sie dafür Geld bekommen. Allein die Menschen, die sich um Andere kümmern. Außerdem hätte ein Grundeinkommen noch eine andere Nebenwirkung: Unternehmer müssten bestimmte Arbeiten, die derzeit nicht ausreichend bezahlt werden, entsprechend besser vergüten. Zum Beispiel in der Pflege oder im sozialen Bereich.

Wie hoch müsste aus Ihrer Sicht ein Grundeinkommen sein?
Es müsste das Existenzminimum decken, also mindestens 850 Euro.

Und wie soll man das finanzieren?
Ich plädiere dafür, dass man Kapital und Kapitalerträge stärker steuerlich belastet und gleichzeitig die Einkommen aus Arbeit weniger oder gar nicht mehr besteuert.

Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem Grundeinkommens-Modell, wie es dm-Gründer Götz Werner fordert. Dieser möchte die Produktion komplett von Kosten befreien und einzig den Konsum besteuern.
Dieses Modell entspricht natürlich der Sicht eines Unternehmers. Doch ich halte einen anderen Ansatz für sinnvoller. Denn das Hauptproblem ist, dass die Unternehmer immer mehr Erlöse aus Kapital und weniger aus Arbeit erzielen. Die Produktion verläuft zunehmend automatisiert, menschliche Arbeit wird „wegrationalisiert“. Dadurch verschiebt sich die Wertschöpfung zusehends von der Arbeit zum Kapital. Und so fließen auch immer mehr der Erlöse zum Kapital und nicht zu arbeitenden Menschen. Diesen Bereich der Wertschöpfung sollten wir stärker besteuern.

Dann würden einige Unternehmer das Land verlassen.
Kapitalflucht gibt es schon heute, meistens wird das Thema übertrieben dramatisiert. Die, die mit ihrem Kapital flüchten, merken ja schnell, dass das gesellschaftlich nicht akzeptiert wird.

Hängen wir aus Ihrer Sicht einem überhöhten Wert der Arbeit hinterher?
Nein, wir Menschen haben doch immer das Bedürfnis, für andere und für uns tätig zu sein. Selbst wenn das Finanzsystem zusammenbrechen würde, würden die meisten Menschen am nächsten Tag genau das machen, was sie vorher auch gemacht haben. Man würde es nur neu organisieren wollen. Und dann würden die Menschen auch merken, dass der Grund, warum wir arbeiten, nicht im Geld liegt. Sondern, dass das Geld nur vermittelt. Es ist nur das Verteilungsinstrument.

Interview aufgezeichnet von Katharina Matheis

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%